Götter und Dämonen (2)

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Mo zieht scharf die Luft ein: „Ihr seid was?"

„Klingt eindrucksvoller, als es war. Wir haben Stormglen Manor belagert, am nächsten Tag wollten wir angreifen. Eleanor wollte ihnen eine Chance zur friedlichen Kapitulation bieten. In der Nacht vor der Schlacht, wurde sie mit der Nachricht zur Priora geschickt." Nicolas tippt gegen sein Glas und schüttelt den Kopf. „Ich weiß bis heute nicht, was Demetra hinter den Mauern von Stormglen mit ihr gemacht hat. Als als wir am nächsten Tag angreifen wollten, fehlte Eleanor plötzlich. Erst auf dem Schlachtfeld stand sie wieder vor uns. An der Seite unserer Gegner." Er schweigt, den Blick nach wie vor auf das Weinglas gesenkt. Seine Mundwinkel zucken, wie als würde er die Schmerzen der Erinnerung noch einmal durchleben. „Wir haben verloren. Was danach kam, kennt ihr ja mittlerweile: Prozess, Urteil. Eleanor wurde für ihren Verrat auch belohnt, als neue Alumna. In mir haben sie nur einen Mitläufer gesehen, mein Portalbuch beschlagnahmt und mich dann mit einem One-way-Ticket in die Menschenwelt abgeschoben. Hat sich aber niemand die Mühe gemacht, nachzuforschen, ob ich wirklich dort angekommen bin. Bis sie sich wieder für mich interessierten, hatte ich mich längst dem Widerstand angeschlossen und war in den Wäldern verwunden. Selbst Eleanor wusste nicht, wo ich steckte. Bis sie beim letzten Angriff meine Magie gespürt haben muss. Seitdem hat sie versucht, Kontakt aufzunehmen. Merkwürdig." Seine Finger kreisen um den Rand des Weinglases. „Heute bin ich Eleanor dankbar für ihren Verrat. Warum auch immer sie es getan hat, Angst, Weitsicht oder Machtgier. Es war richtig. Und es hat mich hier her gebracht, weit weg von Damons giftigem Einfluss."

„Was ist mit ihm passiert?", frage ich leise. Mein Kopf fühlt sich vollgestopft an und tut weh, ein bisschen wie mein Magen nach dem Weihnachtsessen. Eleanors rebellische Vergangenheit ist aber auch ein besonders schwer verdaulicher Brocken. Es ist die Art von Information, die dein Bild von einem Charakter so krass verändert, dass du jedes vergangenen Gesprächs jede Begegnung hinterfragst und auf versteckte Hinweise durchleuchtest. Den tragischen Riss, den du irgendwie übersehen hast.

„Damon haben sie in irgendeinen Hochsicherheitsknast gesteckt und vergessen", sagt Nicolas. „Hin und wieder schwirrt sein Name durch Fabelreich. Nicht sein richtiger Name, das traut sich keiner. Die Leute haben einen Codenamen für ihn. Lichtbringer." Er schnaubt. „Wenn du mich fragst wäre Blender treffender gewesen."

„Lichtbringer?", murmelt Mo, „Ist das Absicht?"

„Darauf kannst du wetten."

Ich werfe Mo mit gerunzelter Stirn einen Blick zu und er scheint zu verstehen: „Es ist eine Übersetzung aus dem Lateinischen. Lichtbringer bedeutet Luzifer. Und Luzifer bedeutet-"

„Teufel", wispere ich. Eine Gänsehaut kriecht über meinen Rücken.

„Damon ist nicht religiös", sagt Nicolas, der meine Reaktion offenbar bemerkt hat, „Aber er liebt mythologische Bilder. Vor allem wenn sie mit Ängsten spielen. Die Granatapfelkerne, Hades und Persephone. Genau sein Stil. Ich glaube, diese kleinen Rätsel sind das einzige, was ihm noch Freude macht. Schon traurig, wenn du dich in dein eigenes Hirn verliebst."

„Sie glauben auch, dass er es war."

Nicolas hebt eine Braue. „Was? Reigen? Eleanor? Beides mal ja. Damon trennt sich nicht gern von seinem Besitz. An mich kommt er nicht ran, ich bin zu gut versteckt und habe Freunde, die mich verbergen. Aber Eleanor... wenn sie verbannt wurde, wenn Demetra den Schutz des Kollegs von ihr genommen hat, dann kann sie jedes Fabelwesen in der Menschenwelt aufspüren. Mit Sicherheit hätte Damon seine Lieblingsschülerin gern zurück. Vor allem, wenn es noch eine Rechnung zu begleichen gibt."

„Also ein Rachefeldzug?", fragt Mo, die Augen skeptisch zusammengekniffen. „All das, Reigens Mord, nur um an Eleanor ranzukommen? Wie soll er das aus dem Knast raus organisiert haben?"

„Keine Ahnung." Nicolas neigt den Kopf. „Aber denkt an die Granatapfelkerne. Demeter wollte ihre Tochter aus den Fängen des Hades retten, richtig? Genau das hat Demetra damals vor der Schlacht mit Eleanor versucht. Die Kerne wiederum stehen für die List, mit der Hades Persephone trotz aller Bemühungen in der Unterwelt festhielt. In unserem Fall waren Reigens Tod und Eleanors Verbannung Damons List. Und jetzt ist sie wieder bei ihm, in der Unterwelt, in ihrer ganz persönlichen Hölle. Genau wie Persephone. Das ist seine Handschrift, Mortimer. Fast als hätte er uns einen Brief geschrieben. Er will, dass wir sie finden."

„Dann müssen wir was machen!", sagt Mo, „Wir müssen zu diesem Gefängnis!"

Nicolas beobachtet ihn über den Rand seines Glases und klingt tatsächlich ein wenig bedauernd. „Nur die Alumni wissen, wo das ist."

„Fragen wir sie eben. Was ist, wenn er sie umbringt?"

„Irgendwann vielleicht, aber nicht so schnell. Dafür ist sie zu interessant."

Mo starrt ihn an, und für einen Moment habe ich Angst, er könne wieder Schatten werfen. „Wie können Sie so locker da drüber sprechen?"

„Ich bin nicht locker!", auch Nicolas' Stimme ist jetzt scharf, „Glaubst du, sie ist mir egal? Ich kenne Eleanor schon wesentlich länger als du, Junge, und auf eine Weise, wie du es niemals tun wirst!" Er hält inne, abrupt, wie um sich selbst zu zensieren. Seufzend fährt er sich über die Stirn. „Wir dürfen nichts überstürzen", murmelt er müde. „Eleanor hatte Gründe, warum sie ihr Treffen mit mir verschwiegen hat. Wenn wir jetzt zu den Alumni rennen, riskieren wir, dass der gesamte Widerstand auffliegt."

„Das ist mir scheißegal!", faucht Mo, „Es geht nicht mehr um eure Machtspiele, verdammt! Wenn ihr uns nicht helft-"

„Wer sagt das denn?", fragt Nicolas, hörbar verärgert. „Natürlich helfe ich euch. Nur eben- Ach, vergiss es. Kommt mit." Er steht auf. „Wir gehen ins Theater."

FabelblutWhere stories live. Discover now