Schauer und Sterne (2)

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Wir verabschieden uns von Arachne, die mit ihrem Lohn in der einen und der karierten Plätzchendose in der anderen Hand zurückbleibt. Erst an der Tür habe ich Gelegenheit einen Blick auf Mos Outfit zu werden. „Nein, oder?" Er trägt eine schwarze Anzugjacke, aber darunter, einen karierten Faltenrock. „Dein Ernst? Ein Schottenrock?"

„Es heißt Kilt", sagt Mo, gespielt beleidigt, „Und bevor du fragst: ja, es war tatsächlich meine Idee."

„Tragen kannst du es auf jeden Fall."

„Na, dann." Er lacht und reicht mir seinen Arm. „Darf ich bitten?"

Mo und ich laufen nebeneinander einen Schritt hinter Eleanor. Bei jeder Treppenstufe hebe ich mein Kleid und hoffe inständig, dass man mir meine mangelnde Erfahrung mit Roben dieser Art nicht zu deutlich ansieht.

Mo wirft mir einen Blick zu. „Entspann dich", flüstert er mit einem schiefen Grinsen, „Du siehst super aus."

Wenn ich mich nur auch so super fühlen würde.

Vor der Flügeltür zum Speisesaal hält Eleanor inne und gibt mir Zeit, die Szene aufzunehmen.

Das Refektorium hat sich in einen Ballsaal verwandelt. Die Tische sind verschwunden, dafür gibt es jetzt eine Band und eine Tanzfläche. Entlang der Wände ranken sich Girlanden aus Eiszapfen und weißen Blüten in Schneeflockenform. Die Beleuchtung kommt von silbernen Kerzenständern und einer Armee aus glühwürmchenartigen Lichtern, die wie kleine Sterne unter der Decke schweben. Sie werfen einen kühlen Glanz auf die Leute unter ihnen.

Das Kollegium des Feuers, mit Eric an der Spitze, hat sich direkt neben der Tür postiert. Man erkennt die Mitglieder recht gut an den glühenden Orange-und Goldtönen ihrer Kleider, geschmückt mit Sonnen-und Flammenmotiven. Einige der Frauen tragen Diademe aus goldenen Stacheln um ihren Kopf, die wie Heiligenscheine aussehen und offensichtlich an Sonnenstrahlen erinnern sollen.

Den Kontrast dazu bildet das Kollegium des Wassers, auf der anderen Seite des Saals. Hier dominieren die Farben von Luft und See, Grau und kühles meerblau. Viele Wächter tragen ihre Haare offen und mit feinen Perlenschnüren verwoben.

Ganz vorne, an der Stirnseite des Saals, steht Demetra, umschwärmt von ihrem Kollegium, wie eine Blüte von Honigbienen.

Okay, ich geb's zu: der Vergleich hinkt, aber bei Pflanzenmetaphern kann ich einfach nicht widerstehen. Passt zu gut zum grünen Kollegium. Und so weit hergeholt ist es auch nicht. Demetras Kleid aus hellgrünem Samt liegt von den Schultern bis zur Hüfte eng an und geht dann in einen Rock aus cremeweißer Seide über, was ihr das Aussehen eines sich öffnenden Blütenkelchs verleiht. Nur Demetra bringt es fertig, so ein Kleid zu tragen und dabei elegant statt lächerlich zu wirken.

Mir kommt dieser ganze Ball mitsamt seinen Kostümen wie eine edle und geschmackvollere Version der Mottoparties aus meiner Kindheit vor. Ritter- und Piratengeburtstag für Erwachsene, sozusagen.

Langsam ebben die Gespräche im Saal ab. Nach und nach wenden sich Köpfe zu uns um und plötzlich wird mir klar, warum noch keine Musik spielt und niemand tanzt. Die Wächter erwarten jemanden. Uns.

Eleanor lässt sich Zeit. Erst als auch der letzte unser Erscheinen bemerkt hat, setzen wir uns in Bewegung. Zu beiden Seiten des Saals weichen die Wächter an die Wände zurück. Alle Augen sind jetzt auf uns gerichtet. Genau, was Eleanor beabsichtigt hat.

Aus den dunklen Ecken höre ich Getuschel hinter vorgehaltenen Händen, aber komischerweise stört es mich heute kein bisschen. Ich bin hier schließlich nicht diejenige, die mit einem goldenen Heiligenschein oder Muscheln im Haar aufgetaucht ist...

Zum ersten Mal fühle ich so etwas wie Stolz auf mein Kollegium. Mo, Eleanor und ich mögen wenige sein. Aber, was uns an Zahlen fehlt, machen wir durch Klasse wieder wett. Mit unserem Auftritt hier stellen wir alle in den Schatten.

FabelblutDär berättelser lever. Upptäck nu