Kapitel 44

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„Warum hast du die Waffe nicht geladen?" frage ich Emmett.

„Ich weiß es nicht." er vergräbt das Gesicht in den Händen „Ich dachte ich hätte es getan." Er schaut auf. Und ist es wieder der Emmett der mich durch die Wüste getragen und mir Schlaflieder vorgesungen hat. Ich wende den Blick ab, starre auf meine Zehen die aus dem Gras hervorragten. Ich kann ihn jetzt einfach nicht ansehen.

„Maggie." Sagt er „Es tut mir leid."

Ich stehe auf. „Wir sollten gehen, vielleicht sind hier noch mehr von denen." Mit den Händen schmiere ich das übriggebliebene Blut von meiner Hose ab.

„Du hast recht... hast du die Messer noch?" fragt er.

Ich beuge mich hinunter und hebe sie aus dem Gras. Ein Sonnenstrahl fällt auf das Metall und reflektiert mein Spiegelbild. Ich sehe aufgerissene Augen die glasig und rot sind. Ihre Pupillen, ganz schwarz.

Mir wird schlecht und ich lasse mich zurück auf den Boden sinken.                                                                    Das Licht ist viel zu grell.

Mein Kopf fällt auf das Gras.

„Jeder von euch wird ein Armband bekommen. Es ist ein Scanner der euch bis überall hin orten kann. Solltest ihr versuchen ihn zu entfernen, werden die Sensoren in seiner Innenseite einen automatischen Stromschlag durch den Körper jagen und der wird euch kaum im bewussten Zustand zurücklassen. Also rate ich es lieber ab." der Mann trägt einen Mundschutz.

Seine Haut ist blass, blasser als seine Haare und die Augen stehen eng nebeneinander und sind furchtbar blau.

Colin sieht mich an. Sein Blick ist starr. Ich weiß genau was er denkt.

Die Frau neben mir umklammert ihr Kind fester, der kleine Junge an ihrer Hand ist bestimmt nicht älter als Katie. Die anderen Menschen aus dem Flugzeug geht es genauso. Nur Grandpa fehlt. Ich bekomme Angst wenn ich an ihn denke.

Der Mann hinter der Glasscheibe spricht weiter. „Wir werden nun mit jedem ein paar Tests durchführen, wir werden euch nacheinander aufrufen. Hazel Cort, du bist die Erste." Eine uniformierte Frau öffnet die Tür zu unserer Linken und ein Mädchen, vielleicht in meinem Alter tritt vor, ich sehe ihr an, dass sie kaum stehen kann vor Angst. Sie krampft ihre Hände zusammen und verschränkt sie hinter ihrem Rücken. Die Frau packt sie an den Schultern und drückt sie durch die Tür.

Mit einem Knall geht sie wieder zu.

Wir warten. Der Raum ist zu klein für so viele Menschen. Manche setzen sich auf den Boden oder lehnen den Kopf an die Wand. Ich bleibe stehen und Colin tut es mir nach. Keiner von uns spricht, zu groß ist das Gefühl ausgeliefert zu sein.

Ich weiß nur dass das Gebäude groß sein muss. Durch so viele Gänge und Flure haben sie uns mittlerweile schon gezerrt. Keinen Augenblick lassen sie uns aus den Augen, ich spüre ihre Blicke ständig. Colin ist der einzige mit dem ich bis jetzt gesprochen habe.

Er scheint genauso wenig davon zu halten, Freundschaften zu schließen. Ich vertreibe mir die Zeit indem ich die Lampen an der Decke zähle. 43, 44, 45, 46... immer und immer wieder.

„Jack Baltmore." Ruft die Stimme nun zum fünften Mal auf. Sie zerren einen Mann heraus und auch hinter ihm geht die Tür zu. Die die sie schon herausgebracht haben, sind nicht wiedergekommen und ich spüre wie die Stimmung von einer allgemeinen Verwirrtheit zu, in Panik umkippt. Ich krampfe die Hände zusammen.

Colin ist der nächste. Er sieht mich nicht an, als er geht. Ist vielleicht auch besser so. Die nächsten Minuten versuche ich an nichts zu denken, versuche alles auszublenden. Das Licht der grellen Lampen an der Decke, die zum sterben weißen Wände und die Menschen die zusammen gepfercht am Boden sitzen. Man hat uns früh aufgeweckt und hierher gebracht. Ich fühle mich wie in einem Gefängnis.

„Maggie Sutherland." Sagt die Stimme. Fast vergesse ich, dass es mein Name ist, den sie da aufruft. Maggie. Maggie Sutherland. Ich drehe mich um gehe zur Tür. Die Frau drückt mich in einer routinierten Bewegung hindurch, reicht mich wie ein Gegenstand zu dem Mann mit dem Mundschutz weiter, der auf der anderen Seite steht.

Die Tür geht wieder mit einem Knall hinter mir zu. Ich zucke zusammen. Der Raum um mich herum ist klein. In der Mitte steht ein Stuhl und an der gegenüberliegenden Seite befinden sich Monitore an der Wand.

„Setz dich." Sagt er.

„Was wollen sie mit mir machen?"

„Setz dich."

„Was sind das für Tests?" ich bleibe stehen, rühre mich keinen einzigen Zentimeter. Er klopft ungeduldig mit ihrem Zeigefinger an seinen Arm. „Setz dich jetzt einfach." .

Langsam laufe ich auf den Stuhl zu. Es ist ein dünnes Gestell aus Eisenstäbe dessen weiße Farbe schon längst vergeblichen und vergessen ist. Als ich mich schließlich hinsetze fühlt er sich genauso ungemütlich an wie erwartet.

Der Mann stellt sich neben mich. In der Hand hält er eine Spritze. Ohne dass ich noch die Möglichkeit habe zu reagieren nimmt er meinen Arm uns sticht sie in meine Vene.

„Das pickst jetzt ein bisschen." Sagt er viel zu spät. Ich beiße die Zähne zusammen, denn sofort bricht ein brennender Schmerz aus der sich in Wellen von meinem Arm im gesamten Körper auszubreiten scheint. Ich keuche auf und kann kaum verhindern wie ein Träne meine Wange nach unten rollt.

„Du wirst in ein paar Sekunden dein Bewusstsein verlieren." Sagt er ruhig.

Ich kann nichts mehr sagen.  Ich sehe sein Gesicht jetzt direkt vor meinem. „Gib die Mühe." Höre ich ihn sagen. Und dann ist er weg und mit ihm der ganze Raum.


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