Kapitel 2

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"Glaub uns doch! Wir haben wirklich keine Ahnung." Sagt Jack.

Wir sitzen am Boden des Raumes.
Colin und er, haben mich von allen Kabeln befreit, die irgendwie an mir klebten, sogar ein paar echte Nadeln die in meiner Haut steckten und wie Infusionen aussahen. Bedenken, hatten sie keine.

"Hör mal"- sagt jetzt Colin. Seine Stimme ist tief und schwer und bis jetzt hat er noch nicht viel
gesprochen- "Wer auch immer uns hierher gebracht hat, hat eine Tonnachricht auf dem Monitor hinterlassen, die sich genau in dem Moment abgespielte, als Jack, der Erste von uns, aufgewacht ist. Was nur bedeuten kann, das Demjenigen, ein breites Umfeld an technischen Möglichkeiten zu Verfügung steht. Als ich zehn Minuten später "aufgewacht" bin, hat es das nicht gemacht. Bei dir auch nicht."

"Was war auf der Tonnachricht abgespeichert?" Frage ich.

"Die Stimme eines Mannes, die gesagt hat, dass ich in diesem Raum warten soll, bis alle Anderen "wach" sind, erst dann wird er uns weitere Anweisungen geben."- Jack, kratzt sich gedankenverloren
am Kinn- " außerdem hat er mir erklärt, was passiert, wenn bei den Monitoren das Piepen einsetzt: es bedeutet, dass das Herz der jeweiligen Person in der Lage ist, die Frequenz, wieder aufzunehmen ."

"Aber das ergibt keinen Sinn"- sage ich. Mein Kopf dröhnt. Noch nie im Leben hatte ich solche
Kopfschmerzen!- " das Einzige woran ich mich erinnern kann, ist, wie ich im Flugzeug saß, mit meinem Grandpa... Und dann..."

"Ich weiß, das geht uns allen so"- Jack lehnt sich an das Bettgestell- " ich war auf dem Weg zu meiner Tochter in Edinburgh..." Er verstummt, wischt sich über die Stirn und schließt die Augen

Ich stehe auf. Streife wahllos durch die schmalen Lücken zwischen den Betten. Es sind viele. Über hundert Stück. Der Raum ist riesig.
Dabei ist nicht einmal die Hälfte belegt.

Es ist als ob jemand für eine große Gruppe geplant hätte, von deren Mitgliedern letztendlich aber nur wenige erschienen sind.
Es sind die Menschen aus dem Flugzeug. Ich erkenne die alte Frau, mit dem Vogelanhänger, die Stewardess und eine Mutter die ein paar Sitze hinter mir saß.
Ihr Kind fehlt.

Ich sehe mich um, aber es ist nirgends zu entdecken. In diesem Moment geht mir auf, das auch Grandpa weg ist.
Wie vom Erdboden verschluckt.

"Es sind nicht alles da" höre ich Colin hinter mir sagen.

Ich drehe mich um "Wie bitte?"

"Es sind nicht alle da"-
wiederholt er- "Der Typ der neben mir, zum Beispiel. Weg."

"Wieso?"

"Ich weis es nicht"

Ich will ihm gerade sagen das mein Grandpa, nicht nur irgendein Typ ist, der neben mir gesessen hat, als wir ein Piepen im hinteren Teil des Raumes hören.

Jack springt auf und läuft zu dem Bett. Es ist ein Mädchen, vielleicht in meinem Alter, mit blonden Haaren, die ihr lang über die Schulter fallen. Als wir uns davor gestellt haben, zieht Colin einen Monitor zu sich heran und drückt auf den einzigen Knopf den ich erkennen kann. Ich sehe zu wie ein kleiner Infusionsschlauch ruckartig Flüssigkeit in die Venen des Mädchens jagt. In dem Moment, wo nichts mehr kommt, atmet es kurz auf. Und dann noch einmal.
Ganz leise.
Ein aus. Ein aus.

***

Das Mädchen heißt Melanie und kommt aus Yorkshire. Sie hat eine ziemlich hohe Stimme, was sich mit ihrem Akzent lustig anhört. Nur, das die meisten Sachen, wie sie, sie meint, nicht gerade lustig sind.

Zu mir waren ihre ersten Worte: "Deine Haare sehen aus, wie durch'n Lockenstab gegrillt."

Ich weis nicht ob es an der allgemeinen Situation lag, oder ob sie immer so schlechte Laune hat.

Dummerweise kann ich an ihren Haaren nichts kritisieren, da diese absolut perfekt sitzen und nicht so dunkel und schwer sind wie meine.

Während Colin sich mit ihr auf den Boden setzt und versucht halbwegs die Lage zu erklären, lege ich mich wieder auf das Bett und denke an Katie.

Alles scheint so weit weg...
Mein Kopf fällt wie von selbst auf das schmale Kissen.

Ich versuche an nichts zu denken. Nicht an Katie, nicht an Jack und Colin und Melanie und die anderen und nicht an Grandpa und das Flugzeug... Weil ich weis, dass ich dann niemals aufhören könnte, mir Frage zu stellen.

EdenWhere stories live. Discover now