Kapitel 26

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Emmett beugt sich über mich. Eine schwarze Locke fällt ihm ins Gesicht.
"Was machst du denn?" Wiederholt er. Diesmal besorgt, statt wütend.

Ich sage nichts.

"Komm. Hier ist es nicht sicher." Er will mich an der Hand hoch ziehen.

"Und wo ist es dann sicher?" Spucke ich ihm ins Gesicht.

"Nicht in der Stadt. Hörst du? Und im Parasitenloch auch nicht."

"Das ist mir egal. Wieso lässt du mich nicht in Ruhe? Ich muss zurück, was meinst du überhaupt mit Parasitenloch?"

Seine Gesichtsmuskeln zucken, als habe er sich nur noch schwer unter Kontrolle. "Darum"

"Komm mir jetzt nicht mit "darum". Ich weis nicht wer du bist. Alleine, dass es dich gibt, wiederspricht allem, was ich weis und was eigentlich sein sollte. Du verfolgst und bedrohst mich und willst die ganze Zeit über mein Handeln bestimmen, ich habe es so satt, wieso habe ich dir nur vertraut, das ist alles so..."

"Ich habe dir das Leben gerettet." unterbricht er mich." Mehrmals"

"Zwei mal, um genau zu sein." ich stehe auf und stütze mich an der Hauswand ab." Aber das gibt dir noch lange nicht das Recht zu entscheiden, was ich zu tun und zu lassen habe."

"Nein, das habe ich nicht. aber du stehst in meiner Schuld."

"Wo sind wir hier. Im Mittelalter?"

Er lacht spöttisch auf. "Von mir aus betrachtet, kommst du aus dem Mittelalter."

Mir stockt der Atem "Wie viel weist du?"

"Alles."

"Sag. erzähl mir." fordere ich ihn auf.

"Ich weis das, was ich weis."

"Das ist keine Antwort."

"Mehr musst du auch nicht wissen. Maggie." er tut es schon wieder. Nennt meinen Namen, obwohl er ihn eigentlich nicht kennen sollte.

"Ja, genauso heiße ich. Maggie." ich entferne mich eine paar Schritte von ihm.

"Bitte." fleht er nun." Komm mit mir mit."

"Ich gehe nirgendwohin mit dir. Ich gehe zu meinen eigenen Leuten."

" 'Deine Leute'? Seit wann bist du denn ein Teil dieser Gruppe gewesen? Die würden dich doch überhaupt nicht vermissen."er sagt es freundlich, und genau das macht seine Worte so schlimm.

Meine Gesichtszüge frieren ein. Ich spüre einen Stich in meinem Herzen.
"Du weist nichts. gar nichts."

"Aber genug."

Ich drehe mich um. Fange an, weiter von ihm weg zu stolpern.

"Hey. Bleib stehen."

Ich tue so, als könnte ich ihn nicht hören.

"HEY." ruft er noch einmal. Dann schweigt er kurz. "Henry hat recht gehabt. du bist stur."

Ich erstarre. Kann keinen einzigen Muskel mehr rühren. 'Henry' ist der Name meines Grandpas. Langsam kommt er auf mich zu, als sei ich ein scheues Reh, das er einzufangen versucht.

"Wirst du mir mehr erzählen, wenn ich mit dir komme." frage ich ruhig.

Er zögert. "Ja." Sagt er schließlich.

"Gut." ich straffe meine Schultern. "Dann kannst du mir schon mal erklären, wohin du mich bringen willst."

Emmet fährt sich über die Stirn, als bereue er unseren Handel jetzt schon. "Ausserhalb von hier..." er macht eine Pause "... gibt es einen Ort. wir nennen ihn North."

"Ein komischer Name." stelle ich fest.

"Ja" stimmt er mir zu. " Nach Demjenigen benannt, der ihn gegründet hat."

"Und was kann ich mir darunter vorstellen?"

"North zu erklären, ist schwierig wenn man noch nie da gewesen ist. Es ist keine Stadt, aber auch kein Dorf. Du wirst es sehen, wenn wir da sind."

"Kommst du von dort?"

"Sozusagen."

Ich betrachte seine Augen, die im aufgehenden Licht, noch blauer als sonst erscheinen. "Wieso ist es dir so wichtig, mich dorthin zu bringen?"

"Es wäre mir lieber gewesen, du seist dort geblieben. Im Para... in Eden, meine ich. Es wäre sicherer gewesen. Führ uns alle. Aber jetzt wo du hier bist... kannst du nicht zurück. Verstehst du? Das, was du gemacht hast, ist unwiederruflich. Eddarain, wird dir alles erklären, wenn wir in North sind."

"Wer ist Eddarain?" frage ich.

"Meine Mutter. "

Ich würde jetzt am liebsten lachen. "Deine Mutter? Du nennst deine Mutter beim Vornamen?"

Verwirrt zupft er sich am linken Ohr. "Wie soll ich sie denn sonst nennen? Das ist schließlich ihr Name."

"Und dein Vater?"

"Er ist tot." sagt er kurz angebunden.

Würde ich mich nicht in einem appokalyptischen Albtraum befinden, hätte ich jetzt wahrscheilich irgendeine Floskel von mir gegeben. Wie:'tut mir leid', oder 'mein Beileid' um danach in eine peinliche Stille zu verfallen. Aber es ist nicht mein altes Leben. Und ich bin auch nicht mehr die Maggie, die ich einmal gewesen bin. Also schweige ich.

"Es ist das Beste wenn wir jetzt gehen." Emmet nickt in Richtung einer Seitenstrasse, dann fügt er hinzu: "Wir müssen ja nicht nochmal zurück ins Casino. Den Proviant hast du schließlich schon eingepackt."

Ich seufze.

***

Der Zettel fühlt sich auf meiner geöffneten Handfläche unglaublich schwer an.

"Kommst du endlich?" Emmets tiefe Stimme hallt an den Wänden der Rezeption wieder.

"Ja, geich." Ich lasse das Stück Papier von meinen Fingern gleiten und auf den Tresen fallen. Wie eine Feder segelt es nach unten.

Es hat lange gedauert Emmet zu überreden, noch einen Abstecher in das Hotel zu machen. Aber jetzt bin ich hier und habe diesen Brief geschrieben. An Collin und an Hazel und Mellanie und Bug und Miller. Ein paar von ihren Sachen liegen noch immer hier. Es fühlt sich richtig an, mich zu verabschieden.

Ich werfe noch einen letzten Blick darauf, dann schultere ich meine Rucksack und verlasse die Eingangshalle.

Als Emmett und ich schweigend die Strasse nach unten laufen, denke ich an die Worte, die ich mit meiner gekrakelten Schrift zu Papier gebracht habe.

Es tut mir leid, dass ich euch im Stich gelassen habe. Wirklich! Passt auf euch auf. Ich glaube die Sache ist größer als wir gedacht haben.

Maggie.

Keine wahnsinnig großen oder gar poetischen Worte. Aber vielleicht machen sie etwas wieder gut.

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