Kapitel 35

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Ich wache auf, als mich ein lautes Pochen an der Tür aus dem Schlaf reißt. Verwirrt blicke ich mich um, kann aber nichts als Dunkelheit erkennen. Während ich mich langsam aufrichte und nach einem Lichtschalter taste, lässt ein erneutes Prochen, die dünnen Wände erzittern. Wer ist das? Emmett? Gestern hatte er mich zurück in das kleine Haus gebracht, das eigentlich nicht mehr als ein Raum ist, der Platz für ein Bett, ein Tisch und zwei Schränke bietet, indem ich das erste mal in North aufgewacht bin und in dem ich Cara, Jody und Harry begegnet bin. Was ist aus Cara geworden, weshalb ist sie so wütend aus Eddarains Büro gestürmt, ohne sich zu verabschieden, oder zu erklären, was passiert ist? Als es zum dritten Mal klopft, ertönt eine gereizte Stimme auf der anderen Seite der Tür. 

"Jetzt mach schon auf, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit."  

Schnell drücke ich den Lichtschalter und springe auf, um schwankend durch die grelle Deckenbeleuchtung in Richtung Tür zu gehen. Als ich sie öffne steht eine gelangweilt aussehende Jody vor mir, mit einem Tablett in den Armen. 

"Na, ausgeschlafen?" Fragt sie mit sarkastischem Unterton. 

Ich nicke, als sie mir das Tablett in die Hände drückt. "Was ist das?" Zweifelnd beäuge ich die grüne Tablette und das Wasserglas, die sich vor mit befinden. 

"Deine Tagesration." Ihre schroffe Antwort lässt mich daran erinnern, wie Emmett vor ein paar Tagen in der Wüste gemeint hatte, dass mein Körper an diese Art vom Nahrung noch nicht gewöhnt sei.

"Aber ich dachte, dass..." 

Jody seufzt." Dir wird in den nächsten Stunden vielleicht ein bisschen übel werden, mehr auch nicht."   

Ich lasse die Tablett in meiner Hand hin und her rutschen und überwinde mich schließlich dazu, sie mir in den Mund zu stecken.

"Und jetzt trink ein Schluck Wasser." Sagt Jody.

Als ich tue, was sie mir sagt schießt ein merkwürdiges Gefühl meinen Magen empor. Es kitzelt ein bisschen, wir als habe ich Brausepulver gegessen. Doch sobald es aufgehört hat, ist mein Hunger wie aus dem nichts verschwunden.

"Das... Das ist verrückt." Sage ich zu mir selbst. "Mit so etwas hätte man früher den Hunger in armen Ländern bekämpfen können." 

"Mmmmm." Gibt Jody von sich und stemmt die Arme in die Hüften. An ihr vorbei kämpfen sich Sonnenstrahlen ihren Weg zu meinen Händen, die sie  in ein rötliches Licht tauchen. Die Stadt unter uns, ist schon ganz in ein geschäftliches Treiben vertieft und ich höre Hund bellen, Kinder lachen und laute Rufe von überall her.  

Euphorisch würde ich am liebsten die steilen Treppen nach unten rasen, nur um Teil des Geschehens zu sein.

"was passiert haute mit mir, wird mir eine Arbeit zugeteilt, ich..."

"Zuerst wirst du dich waschen und dir frische Kleidung anziehen." Unbricht mich Jody.

Peinlich berührt wird mit der müffelnde Geruch bewusst, der mich zweifelsohne umgeben muss. 

"Und wo..."

"Die Waschräume befinden sich gleich in der Nähe von hier, Folge mir einfach." Und schon hat sie sich umgedreht und ich muss fast rennen um mit ihr Schritt zu halten. 

Sie leitet mich über ein schmales Hausdach, zu einer kleinen Treppe, die hinunter zu einem großen Raum führt, indem sich mehre Duschkabinen und Waschbecken befinden. Er ist ist fast leer und dicke Dampfschwaden beschlagen die Spiegel an den Wänden.

"Jedes Viertel teilt sich zwei Waschräume. Eines für Männer. Eines für Frauen. Aber jetzt arbeiten alle. Ich warte hier, während du dich duschst. Handtücher hängen an der Stange dort hinten. Und außerdem..." Sie beugt sich hinunter und kramt aus ihrer Tasche eine Hose, ein Hemd und ein Paar Schuhe, alles in ein schlichtes, einheitliches Grau gehalten. "Hier, zieh das an, wenn du fertig bist." 

"Danke." Ich klemme mir die Anziehsachen unter den Arm, hohle mir zwei Handtücher und schließe mich in eine der Duschkabinen ein.

Es ist ein befreiendes Gefühl, mir die verschwitze, blutige, mit Sand verdreckte Kleidung vom Körper zu reißen und sie über den Rand zu Boden werfen zu können und das heiße Wasser auf mich nierderprasseln zu lassen. Sofort fühle ich mich besser und ich wasche mir gleich zweimal die Haare, mit einer Seife, die in einem Behälter an der Wand hing 

"Beeil dich." Höre ich Jody von draußen rufen, während ich mich abtrockne.  Seufzend ziehe ich mich wieder an und komme mit noch nassen Haaren wieder aus der Dusche heraus. 

"Und jetzt!" Frage ich.

"Jetzt, wirst du deinem ersten Job zugewisen."

"Um genau zu sein," ich folge ihr die Treppe wieder hinauf, " ist es mein zweiter Job. Meinen ersten hatte ich bei Starbucks."

"Starbucks?" Fragt Jody irritiert, als wir auf das Dach gelangen. "Was ist das?"

"Ähm... Das ist kompliziert."

"Dann hoffe ich, wird es dich nicht allzu sehr unterfordern, wenn ich dir mitteile, dass du im Straßenbau tätig sein wirst."

"Im... Im Straßenbau?" Frage ich entsetzt und sofort schießen mir Bilder von Häftlingen vor Augen, die in gestreifter Kleidung Steine wuchten.

"Nur, bis man etwas Neues für dich gefunden hat. Hier muss jeder seinen Teil beitragen."

***

"Das ist sie? Sieht ein bisschen dürre aus. Sicher, dass sie nicht ein bisschen zu schwach für so eine Arbeit ist?" Der Mann mit den buschigen Augenbrauen und dem bulligen Gesichtsausdruck sieht mich abschätzend an und es ist mir unangenehm so beobachtet zu werden. Nachdem mich Jody zu den tiefer liegenden Häusergruppen geführt hatte, waren wir in eine Seitengasse eingebogen, deren Straße sich in unebenen Proportionen aufgerissenen hatte. Männer und Frauen trugen mit Schubkarren und Schaufeln den Schutt an den Straßenrand, während gleichzeitig neuer Teer angerührt wurde um die Lücken auszubessern. Sofort hatte sich Jody mit mir einen Weg durch die Leute gebahnt und mich direkt zu dem Mann geführt, der mich jetzt mit seinen Schweinsaugen anblinzelt.

"Sie schafft das schon. Ist ja nur vorübergehend." Jody lächelt mir kurz zu und klopft mir auf die Schulter, so als wollte sie dem Mann demonstrieren, wie gehorsam ihr kleines Dressurpferd doch ist. Ich würde am liebsten vor Wut laut aufschnauben, als sie sich umdreht und ohne mich von dannen zieht.

"Gut, dann hol die von dort eine Schaufel und fang an so viele Steine wie möglich aus dem Weg zu schaffen." Sagt der Mann gelangweilt in meine Richtung.

Stöhnend raffe ich mich auf und  greife mir eine der Schaufeln die auf dem Boden liegen.

Okay, das hat definitiv nichts mit Starbucks gemeinsam.

 




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