Kapitel 13

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'Miss, sie dürfen hier nicht endlang." Der blau uniformierte Typ, der eben noch, erstarrt wie eine Wachsfigur, an der rechten Seite des Flures gestanden ist, stellt sich vor mich. Sein Gesicht sieht aus, als hätte es schon lange keine Sonne mehr gesehen und die Augen, liegen tief und schwarz in ihren Höhlen. Aber wahrscheinlich wirkt das nur so, im gräulichen Licht der penetranten Deckenbeleuchtung.

"Sir, sie verstehen nicht, ich..."

"Egal was für eine Erklärung sie haben- ihre Anwesenheit ist hier nicht befugt."

Peng! Eiskalt!

Ich sehe an ihm vorbei und erhasche einen kurzen Blick auf die Tür am Ende des Flures. Nummer 13 prangt mir in roter Farbe entgegen.

Schnell schätze ich meine Möglichkeiten ab, an ihm vorbei zu sprinten. Zugegeben, sie stehen nicht wirklich hoch. Ich bin 2 Köpfe kleiner als er, bestehe in letzter Zeit nur noch aus Haut und Knochen und nicht zu vergessen, dass er sich richtig massig und bullig, vor mir aufgebaut hat.

Super.
Einfach klasse.

Aber ich bin schnell.

Betont gleichgültig drehe ich mich wieder um und stapfe zurück, in die entgegen gesetzte Richtung.

Das ist die einzige Chance die ich habe. Und sie ist ziemlich dumm und verdammt waghalsig. Aber ich muss es schaffen. Ich muss. Nicht auszudenken, wenn nicht...

Nachdem ich zehn Metern Abstand zwischen uns gebracht habe, drehe ich mich wieder ruckartig um, atme ein letztes Mal tief durch und... renne los.

Der Wachmann merkt es erst, als ich schon seinen, nach mir greifenden-, Armen ausgewichen bin.
Doch für einen kurzen Moment bekommt er das weiße Krankenhaushemd zu fassen, und zerrt daran.

Aber seine Finger rutschen an dem Plastik ab.

Er schreit irgendetwas.

Dann ist es plötzlich still.

Nicht lange.

Eine Alarmanlage beginnt laut und schrill durch die Gänge zu läuten

Scheiße.

Auf den umliegenden Fluren, höre ich jetzt schnelle Schritte. Adrenalin pumpt durch meine Adern und das einzige was ich noch fokussieren kann, ist das leuchtende Rot der Tür.

13...13...13...13...

Meine Hand erreicht die Klinke. Mit einem Ruck drücke ich sie nach unten.

Bitte, denke ich, Bitte...

***

Keuchend reiße ich die Augen auf. Galle, kommt mir heiß und bitter die Speiseröhre empor gekrochen.

Eine warme Hand liegt auf meiner Schulter.

"Du hast geträumt." Es ist Grace. Zerknitterte Strähnen umrahmen ihr Gesicht. Ihre Augen sind rot und geschwollen. Die Haut kreidebleich.
Ich erinnere mich, dass sie nur zwei Zimmer weiter von mir entfernt schläft.

War ich so laut, dass ich sie mich durch die Wände hatte hören können?

"Hab ich dich aufgeweckt?"Frage ich, mit noch zitternder Stimme.

"Nein, ich konnte nicht schlafen, da hab ich dich weinen hören. Diese ganzen Träume... So verwirrend..." Grace verstummt und lehnt sich nach hinten. Sie sitzt mit angezogenen Knien auf meinem Bett und beginnt langsam vor und zurück zu wippen.
Fast wie ein kleines Mädchen.

Ich bin mir nicht sicher, ob sie über meine Träume oder über ihre spricht.

Ich fahre mit mir den Händen über das Gesicht, spüre nasse und heiße Tränen an ihnen hinab laufen.

"Alles hat seinen Sinn verloren. Weist du? Ich hätte in dem Flugzeug sterben sollen." Sagt sie plötzlich und vergräbt die Finger in ihren dunklen Locken.

Ich bin still. Jedes einzelne Wort, scheint in meiner Kehle stecken zu bleiben.

Langsam richtet sie sich auf.
"Und weist du was das Verrückte ist? Ich träume jede Nacht von ihm. Von meinem, kleinen Sammy. Wie er durch weiße, kahle Flure rennt. Als sei er hier. Hier in Eden."

Mit diesen Worten dreht sie sich endgültig um und verlässt den Raum. Mit einem sanften Klicken schließt sich die Tür.

EdenWhere stories live. Discover now