Wer bist du?

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MAYA

"Lamaya, wie läuft es in der Schule so?", fragt mich mein Vater und schiebt sich anschließend einen Löffel Kartoffelsuppe in den Mund. Ich sitze reglos da und versuche meine Gedanken zu ordnen. Doch es gelingt mir nicht. Dean hat sich seit heute Morgen nicht mehr gemeldet, obwohl er mir versichert hat, dass er mir schreibt, sobald er mit seinen Erledigungen fertig ist. Mittlerweile ist es schon sieben Uhr. Er geht nicht ran und reagiert auch nicht auf meine Nachrichten. So langsam mache ich mir Sorgen, das sieht ihm gar nicht ähnlich. Klar, ich verstehe auch, dass er viel zu tun hat. Die ganze Zeit über versuche ich mir einzureden, ich würde überreagieren, dass er wahrscheinlich nur sehr beschäftigt und abgelenkt ist. Das nächste Problem ist auch, die Tatsache, dass ich nicht weiß, ob ich ihn zum Flughafen begleite. Das hatten wir heute Morgen nämlich nicht genau besprochen, weil wir so beschäftigt mit rummachen waren...

"MAYA?!" Ungeduldig drängt mich meine Mutter, meinem Vater zu antworten. Mama ist so misstrauisch mir gegenüber, vor ihr etwas geheim zu halten ist eine wahre Kunst. Bin ich dieser Kunst überhaupt noch gewachsen? Früher oder später muss ich meinen Eltern reinen Wein einschenken, denn jede Lüge kommt eines Tages ans Licht... Vielleicht sollte ich die Schule wechseln, um unserer Beziehung eine Chance zum überleben zu ermöglichen. Es ist alles so kompliziert. Wer weiß, was uns noch alles bevorsteht.

"Gut. Alles in Ordnung! Wie immer halt", antworte ich gelangweilt. Jeden verdammten Tag die selbe Frage.
"Maya, was ist bloß in letzter Zeit los mit dir? Ich...Wir machen uns Sorgen um dich." Ihr besorgter Gesichtsausdruck löst eine Gänsehaut bei mir aus. Sie schaut zu meinem Vater herüber und bedeutet ihm somit, auch etwas unterstützendes hinzuzufügen. Daraufhin räuspert er sich und sagt: "Mein Schatz, egal was es ist du kannst und du solltest es uns vor allem sagen, denn wir sind deine Eltern, wir wollen nur das allerbeste für dich.", er beendet seinen rührenden Satz, nimmt meine Hand und zwinkert mir folgend zu. Wie würden die Beiden bloß auf mein Geheimnis reagieren? Sie würden ausflippen, vor Schock umfallen oder mich vielleicht zu einem Psychiater schicken...

"Mama, Papa ich liebe euch so sehr! Aber hört auf euch ohne Grund Sorgen zu machen, versucht es zumindest. Mir geht es gut. Ich habe bloß so viel um die Ohren mit der Schule, dem Führerschein und Jolina braucht mich momentan wirklich sehr. Sie macht eine schwere Zeit durch. Aber mehr kann ich euch auch nicht sagen, versteht ihr. Deshalb schlafe ich in letzter Zeit auch so häufig bei ihr. Du weißt ja wie das ist, Mama..." Arme Jolina, wenn sie nur wüsste, dass ich sie schon seit Wochen als Ausrede für mein komisches Verhalten benutze. Ich trinke meinen Eistee aus und stehe auf, denn ich halte diese unangenehme Situation nicht weiter aus.

"Ich gehe jetzt duschen und vielleicht später noch zu Jolina. Danke Mama. Die Suppe hat sehr gut geschmeckt!", sage ich und gebe meinen Eltern einen Kuss auf die Wange.

"Na gut. Grüß Jolina von uns. Und sag ihr, dass alles gut wird.", erwidert Mama mitfühlend. Jolina ist eigentlich wie eine zweite Tochter für sie. Ich kann mich darauf gefasst machen, dass Mama mich später ausfragen wird. Doch vorerst stellt sie die Lüge glücklicherweise ruhig.

"Mach ich!" Ich nicke ihr dankbar zu und verschwinde mit schlechtem Gewissen aus dem Esszimmer.


Ich halte es so langsam wirklich nicht mehr aus. Er ignoriert meine Nachrichten, die er hundertprozentig gesehen hat. Das beweisen diese blöden blau gefärbten Häkchen! Was ist bloß los mit ihm, ich habe gespürt, dass etwas nicht stimmt Egal wie beschäftigt er wäre, er hätte angerufen. Erneut versuche ich ihn anzurufen. Keine Reaktion. Das nervige Piepen macht mich aggressiv. Das kann er mir nicht antun, nicht genau vor seiner Abfahrt. Immer wieder versuche ich den heutigen Morgen Revue passieren zu lassen aber es lief alles wunderbar. Was wenn Kim ihm von dem heutigem Zusammentreffen im Einkaufszentrum berichtet hat? Das kann aber nicht sein. So schnell doch nicht... Ich hoffe es zumindest. Irgendwann wird er es herausfinden deshalb ist es schlau, es ihm zu sagen. Damit er es von mir erfährt, sonst rastet er aus.

Der Klingelton meines Handy's ertönt. Hastig greife ich danach. Verdammt, der kleine Funke Hoffnung wurde mir erneut geraubt es ist nur Kiana.

20:12 Kiana: Engel, ist alles Okay bei dir? Sie sorgt sich um mich und das ja eigentlich zurecht, denn momentan ist nichts in Ordnung.

Ja, danke. Ich rufe dich Morgen an!, tippe ich in mein Iphone. Morgen werde ich ihr davon erzählen, denn jetzt würde es sie nur unnötig aufregen.

Ich nutze die jetzige Gelegenheit, um Mr. Arschloch eine Nachricht zu schreiben. Warum ignoriert der Penner mich?

20:14 Ich: WAS IST LOS MIT DIR? WIESO ANTWORTEST DU NICHT?

Er ist online, liest meine Nachricht und geht wieder offline...


Wütend steige ich die Treppen zu Dean's Wohnung hinauf. Mein Atem ist hastig und das Adrenalin rauscht in meinem Blut. Ohne Ankündigung habe ich mich auf dem Weg gemacht. Denn so ein kindisches Verhalten ist doch Bullshit! Wenn er sauer ist, soll er gefälligst mit mir reden. In Rekordzeit zog ich mir meine zerrissene Boyfriend Jeans und mein lockeres schwarzes Shirt an. Meine Haare sind noch feucht und zum Schminken war ich viel zu aufgebracht.

Oben angekommen atme ich zunächst tief ein und aus. Dann drücke ich mit zittrigem Finger auf den Knopf und schließe meine Augen, während ich zu Gott bete, dass Dean zu Hause ist. Schritte. Ich höre Schritte. Als die Haustür geöffnet wird, fällt mir ein großer Stein vom Herzen. Der Mann, den ich liebe steht vor mir. Ausdruckslos blickt er mich an und fährt sich durch die Haare. Ich schüttle mit gerunzelter Stirn meinen Kopf. "Was ist denn los, Dean?" Meine Stimme klingt brüchig, verzweifelt irgendwie auch wütend.

Er zieht seine Augenbrauen fest zusammen. Die Falte sticht deutlich heraus. Er ist ebenfalls wütend, sehr wütend. Aber warum nur?

"Maya, verschwinde. Bitte hau ab, bevor ich etwas tue, was ich bereuen werde.", sagt er mit zusammengekniffenen Augen. Eine Gänsehaut breitet sich auf meinem gesamten Körper aus. Dieser Ausdruck in seinem Gesicht macht mir Angst und seine Aussage trifft mich wie ein Schlag in die Magengrube.

"Was?", schluchze ich. Ich verstehe einfach gar nichts  mehr. Tränen laufen mir übers Gesicht. Er dreht sich langsam um und schlägt mir anschließend die Tür vor der Nase zu. Das hämmernde Geräusch lässt mich zusammenzucken. So von ihm verstoßen zu werden ist erniedrigend. Nichts ergibt einen Sinn. Es ist mir egal, dass seine Nachbarn es hören könnten. Ich klopfe und klingle in Abwechslung an seiner Tür. So lasse ich mich nicht abwimmeln. Ich will wissen, was der Grund für seine abscheuliche Wut ist! "Mach die verdammte Tür auf, Dean!", wie eine verrückte kreische ich. Es ist mittlerweile halb zehn, doch das hindert mich nicht daran. Denn ich weiß, dass Dean ein Sturkopf ist und ich ihn nur auf diese Weise dazu bringe mich rein zulassen.

Nach einer mir vorkommenden halben Ewigkeit horche ich seine bummernden Schritte. Ich muss zugeben, dass ich mich in diesem Augenblick vor Dean fürchte.

Brutal reist er die Tür auf. Scheiße, vielleicht hätte ich doch einfach gehen sollen. Der Zorn steht ihm im Gesicht geschrieben. "Bist du wahnsinnig geworden?!", zischt er zwischen zusammengebissenen Zähnen, packt mich grob am Arm und zieht mich in die mir so vertraut gewordene Wohnung.

"Rede doch einfach mit mir!" Ich entziehe mich aus seinem festen Griff und reibe mir die brennende Stelle am Arm. Wir stehe uns nun im Flur gegenüber. Er atmet hastig und mustert mich feindlich, während er etwas aus seiner Hosentasche herauskramt. Als ich erkenne, was er in seinen Händen hält, erschrecke ich. Das kann doch nicht wahr sein! Wie hat er den Zettel nur gefunden? Mein Herz hämmert gegen meine Brust und droht vor Fassungslosigkeit zu explodieren. Ein Schock nach dem anderem. Früher oder später lande ich in der Klapsmühle.

"Wann hattest du verdammt nochmal vor, mir davon zu erzählen?!", brüllt er und wirft mir den anonymen Zettel vor die Füße. Ängstlich trete ich vor Dean zurück bis mein Rücken die Wand berührt. Mir fehlen die Worte. Ich bin nicht in der Lage ihm zu antworten.

"Antworte mir, Maya!", drängt er mich und kommt mir immer näher. Jetzt steht er dicht vor mir. Sein Atem riecht nicht wie sonst. Ganz im Gegenteil mir steigt ein grässlicher Alkoholgeruch in die Nase. Er hat getrunken? Das ist kein gutes Zeichen. Ich bin in einer Horrorstory gefangen.

Heulend presse ich meine Augen fest zusammen, um sein wuterfülltes Gesicht nicht weiter sehen zu müssen. Antworten kann ich ihm nicht, die Kraft dazu fehlt mir einfach. "SAG ES MIR!" Mit voller Wucht haut er mit seiner Faust gegen die Wand. Nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. Ein entsetzliches Kreischen, wie ich es noch nie von mir selbst gehört habe, ertönt. Der Mann, der jetzt vor mir steht ist nicht der Dean, den ich kenne.

Love Lesson Band 1 (wird überarbeitet)Where stories live. Discover now