Kapitel 16

6.9K 496 25
                                    


Es ist ein Vogel, der mich anstarrt.

Aber definitiv keine harmlose Amsel, nein, dieser Vogel ist riesig. Sein grauer Unterleib sieht zwar weich und flauschig aus, wäre da nicht die enorme Größe, fast zwei Meter, und ein orangerotes Flügel- und Rückengefieder, das sogar im schwachen Licht der aufkommenden Sonne, einen gefährlich robusten und widerstandsfähigen Eindruck macht. Ach, und nicht zu vergessen: die gelben, spitz zulaufenden Zähne, die aus dem geöffnetem Schnabel hervorlugen.

Er starrt mich an.
Fixiert mich.
Schätz jede meiner Reaktionen ab.
Schließlich reißt er seinen gefiederten Schädel nach hinten, während sich ein gigantisch langer Schnabel öffnet und ein ohrenbetäubendes Kreischen an mein Ohr dringt.

Ich liege noch immer auf dem Boden, spüre den harten Sand unter meinem Kopf, bin wie erstarrt, kann keinen einzigen Finger mehr rühren.

"Meggie... MEGGIE!", Schreit jetzt eine Stimme- Colin. Er hört sich irgendwie... wütend an, "Beweg verdammt nochmal endlich deinen Hintern da weg."

Erst verstehe ich überhaupt nichts. Die Situation ist so... surreal. Doch ziemlich schnell, beginnt mein Gehirn wieder in seine Gänge zu kommen und die Informationen zu verarbeiten, die sich direkt vor meiner Nase befinden.

Und wie als hätte jemand einen Schalter umgelegt, erwache ich aus meiner Trance und krabbel rückwärts. Weg von dem Wesen, das mit geweiteten Schwingen, wie ein Wolf gen Himmel heult.

Ich unterdrücke einen hysterischen Schrei, der sich aber wieder als ersticktes Quicken hoch kämpft.

Das Viech dreht seinen Kopf ruckartig zurück in meine Richtung und kreischt erneut. Langsam setzt es im Sand eine Kralle vor die andere und nähert sich mir.

Ich höre hinten irgendjemanden schreien. Melanie?

Mein Körper rappelt sich wie von selbst auf und stolpert nach hinten.
Ich habe mir schon genug Tierdokumentationen angeschaut, um zu wissen, dass schnelle Bewegungen echt, echt nicht klug sind.
Vor allem, wenn man von Angesicht zu Angesicht einem praktisch, wahr gewordenem Albtraum gegenübersteht.

Scheiße, denke ich zum hundertsten Mal, scheiße, scheiße, scheiße...

Dieser Vogel... nein, diese Bestie, senkt seinen Oberkörper jetzt langsam, kauernd zu Boden.
Gefährlich langsam.

Ich rutsche, auf dem Weg nach hinten, an einem Stein aus, der mir beim Aufprall in die Wade schneidet. Dass gleich darauf etwas Warmes und Dickflüssiges daran hinab zu rinnen beginnt, spüre ich kaum. Nicht einmal, dass Colin und wahrscheinlich auch die anderen, ein paar Meter von mir entfernt, scharf die Luft einziehen. Ich kann ihre Angst förmlich riechen.

Mein Herz, schlägt so schnell, wie nie zuvor.

Das einzige das ich noch fokussieren kann, ist das Tier, dieses Wesen vor mir.

Adrenalin schießt durch meine Adern, während mein Herz im gefühlten Sechsachtel- Takt schlägt. Poch... Poch... Pochpochpochpochpoch....

Die nächsten Sekunden spielen sich in Zeitlupe ab.

Das Viech rennt los.
In meine Richtung.
Schnell.
Auf seinen langen, dürren Beinen, mit den zahnstocherscharfen Krallen.

Immer. Näher. Auf. Mich. Zu.

Wieso eigentlich ich? Wieso nicht Colin, oder Melanie, oder Hazel? Oder Bug oder Miller? Wieso ich?

Am Ende, denken wir wohl alle egoistisch.

Das Ende... Bitte, bitte mach dass es nicht das Ende ist.

Der Vogel zieht den Kopf nach oben, um mit seinem Schnabel in meine Richtung zu zielen.
Ich habe nicht einmal Zeit die Augen zu schließen, als...

Eine Hand umklammert plötzlich meine Taille und zieht mich zur Seite. Mein Kopf schlägt im Sand auf, als ich falle.

Ich sehe Sterne.
Ich höre Stimmen.
Alles dreht sich.

Vor mir kann ich eine verschwommene Gestalt ausmachen. Sie ist groß. Ein Mann, vielleicht auch ein Junge.
Er weicht dem Vogel aus, der mit seinen scharfen Krallen nach ihm schnappen will, um aber gleich darauf mit irgendetwas Spitzen, Langem, in seinen Händen, zurück zu schlagen.

Das irritiert das Vieh und bezweckt gleichzeitig, dass es sich von ihm fern hält. Es kreischt nun lauter und seine Schwingen gehen hektisch hoch und runter.

Sand bäumt sich auf, dringt mir in Mund und Nase. Ich muss husten.
Aus den Augenwinkeln kann ich erkennen, dass die anderen nicht mehr bei dem Rucksäcken stehen.

Sind sie geflüchtet? In Sicherheit?

Man kann es ihnen nicht verübeln, so gern wäre ich auch weg.
Nicht in dieser verkorksten Situation. Nicht einsam und verlassen im Schmutz kriechend, mit Blut und Sand im Gesicht. Und vor mir kein Fremder, der mit einem Stock nach dem Tier schlägt, dass soeben noch meinen Tod wollte.

Moment... Fremder?

Mein Gehirn ist zu benebelt um noch einen klaren Gedanken zu fassen.

Die Verwirrung geht in einem Meer von Schwarz unter.

***

Eine Hand legt sich auf meine Stirn, streicht über meine Wangen, berührt meinen Mund.

"Wach schon auf. Sie werden bestimmt gleich da sein."

Ich bin nicht imstande zu reagieren. Mein ganzer Körper schmerzt.

Hände ziehen meinen Kopf auf einen Schoß, streichen meine verknoten Strähnen zur Seite.

Die Stimme seufzt.
"Es hilft nichts. Du musst jetzt aufwachen. Jetzt."

Ich öffne meine Lieder einen Spalt weit.
Sehe blauen Augen entgegen. Himmelblaue Augen.
Ein Lächeln.
Schwarze Locken, in die Stirn verweht.

Ich muss staunen.

Dann... Nichts.

Hi, mal wieder ein Kapitel von mir. Ich wollte nur mal kurz nachfragen, ob ihr es für eine gute Idee haltet, ab und zu ein Zitat am Anfang stehen zu haben? Wie in Kapitel 15?
(Ich bin irgendwie ein Zitate- Fan)
Außerdem, ich habe jetzt endlich SOMMERFERIEN :-D und ich weis nicht, entweder werde ich ganz viel Zeit zum updaten haben, oder gar keine.
Wollte euch nur mal vorwarnen, falls mal länger nichts von mir kommt.
Lg ClarryBerry

EdenWhere stories live. Discover now