Prolog

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Wenn ich etwas wirklich hasse, dann ist es fliegen. Dieses ekelige Gefühl beim Abheben der Maschine und das endlose Gefangensein im Inneren. Außerdem mag ich die Sandwiches nicht, die sie einem da anbieten.
Dieses Mal ist es eine Thunfisch, Avocado, Sellerie und Aubergine- Kreation. Keines dieser Dinge, würde ich je auch nur in die Reichweite meiner Geschmacksknospen bringen.

"Nein, lieber nicht" sage ich also zu der Stewardess, die mir Eins davon hinhält.

"Maggie." Sagt mein Grandpa "Es ist ein langer Flug von Memphis bis nach Edinburgh, du solltest etwas essen."

"Ich habe keinen Hunger. Jedenfalls nicht auf das da!"

Grandpa seufzt."Na schön, aber beschwer dich dann später nicht, wenn dein Magen knurrt." Er setzt sich bequemer hin, legt seinen Kopf nach hinten und schließt die Augen.

Am liebsten würde ich es ihm gleichtun, aber ich muss die ganze Zeit an Katie denken, meine kleine Schwester, mit den winzigen Händen und den großen Augen. Früher waren ihre Haare blond, jetzt versucht sie ihren kahlen Kopf hinter einer Mütze zu verbergen.

Eigentlich hätte es mich treffen sollen. Nicht sie. Ich bin 17, ich bin diesem Alter, indem einem so etwas einfach passiert, weil man raucht und trinkt und kifft und was sonst noch.

Aber sie ist gerade mal fünf. Da dreht sich deine ganze Welt doch darum, wie früh du ins Bett musst und wie viele Kuscheltiere deine Freunde haben und ob du es dir wohl je einmal trauen wirst vom drei- Meterbrett zu springen.
Ein Alter, in dem du es gerade mal verkraften kannst dass es den Weihnachtsmann nicht gibt.
Es ist als ob...

Nein, sage ich mir' denk jetzt nicht darüber nach. Denk an Walles. An seine blauen Augen.'

Aber es hilft nichts. Unwillkürlich muss ich zittern.

Ich sehe schnell aus dem Fenster. Wir fliegen über eine Ansammlung von Hügeln. Oder sind es Berge? Seen und Flüsse grenzen sie ein. Sind durchwachsen von Wäldern und Wiesen. Aber, wenn ich ehrlich bin, kann man das von hier oben aus gar nicht erkennen. In Wirklichkeit ist es eine graugrüne Suppe, durchmischt vom Weiß der Wolken.

Der Gurt sitzt ein wenig eng, also öffne ich dem Verschluss und versuche mich ein Stück weit nach hinten zu lehnen. Dabei beobachte ich unauffällig die anderen Passagiere. Direkt neben mir ist ein Nerd, der auf seinem PC zockt, dahinter ein bärtiger Typ, der ein T-Shirt trägt, dessen Aufschrift "Yes, we can do it!" verkündet und gegenüber eine ältere Dame mit einem Buch. Mir fällt eine silberne Kette in Form eines fliegenden Vogels an ihrem Hals auf.

Irgendwie scheint jeder beschäftigt.

Ich setze mich auf und stelle mich in den Gang. Mir ist es eigentlich immer ein bisschen unangenehm irgendwo zu stehen, wenn niemand Anderes steht, aber der Mensch muss halt hin und wieder mal aufs Klo.

Auf dem Weg zurück zu meinem Platz geraten wir in ein Wolkenloch und das Flugzeug jagt ein Stück weit nach unten. Durch den Ruck falle ich zur Seite. Ausgerechnet in die Arme der Oma. Seht ihr jetzt ein, weshalb ich Fliegen überhaupt nicht leiden kann?!

" E...e...Ent... Entschuldigung" stottere ich und richte mich schnell wieder auf.

Die Frau, schaut ein bisschen irritiert, lächelt dann aber und sagt
freundlich:"Das macht doch nichts. Diese Turbulenzen hier... Jeden Flug aufs Neue."

Ich glaube ich bin noch immer hochrot
im Gesicht als ich bei meinem Platz ankomme.

Zum Glück schläft Grandpa. Ich betrachte sein Profil. Ähnlich sehen tut er mir nicht besonders.
Er ist Professor in Astronomie und muss oft in anderen Ländern Vorträge halten. Dieses Mal durfte ich ihn begleiten. Drei volle Tage sind wir in Memphis, Amerika gewesen. Also von einem Jetlag zum nächsten.

Mum wollte unbedingt dass ich mitkomme. Sie hatte gesagt ich bräuchte mal eine Auszeit von allem.
Von allem! Ich hab noch nie verstanden wie Menschen von ihrem ganzen Leben eine Auszeit nehmen können.

Irgendwie bleibt einem der ganze Mist doch an den Schuhsohlen kleben.
Wenn ich zurück bin werde ich ihr sagen...

Es gibt einen Ruck.
Ein ganzer Schlag.
Plötzliches Piepen.
Schreie.
Eine Lautsprechanlage
die verkündet:" bleiben Sie auf
Ihren Sitzen, schnallen Sie sich an. Wir machen Notlandung auf..."
Mehr kann ich nicht hören.
Rauch.
Furchtbarer Druck.
In meinen Ohren.
Zu viel.
Einfach überall...
Dann: Nichts.
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EdenWhere stories live. Discover now