Kapitel 27

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Emmett, war noch nie jemand gewesen, der sich allzuviel aus Hoffnungen oder  gar Wünschen gemacht hatte.
Im Gegenteil.
Insgeheim verachtete er sogar die Leute, die immer auf das Falsche setzten, in der festen Überzeugung, es sei das Richtige.

Leute, wir seinen Großvater. Wie viele Stunden hatte er nicht schon damit verbracht, dem alten Mann dabei zuzuhören, wie er die verstaubten Geschichten wiederkäute, als brächten sie ihn zurück in vergangen Tage, die er so sehr ersehnte.

Nicht, dass Emmett je an all
das geglaubt hätte. Nein, dazu fehlte es ihm an Vorstellungskraft. Aber früher als er noch ein Kind war und auf dem Schoß, das weiße Barthaar im Nacken, den alten Worte lauschte, war es ihm jedes Mal fast so vorgekommen, als befände er sich ebenfalls dort. In den weißen Räumen und Fluren des Instituts.

Eden, nannte es sein Großvater. Eden, die strahlende Kuppel inmitten all des Wüstensandes.
Wo die Zeit stehengeblieben ist.

"Es war kein normaler Ort, Junge", hatte er ihm ins Ohr geraunt, "es passierte keinen Tag, an dem du nicht das Gefühl hattest, es ginge mit rechten Dingen zu. Ständig liefst du an all diesen Räumen vorbei. An diesen Menschen. Sie waren über Hunderte von Jahren alt und sahen genauso jung aus, wie ich es damals war. Stell dir das einmal vor. 2018 sind sie abgestürzt."

Und in der tat, das war eine lange Zeit.

Doch die Geschichten wurden umso haarsträubender, je länger man ihnen zuhörte.

Es fing damit an, dass sein Großvater mit knappen 18 Jahren von Zuhause weggelaufen war, um sich alleine als Musiker durch New York zu schlagen.

Damals, als noch genug Strom vorhanden war und jeder weltweit ein rundum technologisiertes Leben führte, war Straßenmusik, ein völlig fremder Begriff. Aber sein Großvater hatte einen Narren an all den alten Filmen und Erzählungen gefressen, dass er es sich als großes Abenteuer vorstellte.

Das dem nicht so war, begriff er erst, als man ihn, bettelarm und ohne jeglichen Anschluss auf der Straße sitzen lies.

Doch mitten in der Nacht, hatte sich ein Mann in einem weißen Anzug zu ihm gesellt und ihm ins Ohr geflüstert, dass er Arbeit für ihn hätte.

Gut bezahlte Arbeit.

So blind und hungrig sein Großvater damals gewesen war, nahm er das Angebot an und wurde, nachdem er ein Haufen wichtig aussehender Formulare unterschrieben hatte, gleich darauf, samt Gitarrenkoffer, mit einem Flieger nach Mexiko verfrachtet.

Es war ein großes Gebäude. Mitten im nirgendwo.
Zusammen mit einer Gruppe von anderen Menschen, wurden ihnen allerhand sonderbare Aufgaben zugeteilt.

Von dem Zusammenschneiden uralter Filmclips, herausgesucht aus der überholten Suchmaschine namens "Google", bis zum Aussuchen verschiedenster Samensortimente und Einkaufen von Kleidung, die das letzte mal wohl im einundzwanzigsten Jahrhundert in Mode gewesen war.

Auch wenn sie allesamt vom Charakter grundaufverschieden waren, so hatten sie doch eine Gemeinsamkeit: niemand vermisste sie. Sie waren ganz allein. Lebten vorher wie er auf der Straße, oder waren in unangenehme Geschehnisse verwickelt, die sie lieber aus ihrem Kopf verdrängen wollten. Meistens sogar beides.

Doch dann trat die Veränderung auf:
Drei Monate nach seiner Eingewöhnung, fingen die Menschen draußen, an zu sterben.

Wie Fliegen.

Das RT, wie die Wissenschaftler es nannten, hatte nach nur wenigen Wochen ein Achtel der gesammten Bevölkerung ausgelöscht. Und es wurden immer mehr.

Kriege, Wirtschaft, Politik... all das wurde vergessen.
Die Welt stand Kopf.

Wo Eden noch ein unheimlicher und fragwürdiger Ort gewesen, dessen Zweck unklar war, so war er nun eine keine Schutzblase geworden, die vor sämtlichen tödlichen Eindrücken, bewahrte.

Dem gesamten Personal erklärte man eines Morgens, dass hiermit "Phase 2" eingeleitet wurde: die Evakuierung der Besonderen.

Sie erfuhren auch von dem Flugzeug, dass 2018 abgestürzt war.

Aber es war bereits zu spät, um Mitleid zu zeigen.

Sorry, dass das Kapitel ein bisschen auf sich warten gelassen hat und dass es auch nur so kurz ist, aber naja...
Wie gefällt es euch, wenn ich mal aus Emmett's Sicht schreibe?

EdenWhere stories live. Discover now