Kapitel 19

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Noch nie habe ich mich bei dem Anblick einer Stadt so... ergriffen gefühlt.
Standhaft, jeglicher Gefahr trotzend, schlagen sich Türme und Häuser, einer größer als der andere, wacker, dem unendlichen Sandmeer und der Zeit die wie eine feindliche Front näher gerückt ist.

"Ich glaube es einfach nicht. Das ist... Ist das etwa... Las Vegas?" Bug greift mit einer Hand vor sich ins Leere, als wollte er die längst erloschenen Lichter näher zu uns heranziehen.

"Das ist Las Vegas.", Sagt Hazel fassungslos, "mein Onkel hat hier einmal gelebt. Ich erkenne die Skyline."

Ausnahmsweise ist Colin ebenfalls sprachlos.

Ich hatte schon so viel von diesem Ort, gehört.
Diesem großen, künstlichen Freizeitpark für Touristen.
Der Millionenmetropole.
Wo Glück und Leid so nah nebeneinander liegen... lagen.
Die eingemauerten Geschichten Derer,  die an einem Tag ein ganzes Vermögen machten um es am Nächsten wieder zu verschleudern.
So viel Reichtum.
So viele Lichter.
So viele Hotels.

Nie hätte ich mir vorstellen können hier zu landen.

"Eden liegt näher an den USA als gedacht. Nicht einmal zwei Tagesmärsche entfernt." Stellt Miller fest.

"Aber es muss sich doch verändert haben. Alles. Die ganze Zivilisation." Meine Stimme klingt trocken.

"Du meinst wohl: verfallen und kaputt. Mehr hat sich hier wohl nicht verändert." Colin runzelt die Stirn.
Mal wieder ganz der Skeptiker.

"Nein.", widerspreche ich ihm, "Vor dem RT ist doch auch Zeit vergangen. Hast du das etwa schon vergessen?"

"Nein."

"Na, also ich..."

"Diskutiert doch nicht so viel." Unterbricht mich Melanie, "Los, lasst uns hingehen. War das nicht unser Ziel? Herausfinden was geschehen ist? Ich will hier nicht weiter sinnlos im  Sand herum marschieren."

Bug nickt. "Sie hat recht. Wir haben genug Zeit vergeudet. Vielleicht hat es auch Jack und die anderen hierher verschlagen."

Während wir unsere Rucksäcke schultern, hoffe ich verzweifelt, dass es endlich einmal richtig ist, was wir tun.

***

Das erste Gebäude erreichen wir nach einer knappen halben Stunde. Es ist eine Passkontrolle. Verlassene Schalter und Monitore, ja selbst umgeworfene Kaffeetassen vervollständigen dieses leere und tote Bild einer Stadt.

"Das ergibt doch gar keinen Sinn. Was wollten die hier mit Passkontrollen?" Fragt Hazel in die Runde.

Keiner antwortet ihr. Wir schweigen. Jeder hängt seinen Gedanken nach.

Wir klettern über Zäune und Absperrungen, überqueren verfallene Straßen und kommen an grauen Häusern vorbei, die so klein sind, dass sich die Bewohner nicht einmal die Mühe gemacht hatten, Nummernschilder anzuhängen. Geschweige denn, die meist  übergeworfenen und mit Klebeband befestigten Planen, mit echten Dächern auszutauschen.

Wo ist all dieser versprochene Prunk? Denke ich. Diese zerstörerische Kraft an zu schnellem Geld und verlorenem Reichtum?

EdenWhere stories live. Discover now