Kapitel 21

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"Einzig die Richtung hat einen Sinn. Es kommt darauf an, daß du auf etwas zugehst, nicht daß du ankommst; denn man kommt nirgendwo an, außer im Tode."
Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste - Gesammelte Schriften Band 2

"Young an beautiful" von Lana Del Rey 

"Die Lage ist ernst." Colin stößt einen  Seufzer von sich.

Wie haben uns in einem Kreis zusammengescharrt. Über uns schaukelt eine kaputte Glühbirne hin und her, während wir die Köpfe gesengt halten und flüstern.

"Die Lage ist nicht nur ernst, sie ist verdammt noch mal scheiße." Zischt Miller mit zusammengebissen Zähnen. Sein teigiges Gesicht, spannt sich weiß über seinen Knochen und auf den Wangen haben sich rote Flecken gebildet.

Ich schlucke. Denke daran, was mir der Junge gesagt hat.
Aber kann ich ihm denn überhaupt trauen? Allein seine bloße Existenz steht gegen alles, was Mr. Hathford uns gesagt hatte. Und wenn es wirklich noch Andere gibt? Oder habe ich mir das alles eingebildet? Immer war nur ich es gewesen, die ihn gesehen hat...

"Maggie, was hältst du von der ganzen Sache?" Reißt Hazel mich aus meinem Gedanken.

"Ähm...", Ich blinzle, "ich weis es nicht. Vielleicht sollten wir ihn einfach suchen gehen."

"HIER?" Melanie reißt die Augen auf.

"Was sollen wir den sonst tun?" Meint jetzt auch Miller.

"Aber... aber das ist gefährlich!"

"Was haben wir denn zu verlieren?" Und erneut stellt Colin die elementare Frage: was macht überhaupt noch einen Sinn?

"Wir befinden uns gerade mal in einem Vorort. Die enorme Größe von Las Vegas, haben wir nicht mal im Ansatz erfasst. Wer weiß, was uns in Stadtinneren erwartet..."

Mir kommen albtraumhafte Bilder, von aufgehäuften Skelettschädeln, in den Kopf geschossen.

"Ich schlage vor, wir teilen uns in zwei Gruppen auf." Sagt Miller. Die Wut und Verzweiflung ist aus seinen Zügen gewichen und hat nun bedingungslosen Willensstärke Platz gemacht.

Ich traue ihm in diesem Zustand nicht. Der ganzen Situation im allgemeinen. Aber ich bleibe stumm. Lasse es still über mich ergehen, während sie über meinen Kopf hinweg diskutieren.

Ich weis nicht, weshalb ich Ihnen nicht von dem Jungen erzählt habe und was das über mich aussagt, aber alleine der Gedanke daran, lässt Übelkeit in mir aufsteigen.

Wir packen das Zeug zusammen. Uns bleiben noch 3 Packungen Trockenfleisch, ein Kilo Reis und 11 Büchsen mit eingelegten Tomaten. Viel ist das nicht, außerdem neigen sich unsere Wasserrationen ihrem Ende zu und was das bedeutet, wage ich mir nicht einmal auszumalen.

Der Rucksack ist so schwer, dass meine Knie fast unter seinem Gewicht zusammenbrechen. Es ist nicht einmal Mittag und mir läuft schon jetzt der Schweiß den Rücken hinab.

Ich wische mir über die Stirn und kremple meine Hose höher. Erst jetzt bemerke ich, wie dünn ich geworden bin. Ich war schon immer schlank gewesen, aber noch nie konnte man die Knochen an meinem Oberarm hindurch schimmern sehen. Noch nie. Im verstaubten Spiegel in der Empfangshalle sieht mir ein Wesen mit glasigen, abgestumpften Augen, kalkweißer Haut und eingefallenen Wangen entgegen. Ich ekel mich vor mir selber. Fühle mich so alleine, dass es wehtut. Ich bin ein Eineinzelgänger, schon immer gewesen und auch in dieser Gruppe.

In Edinburgh, war ich als das Mädchen bekannt gewesen, dass man  lieber nicht ansprach und in Ruhe ließ. Außer Patricia, einer Sandkastenfreundin, hatte ich nie jemanden an mich herangelassen. Und sie war auch nur deshalb eine Ausnahme, weil sie für gewöhnlich so viel sprach, dass es nicht weiter auffiel, wenn ich kein einziges Wort sagte.

EdenWhere stories live. Discover now