Kapitel 23

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(Das Bild, bzw. das Gesicht, erinnert mich an Maggie)

"(Habits) Stau high" Tove Lo • Queen Of The Clouds

Wir machen uns nicht die Mühe, mein Erbrochenes unter Steinen zu verscharren. Laufen einfach weiter, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren.

Ich kann gar nicht sagen, wie dankbar ich darüber bin. Das Letzte was ich jetzt gebrauchen kann, sind Collins Zweifel und Hazel's Besorgnis.

Es ist mir egal was sie über mich denken. Über das komische Mädchen, mit der labilen Psyche, dass ständig umfällt, die verrücktesten Sachen träumt, anschließend auf den Boden kotzt und 'sorry' sagt.

Es hart, das festzustellen, aber sie bedeuten mir nichts. Bug, Miller, Colin, Hazel, Melanie, Jack, Peeter, Thomes, Grace und die anderen, die noch immer in Eden festsitzen. Nichts.

Wie Sterne. Auch wenn ich ihre Namen kenne, sie an Planeten, Sonnen, Milchstraßen und Weltraumstaub vorbei dringen, sind es doch nur kleine Punkte am Himmelszelt.

"Ich glaube nicht, dass wir ihn finden." Stelle ich fest. Es ist das erste Mal seit Stunden, dass ich spreche.

Hazel schluckt.

"Hör auf so etwas zu sagen." Colin klingt wütend."es ist so schon schlimm genug."

"Er ist trotzdem nicht da. Oder siehst du ihn? Hier? In dieser Einöde?" Provoziere ich ihn.

"Er muss hier sein."

"Nein. Er ist tot. Er wurde von etwas angefallen. Vielleicht von einem dieser Vögel." Ich weis wirklich nicht
woher diese Streitlust mit einem Mal kommt.

Collins Kiefer mahlt. "Er ist nicht tot. Er ist vielleicht einfach nur die Gegend erkunden gegangen und hat sich verlaufen."

" 'Die Gegend erkunden gegangen'? Das glaubst du doch selbst nicht. Er hätte uns Bescheid gesagt. Die einzigen die sich hier verlaufen haben, sind wir. Seien wir doch mal ehrlich: Es ist so sinnlos was wir tun. Er ist tot. Wie laufen im Kreis. Wie sollten umdrehen, bevor wir genauso enden." Ich mache eine wegwerfende Handbewegung, mit der ich den verfallenen Protz und die Stille die uns einschließt, beschreibe.

"Nein." Mischt sich nun auch Hazel ein. "Wir drehen nicht um. Wir haben Miller versprochen nach Bug zu suchen."

"Und wenn wir selber dabei draufgehen? Das mache ich nicht mehr mit." Zetere ich. Ich weis, dass meine Wut unbegründet ist. Aber ich kann einfach nicht anders.

"Na dann geh doch." Sagt Colin. Seine Stimme ist jetzt ganz ruhig. Jeglicher Zorn ist aus seinen Zügen gewichen.

"Gut. Ich gehe." bluffe ich ohne darüber nachzudenken.

Verdammt.

"Was? Nein. Maggie, das... Ist..." Stottert Hazel.

"Lass sie. Sie findet schon selbst zurück. Sie weis doch sonst alles besser." Er dreht sich um und läuft ein paar Schritte, in Richtung des
'Fake Venedigs', dass auf seinen Stützpfeilern, doch schon reichlich morsch wirkt.

Hazel steht hilflos zwischen uns.

"Geh." Sage ich zu ihr.

"Aber..."

"Ich komme schon alleine zurecht. Heute Abend sehen wir uns wieder." Mit den Worten drehe auch ich mich um, schultere meinen Rucksack zum tausendsten Mal, und bin mir bewusst, dass es ein riesiger Fehler ist, den ich hier begehe.

Ich überquere den Platz, dessen schwarzweiße Steine, im Mosaik angeordnet sind und biege in eine Seitenstraße ein.

Die nächsten Minuten vergehen schleppend langsam. Ich verbrauche meinen letzten Vorrat an Wasser. Schlürfe gierig die letzten Tropfen aus der Plastikflasche. Wieso habe ich nicht mehr mitgenommen? Dieser Durst ist schrecklich.

Ein Schatten huscht über die Hauswand. Der Junge? Nein, das kann nicht sein. So groß ist er auch wieder nicht. Dieser Schatten ist klobig und unförmig gewesen. Es sah nicht wie die Figur eines Menschen aus.

Scheiße.

Er hatte mich gewarnt.
Hier ist es nicht sicher.
seine Worte schwirren mir wie mahnende Finger im Kopf herum.
Wieso habe ich mich von der Gruppe getrennt? Ich wusste doch, dass es bescheuert ist. So ganz alleine hier rum zu marschieren.

Langsam gehe ich in die Hocke und beginne am Boden, in Richtung eines vertrockneten Springbrunnens zu kriechen, um mich in seinem Schatten zu verkriechen. Doch nicht schnell genug. Ich höre ein Kreischen, drehe mich um und weis sofort, dass das kein Vogel ist.
Nein.
Das hier, ist viel schlimmer.

"Cold" Aqualung
(Diesmal sind's zwei Songs)

Er wusste sofort, dass sie es war, die schrie. Hätte ihre rauchige und tiefe Stimme, überall herausgehört. Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, mochte er ihren Klang. Aber jetzt, wo sie so verzerrt und gellend an seine Ohren drang, meinte er den Schrecken zu spüren, der ihr zweifellos tief in den Gliedern saß.

Sein Herz begann wie wild geworden, in seiner Brust zu pochen.

Er sollte nicht hier sein.
Sollte nicht mit dem Gedanken spielen, an der Hauswand vorbei zu sprinten und herauszufinden, was sie so entsetzlich schreien ließ.

Andererseits, wusste sie sowieso, dass er sie verfolgte.
Hatte den umherschweifenden Blick, aus ihren  grünen Augen gesehen, wie sie nach ihm suchten.
Oh ja, sie wusste genau, dass er hinter ihnen herlief.

Der schlaksige Junge mit dem Mädchengesicht und die Braunhaarige mit der Brille, hatten ihn nicht bemerkt.
Aber schließlich wusste nur sie davon, oder hatte sie ihn verraten?

Bestimmt, er hatte ihr zwar das Leben gerettet, aber dennoch mit einem dieser antiken Revolver, die sein Großvater noch immer in seinem Keller lagerte, bedroht.

Er zweifelte immer mehr daran, ob es eine gute Idee gewesen war, sich ihr zu offenbaren.
Nun wusste sie von ihm.

Aber all das half ihr jetzt nichts.

Ruckartig drehte er sich um und rannte an dem Haus vorbei, aus dem Schatten heraus, nur um gleich darauf von der Sonne erschlagen zu werden. Das grelle Licht prasselte auf ihn ein und für einen kurzen Moment war er so orientierungslos, dass er am liebsten aufgeschrien hätte. Doch kaum, dass seine Augen sich an das Licht gewöhnten, konnte er, in der Mitte des Platzes, entlang der vertrockneten Springbrunnen, ihr vor Panik verzerrtes Gesicht erkennen, dass seinen Puls in die Höhe schnellen ließ. 

Was ihn aber noch viel mehr schockierte, war das Reptil, dass sich direkt, vor ihrer schmächtigen, unbewaffneten Gestalt, aufgebaut hatte. Die Schuppen auf seinem massigen Leib, glänzten im Licht.

Oder war es Blut?
Von den anderen zwei, war keine Spur zu sehen.

Er begriff, im Bruchteil einer Sekunde, dass er keine andere Wahl hatte.

EdenWhere stories live. Discover now