Bei Mond und Stein

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Nicolas.

Sein Name ist der einzige Gedanke in meinem Kopf, als ich durch die Eingangshalle rase, immer am Ausweichen vor herumschwirrenden Fabelwesen und Energieblitzen. So eine Schlacht hat was von einer tödlichen Partie Völkerball. Ausweichen und Ausweichen, bis man einen Moment Luft hat und selbst zu Gegenschlag ansetzt.

Nicht, dass ich in Völkerball jemals gut gewesen wäre.

Eigentlich will ich auf schnellstem Weg zum Kollegium der Schatten. Wenn Damon wirklich schon in der Nähe ist und Nicolas als einzige übrig bleibt, um sich ihm entgegen zu stellen, dann darf ich keine Zeit verlieren. Ich muss die Kapelle erreichen, bevor er es tut. Leider habe ich da die Rechnung ohne Damons Leute gemacht.

Schon im ersten Stock, muss ich mich für geschlagene fünf Minuten hinter einer chinesischen Vase verstecken, weil das Zischeln um die Ecke mir verrät, dass ein Basilisk durch den Gang schleicht. Die Riesenechsen mit roten Kämmen wie ein Hahn hätte ich zwar gerne mal live gesehen, aber von Giftzähnen durchbohrt zu werden ist in der aktuellen Situation nicht wirklich zielführend. Also warte ich, bis die Luft wieder rein ist und haste dann weiter.

Überall auf dem Weg nach oben begegnen mir Spuren der Verwüstung. Zerrissene Bilder und Vorhänger, Kratzer und Bissspuren in den Holzvertäfelungen, zersplitterte Fensterscheiben.

Als ich endlich die Glastür zum Kollegium der Schatten erreiche, kommt es mir vor, wie wenn ich Ewigkeiten gelaufen wäre. Sie ist nur angelehnt.

In meinen Ohren beginnt das Blut zu Pochen. Meine Wangen glühen, vielleicht eine Nachwirkung vom Rennen. Ich spüre Hitze in mir aufsteigen, aber als ich vorsichtig um die Ecke durch den Türrahmen schaue, wird mir trotzdem eiskalt.

Am anderen Ende des mondbeschienenen Gangs, dunkel vor dem blutroten Teppich, liegt eine schwarze Gestalt. Schatten schweben um sie herum, letzte Reste eines größeren Magieausbruchs. Ich brauch das Gesicht nicht zu sehen, um zu wissen, dass es Nicolas ist. Was auch immer er versucht hat, es war nicht genug.

Über ihm, immer noch aufrecht, steht ein anderer Mann. Ein Mann in einem schwarzen Anzug, wie ein Oxford-Gelehrter.

„Damon!"

Langsam dreht er sich zu mir um. Bei meinem Anblick, zieht sich ein Lächeln über seine Mundwinkel. „Hallo, Lina."

Mir ist klar, wie ich aussehen muss. Meine schmächtige Gestalt in Demetras langem Umhang. Verkleidet. Er hat vermutlich nicht vergessen, wie hilflos ich mich damals im Gefängnis aufgeführt habe. Aber die Lina von damals ist nicht die Lina von jetzt.

„Ich kann mich nicht erinnern, dich eingeladen zu haben." Ich versuche meine Stimme sicher klingen zu lassen, ohne Zittern. „Das hier ist mein Haus."

Hinter Damon bewegt sich Nicolas am Boden leicht, murmelt etwas. Vielleicht seufzt er über meine Dummheit. Soll er. Ich rette ihm hier gerade den Arsch.

Damon neigt leicht den Kopf, belustigt. „Lass es sein, Lina. Ich tue Kindern nicht weh. Ein Mann muss Prinzipien haben."

„Ach, ja? Aber wenn die Kinder siebzehn sind und sich als potenzielle Geliebte eignen, dann ist es was anderes, oder wie?"

Kurz flackert ein zorniger Ausdruck über seine blasierte Miene, fast schon hasserfüllt.

Gut so. Schauen wir mal, was es braucht, damit du die Kontrolle verlierst.

„Komm schon, Damon. Eleanor ist beseitigt. Keiner mehr da, der mich beschützen könnte. Der petzen würde, wenn du mich tötest. Warum es nicht versuchen? Warum diese Skrupel? Ich bin die Priorin von Stormglen."

FabelblutWhere stories live. Discover now