Kapitel 46

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Es fängt an dunkel zu werden. Die Tannenspitzen über unseren Köpfen wirken immer schwärzer und es fängt an kalt zu werden. Ich hasse die Wüste. Am Tag kommt man fast um vor Hitze und in der Nacht muss man zusehen dass man nicht erfriert.

Wir packen unser Zeug zusammen und machen uns auf den Weg. Wir laufen nebeneinander her und sprechen kaum, ich höre nur seine tiefen Atemzüge und das Rascheln seiner Schuhe, jedes Mal wenn er auf den Boden tritt.

Ich muss wieder an Katie denken. An ihr Gesicht als es plötzlich wieder leer wurde. Wie sie ihre Haare verloren hat. Aber wieso haben sie mir das gezeigt? Woher wussten sie das mit Katie? Und außerdem wie kann es sein dass ich Emmets Großvater begegnet bin. Aber er hatte die selben blauen Augen. Vielleicht sogar das selbe Lächeln.

Mein Schuh verhakt sich in einer Wurzel und ich kippe fast nach vorne, aber Emmett greift  meine Hand und hält mich fest so dass ich mich noch aufrecht halten kann. Und dann passiert das Unwahrscheinlichste an diesem Tag: er lässt sie nicht mehr los. Er lockerte seinen Griff aber er hält meine Hand einfach weiter umschlungen. Plötzlich bekomme ich furchtbare Komplexe. Meine Haut ist bestimmt schweißnass und ich halte meine Finger irgendwie falsch und er wird mich gleich los lassen und dann werden wir peinlich berührt so tun als wäre nichts geschehen.

Mit Walles habe ich nie Händchen gehalten.                                                                                                                 „Gut, dass du nicht so eine bist." Hatte er mir einmal gesagt. „So eine die total kindisch drauf ist und von dir erwartet, dass du sie gleich heiratest, oder so ein Mist halt."

Aber Emmett lässt meine Hand nicht los auch nicht als ich in einer verrückten Bewegung versuche meine Finger locker und entspannt zu halten.

Ich habe Angst den Wald zu verlassen. Wenn wir wieder zurück in North sind, wird alles wieder genauso sein wie zuvor. Es fühlt sich an als seien wir Stunden weg gewesen.

Als wir an der Stelle angelangen wo Emmett die Seile versteckt hat, lässt er meine Hand los und zieht sie aus dem Gebüsch. Unauffällig strecke ich sie. Dieses mal, sagt er, werden wir nicht nach unten fahren, sondern nach oben. Ich habe keine Ahnung was er sich darunter vorstellt. Wir legen uns die Gurte um und befestigen die Haken daran, die wiederum an den Draht kommen, der über uns in der Luft hängt.

Es ist jetzt irgendwie komisch neben ihm zu stehen.

„An der Seite befindet sich eine Art Magnet, um es so auszudrücken, der dich nach oben zieht." Er deutet auf den Haken. „Du musst dich einfach nur nach vorne lehnen."

Ich starre das Seil an, versuche darauf zu vertrauen und mache schließlich was er gesagt hat. Ein plötzlicher Ruck fährt durch meinen Körper und ich spüre wie ich nach oben gezogen werde, bis ich mit dem Kopf an den Draht stoße, aber ich habe keine Zeit den Schmerz zu spüren denn ich werde sofort nach vorne gerissen. Mit den Fingern halte ich mich an dem Seil fest und lasse es erst los als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe.

Ich schlage mit den Knien auf dem Dach auf und und schürfe mir die Hände als ich verhindere dass auch mein Kopf auf den Stein fällt. Zitternd entferne ich den Haken und wische mir das Blut an den Beinen ab, dass es rote Flecken darauf hinterlässt. Das war noch schlimmer als das erste Mal.

Emmett kommt mit beiden Beinen auf dem Boden auf und sieht kaum zerzaust aus. Aufgebracht springe ich auf und hebe selbst die Platte aus dem Dach und verstaue die Seile in dem Loch.

„Morgen wieder hier." Sagt er und ich weiß dass es keine Frage ist, aber ich bin fast erleichtert bei dem Gedanken wieder in den Wald zurück zu kehren.

„Ja." Sage ich trotzdem und ich muss daran denken wie er meine Hand gehalten hat. Bestimmt werde ich rot. Ich drehe mich um und klettere die kleine Leiter am Dach hinunter. Ich achte nicht darauf ob er mir folgt. Gehe einfach weiter in Richtung der Container. Und als ich mich irgendwann umdrehe um zu sehen ob er noch da ist, weiß ich nicht ob ich enttäuscht oder erleichtert sein soll als er es nicht ist. Ich weiß genauso wenig was in ihm vorgeht wie in mir selbst.

Als ich das Zimmer in den Containern betrete ist es leer. Ich ziehe mich um, wechsele die schmutzige Kleidung und lege mich auf das Bett. Mein Kopf fühlt sich unendlich schwer an. Wie ein ganzer Metallblock.


Am Morgen werden wir wieder von dem Mann geweckt der an die Türen schlägt und laut „Aufwachen" schreit. Ich reibe mir über die Augen, versuche beim besten Willen einen klaren Gedanken zu fassen. Heute werden wir wieder zu den kaputten Straßen am Rande der Stadt gehen und mühselig Steine bis zum Umfallen schleppen. Aber in der Mittagspause werde ich mich mit Emmett am vereinbarten Platz treffen. Das hört sich fast gut an, denke ich.

Wie jedes Mal wechsele ich meine Kleidung unter der Decke während sich die anderen umziehen. Gemeinsam gehen wir zu den Waschräumen und ich versuche mich neben Charlotte zu stellen. Aber sie geht an eine anderes Waschbecken und sagt nichts als ich ihren Namen rufe. Ich versuche mich mit den Zwillingen zu unterhalten, aber sie haben mich noch nie gemocht.

Schließlich gehe ich alleine zu der Ausgabe mit den Tabletten. Die Frau trägt meinen Namen wieder auf ihrer Liste ab und ich kann sehen, dass es jetzt immer mehr werden. So lange bin ich jetzt schon hier.

Als wir gemeinsam in Formationen durch die unteren Gegenden von North marschieren, halte ich mich irgendwo am Rande. Ich und ein Junge mit schlaksigen Gliedmaßen haben die Aufgabe den Weg, für die Schubkarren frei zu räumen. Gemeinsam schaufeln wir die Steine nach rechts und links und als wir fertig sind schaffen wir den Schutt selber zu den Haufen.

Wenn ich Charlotte sehe versuche ich mich mit ihr zu unterhalten aber sie tut jedes Mal so als verstünde sie mich nicht und dreht sich weg. Irgendwann gebe ich es auf und lasse sie in Ruhe.

Als wir zur Mittagspause aufgerufen werden stehe ich einfach auf und gehe. Auf dem Weg zu dem Hausdach wische ich mir den Sand aus dem Gesicht und klopfe ihn mir vom Körper. Emmet sitzt auf dem Boden als ich zu ihm stoße. Er steht sofort auf. Mein Herz klopft.

„Gut dass du da bist." Sagt er. Ich nicke und sehe zu wie er die Seile und Haken aus dem kleinen Loch aus dem Boden holt.

Dieses Mal habe ich keine Angst als ich mich von dem Dach abstoße und in die Tiefe rase. Ich halte meine Augen offen und kann North erkennen, wie es erst immer größer wird und sich dann wieder von mir entfernt und ich den Anfang des Waldes sehe. Die Kiefern und Tannen wie sie sich mitten im Wüstensand erheben. Ich weiß dass sich auch die Natur des Waldes mit dem RD verändert hat, aber dass sogar etwas Gutes dabei herauskommen kann, hätte ich nicht gedacht.

Statt mir von der Eisenstange an der der Draht stoppt, den Schädel eintrümmern zu lassen, halte ich mich an ihr fest. Ich öffne den Haken und lass mich nach unten fallen. Als Emmett kommt verstecken wir die Ausrüstung am selben Ort wie zuvor.

„Dieses mal hast du die Waffe geladen?" frage ich als und er verzieht nur nur das Gesicht und nickt. Es gefällt mir zu wissen, dass auch er manchmal Fehler macht.

EdenWhere stories live. Discover now