Ante Portas (1)

489 52 6
                                    

Wenn man mich vor einem Jahr gefragt hätte, was für Entscheidungen mich mit sechtzehn wohl beschäftigen würden, hätte ich nicht lange überlegen müssen. Das übliche eben. Welche Farbe trage ich zum Abschlussball? A-Linie oder Meerjungfrau (wobei, nein, diese Frage hätte sich wahrscheinlich nie gestellt)? Muss ich die Mathehausaufgaben noch heute Abend machen oder reicht es auch noch morgen früh im Bus? Riskiere ich es, meine Kürbisse schon vor Mitte Mai ins Freiland zu setzen, weil mein Fensterbrett sich langsam aber sicher in einen Mini-Dschungel verwandelt?

Ja. Sowas hätte ich gesagt. Typische Alltags-Entscheidungen einer sechzehnjährigen Hobbygärtnerin mit leichter Rechenschwäche.

Stattdessen beschäftigt mich im Moment vor allem eine, für mein Alter eher untypische Frage: Wie rüste ich ein uraltes Herrenhaus gegen den Angriff eines machtbesessenen schattenwerfenden Magiers und seiner Monster-Armee?

Zugegeben, anders als bei der Frage, ob meine Kürbisse auch schon Anfang Mai ins Freiland dürfen, ist meine Expertise in dem Bereich eher gering. Ich habe in der Vergangenheit weder Kriegsspiele am Computer gespielt, wie meine männlichen Altersgenossen, noch mich in irgendeiner anderen Weise mit dem Thema beschäftigt. Selbst in Fantasybüchern, die ja in der Regel nicht gerade mit Gewaltbeschreibungen geizen, habe ich die Seiten, in denen die Helden irgendwelche Schlachtstrategien erläutern immer überblättert (sorry, not sorry).

So kommt es, dass ich mich, allein mit Roxy, Eric, Nicolas und Faustia in einem Raum, mal wieder als die Unerfahrenste erwiesen habe. Sogar Faustia, die sonst die Personifikation von Ruhe und Frieden ist, hat sich als erstaunlich kreativ im Bereich roher Gewalt erwiesen.

„Ich denke, unser Ziel ist klar", sagt Nicolas, bei einem unserer Treffen in Eleanors Arbeitszimmer. Der kleine Raum ist mittlerweile zu einer Art Basiszentrale umfunktioniert. Eine detaillierte Karte von Stormglen Manor und seinen Ländereien bedeckt die Tischplatte. Von irgendwoher hat Roxy eine Packung Mensch-ärgere –dich-nicht Männchen organisiert, die sie Game of Thrones like als Symbol für die Akteure der Schlacht über die Karte verteilt hat. Jedem Kollegium ist eine Farbe zugeordnet, mit selbst bemaltem Schwarz für die Schatten.

„Wir müssen Stormglen Manor verteidigen und verhindern, dass er das Haus betritt, bis der Vollmond sinkt."

Ich nicke. In gewisser Weise haben wir Glück im Unglück. Damon mag zwar das Tagebuch, Eleanors Blut und den ganzen Rest besitzen. Aber wir haben Stormglen Manor. Er kann das Ritual nicht ohne uns durchführen. Und das heißt, es gibt immer noch eine Chance, selbst wenn die noch so klein ist.

„Was denkst du, wie groß ist Damons Armee?", frage ich mit gerunzelter Stirn an Nicolas gewandt.

„Schwer zu sagen." Er wiegt den Kopf hin und her. „Ich weiß nur eins: Damon Blackwell greift nicht an, wenn er sich nicht sicher ist, dass er uns besiegen kann. Er hat jahrelang auf diesen Moment gewartet. Da reagiert er jetzt bestimmt nicht überstürzt. Er muss uns zahlenmäßig überlegen sein, sonst würde er keinen Angriff wagen."

„Hat er doch das letzte Mal auch", brummt Eric.

„Stell dich doch nicht blöd!" Nicolas wirft ihm einen leicht sauren Seitenblick zu. „Letztes Mal hat er nur verloren, weil Eleanor ihn verraten hat. Sieht Damon für dich wie jemand aus, der den gleichen Fehler zweimal macht?"

„Wenn es um seinen Stolz geht, dann ja. Das war schon immer seine größte Schwäche."

„Na, deine ja gar nicht..."

„Was soll das denn jetzt schon wieder-"

„Ruhe!" Roxy hat mit der Faust auf den Tisch geschlagen. „Mein Gott, Männer!" Sie schüttelt den Kopf und ihre Augen wandern funkelnd zwischen den Beiden hin und her. „Jedes Grundschulkind ist vernünftiger als ihr!"

FabelblutOnde histórias criam vida. Descubra agora