Kapitel 34

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Ich starre Emmett an. Es ist ein eigenartiges Gefühl ihn so vor mir stehen zu sehen. Dabei sollte mir sein Anblick doch mittlerweile vertraut sein, immerhin sind wir fast eine Woche zusammen durch die Wüste marschiert. Vielleicht liegt es daran, was seine Mutter mir über ihn erzählt hat: dass er uns die ganze Zeit über beobachtet, und mich in dem Gewächshaus gesehen hat. Es gibt so vieles was ich noch immer nicht verstehe. Aber das erklärt das aufgeregte Klopfen meines Herzens nicht.

„Maggie" sagt er und für einen kurzen Moment scheint auch er nervös zu sein, aber Sekunden später ist sein Blick wieder genauso unerreichbar, wie zuvor. Wahrscheinlich habe ich mir das nur eingebildet. Bevor ich irgendetwas erwidern kann, fällt die Tür hinter mir ins Schlos. Mit dem lauten Geräusch, dass die Wände des Flures erzittern lässt, unterdrücke ich das Aufwallen plötzlicher Verzweiflung und Einsamkeit.

„Was machst du hier?" sage ich schließlich.

„Ich bringe dich zu Hunter." lautet seine knappe Antwort.

„Und... wer ist Hunter?"

„Er ist ein Heiler. Er wird sich deine Wunde anschauen." er dreht sich um und fängt an den Gang hinunterzulaufen. Ich muss fast rennen um mit ihmSchritt zu halten.

„Meine Wunde?" frage ich und betrachte sein Profil von der Seite.

„Der Mutant der dich gestochen hat, hat möglicherweise Spuren hinterlassen. Vielleicht musst du geimpft werden."

Ich schweige, als er auf das Tastenfeld am Fahrstuhl drückt und versuche mir einen Menschen, namens Hunter vorzustellen.

Wir stehen in einer Halle, mit hohen, weis gestrichenen Wänden, die mit Liegen und Tischen übersät und mit allerhand eigentümlich aussehenden Instrumenten, gefüllt sind. Es hat große Ähnlichkeit mit einem Lazarett zu Kriegszeiten.

„Ist... ist das eine Art Krankenhaus?" frage ich Emmett, der neben mir steht und suchend seinen Blick umherschweifen lässt.

„Sozusagen."meint er abgelenkt und hält weiter nach irgendwem Ausschau.

„Wo ist er denn nur." höre ich ihn gedämpft murmeln. Ich will ihn gerade fragen, wen er denn damit meint, als eine hochaufgeschossener schlaksiger Junge, mit langen braunen Locken, auf uns zugelaufen kommt.

Ohne zu zögern boxt er Emmett in die Schulter und grinst uns an, als er vor uns stehen bleibt.

„Na wen haben wir denn da?" fragt er, mit einem Blick auf mich.

„Hunter." sagt Emmett und lächelt dem Jungen entgegen. „Das ist Maggie."zögernd betrachte ich ihn. Ich hatte mir einen älteren Mann, vielleicht um die um fünfzig vorgestellt, aber keinen Typen, kaum älter als ich selbst.

„Hallo" sage ich zögerlich und will meinen abgemagerten Körper am liebsten hinter meinen Armen verbergen.

„Du... bist eine Cousine von Emmett?" fragend sieht er mich an, aber statt zu antworten starre ich zu Boden.

„Ja, ist sie."bestätigt stattdessen Emmett. Wüsste ich nicht dass er lügt, hätte ich nicht den geringsten Verdacht geschöpft. Dieser Gedanke bereitet mir Sorgen.

„Gut, dann setzt dich bitte kurz dahin, ich komme gleich wieder." er deutet auf eine metallene Liege ein paar Schritte entfernt.

Sein Gesicht ist plötzlich eine Spur ernster geworden.

Während er sich umdreht und sich von uns entfernt, in Richtung einer weinenden Frau, dass ihr Kind in den Armen hält, legt mir Emmtt seine warme Hand auf die Schulter. Ganz kurz nur. Eine flüchtige, nichtssagende Geste.

„Es ist alles gut, hörst du?"

Ich will ihn am liebsten anschreien. „Es ist nichts gut." schreien. Aber mein Mund fühlt sich wie zugeklebt an. Stattdessen nicke ich und lasse mich auf das Bett fallen dass selbst unter meinem geringen Gewicht aufstöhnt.

Überraschenderweise stellt er sich neben mich.

„Hunter ist okay. Ich vertraue ihm." sagt er „Er ist zwar noch nicht vollends ausgebildet, aber er hat schon genug Erfahrung mit so etwas. Er wird sich deine Wunde anschauen."

Danach hält er den Blick weiter starr geradeaus gerichtet und gemeinsam schweigen wir einander an, bis Hunter zurückkehrt und sich die weißen Ärmel an den schlanken Armen hochzieht.

„Du wurdest also von einer Mutantenwespe gestochen?" fragt er und ich nicke.

„Dann zeig mal her, wo war das genau?"

Ich drehe mich um und ziehe mein T-Shirt am Rücken nach oben, fast über meinen BH-Träger. Kaum dass ich mich darauf konzentriere kann ich auch wieder das schmerzhafte Pochen des Stiches spüren, der sich irgendwo dort befinden muss.

Emmett und Hunter ziehen scharf die Luft ein. Sieht es etwa so schlimm aus?

„Das sieht schlechter aus, als bis vor zwei Tagen." sagt Emmett und klingt besorgt.

„Was ist denn?" frage ich aufgeregt.

„Die Infektion hat sich ausgebreitet." Hunter tastet mit seinen kühlen Fingern über meine Haut. So leicht, dass ich es kaum spüre. „Sicher, dass es eine Wespe gewesen ist?"
„Ich dachte es. Die Symptome waren dieselben." antwortet Emmett, und dann an mich gerichtet: "Es hat dich doch etwas gestochen, oder? Ich habe es gesehen."

„Schon." sage ich zögerlich, "Aber es hat sich auch ein bisschen wie ein Stromschlag angefühlt."

„Das ergibt keinen Sinn." Hunter beginnt meinen Rücken mit einem kalten Tuch abzutupfen. „Vorsicht, das wird jetzt brennen."

Ich spüre zu erst nur einen kalten Luftzug, der mir einen Schauer über die Schultern jagt, bis das Zittern schließlich in Brennen umschlägt und es sich anfühlt als stünde mein gesamter Körper in Flammen. Doch anstatt mich wild hin und her zuwerfen und irgendwie zu schreien, bleibe ich stocksteif, wie versteinert sitzen und warte bis der Schmerz abgeklungen ist.

Nach einer kleinen Ewigkeit, in der ich kaum noch etwas von meiner Umgebung mitbekomme habe und ich wieder halbwechs atmen kann, frage ich mit schwacher Stimme:" Was war das?"

„Das war eine Art Desinfektionsspray. Nur viel stärker, es setzt sich bis ganz tief unter die Haut. Du hast kaum einen Ton von dir gegeben. Die meisten brüllen wie am Spieß." sagt Hunter und Anerkennung schwingt in seinen Ton mit."Obwohl, kein Wunder, schließlich bist du in den letzten Wochen echt durch die Hölle gegangen."

„Wie meinst du das?"

Er lacht. „Wie ich das meine? Du wurdest doch auf deinem Weg von Kalifornien bis nach Nevada von Vogelmutanten angefallen und von Emmett gerettet."

Bevor ich etwa sagen kann, kommt mir Emmett zuvor: „Sie ist erschöpft, Hunter. Sie hat ein paar schwierige Tage hinter sich. "Er wirft mir einen Blick zu, als wöllte er mir sagen: mach jetzt ja nichts Falsches.

„Gut, dann schlaf dich aus. Am besten du kommst Morgen noch einmal hierher und ich guck was ich noch für dich tun kann." Hunter zieht mein Shirt wieder nach unten und ich erhebe mich kurz darauf schwankend.

„Woher kennst du ihn, Hunter meine ich." Wir stehen wieder vor dem Eingang und ich genieße die frische Luft, die mit der Nacht einhergeht, selbst in dieser staubtrockenen Einöde.

„Unsere Mütter sind.. waren einmal sehr gut befreundet. Wir sind quasie miteinander aufgewachsen." antwortet Emmett und es fällt mir schwer eine lachende Eddarain vorzustellen, die sich um einen kleinen Emmett kümmert und ihn spielen lässt.

„Sie war nicht immer so." sagt er, wie als habe er meine Gedanken gelesen. „Vor dem Tod meines Vaters, hatte sie mehr Freude am Leben." ich wei darauf keine Antwort also starre ich weiterhin in den Sternen überhangenen Nachthimmel. Es ist der selbe Himmel, die selben Sterne, die ich auch von unserem kleinen Balkon in Edinbourg aus gesehen habe. Der Gedanke daran ist tröstlich.

„Komm." sagt Emmett. „Ich bringe dich nach Hause."

Und es ist das erste Mal, in den ganzen Wochen, dass ich dieses Wort höre: Zuhause.







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