Die Muse und die Gärtnerin (2)

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„Dann bin ich bereit." Mein Blick gleitet über die Blumen, die Wiese. „Also...ich meine, ich bin nicht bereit, aber länger warten wird es nicht besser machen."

Demetra lächelt. „Gut. Dann komm."

Sie führt mich entlang der Kiespfade tiefer in den Garten, zu einem Pavillon aus weißem Stein, umschlossen von griechischen Säulen um die sich Rosen ranken. In der Mitte des Pavillons stehen ein steinerner Tisch und eine Bank. Und auf dem Tisch, aufgeschlagen, liegt ein Buch.

„Hecates Schöpfung", murmelt Demetra und weißt mich mit einer Handbewegung an, in den Pavillon zu treten., „Die Geschichte von Fabelreich, von den Anfängen bis heute. Sie wartet auf das nächste Kapitel." Sie selbst bleibt am Eingang unter den Rosen stehen, während ich hinter den Tisch trete. Unsicher schaue ich zu ihr auf. „Was mich ich tun?"

„Das, was du am besten kannst: schreiben."

Ich schaue sie an, sehe das goldene Licht um ihr Kleid spielen. In diesem Moment ertönen aus der Ferne, herangetragen vom Wind, der helle Klang von Kirchenglocken. Sie müssen wohl aus der Stadt dort zwischen den Hügeln kommen, im Garten sehe ich nichts, was diesen Klang erzeugen könnte.

„Ich muss dich jetzt verlassen", sagt Demetra und wendet sich der Stadt in der Ferne zu. „Man erwartet mich." Sie will schon gehen, da wendet sie sich noch einmal zu mir um. „Ich möchte dass du eins noch weißt, Lina. Jede Entscheidung, die ich getroffen habe, geschah so aus freiem Willen. Gleich, ob ich um Hilfe gebeten wurde oder nicht." Meine Kehle wird eng, als ich begreife, auf was sie anspielt. „Ich habe mein Leben gelebt. Und auch wenn es manches gibt, was ich bereue. Meine letzte Stunde gehört nicht dazu. Auf Wiedersehen, Lina Büchner." Im Gehen neigt sie den Kopf zu einer Säule, fasst eine Rosenblüte zwischen den Fingerspitzen und riecht daran, die Augen geschlossen, wie auf einem Pre-Rephaelite Gemälde.

Es ist dieses Bild, das ich sehe, wenn ich an sie denke, auch noch Jahre später, nachdem sie längst zwischen den Stauden des Gartens verschwunden ist.

Ich fühle mich merkwürdig. Gleichzeitig erfüllt von so viel Frieden und doch traurig. Mit einem Seufzen lasse ich mich auf der steinernen Bank nieder und ergreife die Feder.

Dann beginne ich zu schreiben.

FabelblutDonde viven las historias. Descúbrelo ahora