Die verwelkten Blumen

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"Dean, du machst mir Angst!", heule ich und bekomme kaum noch Luft. Was ist bloß in ihn gefahren? So aggressiv habe ich ihn noch nie erlebt. Ich bin gefangen in der brennenden Hölle und will nur noch weg. Weg von dem Tyrann, der mich soeben zu Tode erschreckt hat. Ich weiß, dass ich es ihm hätte sagen sollen aber er rastet ja vollkommen aus.

"Und du bist eine Verräterin!" Seine geröteten Augen durchbohren mich, der Geruch widert mich an. Das Universum scheint sich erneut gegen mich gewendet zu haben. Dean greift sich mit drängendem Griff mein Kinn. "Du hast in meiner Kiste herumgeschnüffelt, Maya. Das hättest du nicht tun dürfen!", zischt er mit zusammengezogenen Augenbrauen. Meine Brust schmerzt unerträglich.WAS? Schockiert über seine Aussage weite ich meine Augen.  Wie hat er das herausgefunden? Warum hab ich das getan? Was ist die Konsequenz für meine ignorante Tat? Jeden Tag habe ich mit einem schlechten Gewissen zu kämpfen. Damals bin ich zu weit gegangen, jedoch war das Verlangen auf Antworten einfach zu groß. Niemals hätte ich gedacht, dass er dahinter kommt.Dabei war ich mir so sicher, keine verdächtigen Spuren hinterlassen zu haben.

"Wie?" Meine Stimme ist kaum hörbar. Etwas anderes bekomme ich nicht heraus. Die Frage gefällt ihm ganz und gar nicht. Das bekomme ich durch seinen plötzlich noch festeren Griff deutlich zu spüren. Er muss aufhören, sonst halte ich das nicht aus und klappe zusammen. Meine Knie fühlen sich allmählich wie Pudding an.

"WIE?", wiederholt er spöttisch. Sein Gelächter ist abscheulich. So bösartig und kalt. Dabei kenne ich sein wahres Lächeln. Ein Lächeln, welches meine kleine Welt zum Strahlen bringt.

"Du tust mir weh, Dean. Bitte lass mich los!", flehe ich, während mir die Tränen übers Gesicht laufen. Er blickt auf seine Hände, die mich eisenfest umklammern. Im nächsten Augenblick löst er sie von mir. Erleichtert atme ich wieder auf. Meine Brust hebt und senkt sich heftig.

"Warum, Maya? Wieso tust du sowas? Ständig machst du mir Vorwürfe, weil ich dir nicht von meiner Vergangenheit erzähle. Doch ich habe dir vertraut!" Er hastet stürmisch durchs Zimmer umher, wirft mir enttäuschte Blicke zu und fährt sich ratlos durch die Haare. Mit jedem Wort, stirbt ein Funke Hoffnung in mir und hinterlässt zugleich tiefe Narben in meinem Herzen.

"Ich habe DIR vertraut!", schreit er verzweifelt und zeigt mit seinem Zeigefinger auf mich. Daraufhin schließe ich meine Augen, um den grausamen Schmerz auszuhalten zu können. Schluchzend bitte ich um Verzeihung. "Es tut mir leid, Dean. So leid!"

Er dreht mir den Rücken zu. "Und du hast mein Vertrauen mit Füßen getreten. Das einzige, was mir von meinem früherem Leben geblieben ist, steckt in dieser erbärmlichen schwarzen Kiste. Keiner, Maya. Keinem Menschen würde ich sie jemals zeigen.", spricht er mit ausdruckslosem Ton. Was habe ich getan? Es zerreißt mir die Seele, dass er so an mir zweifelt.

Langsam löse ich mich von meiner erstarrten Position und mache mich auf dem Weg zu Dean. Zögernd lege ich ihm meine Hand auf die Schulter. Die Berührung lässt ihn kalt.
"Du kannst mir vertrauen. Das weißt du doch. Das hätte ich nicht tun dürfen, du hast Recht. Aber sag bitte nie wieder so grausame Dinge zu mir." Niedergeschlagen wische ich mir die Tränen weg. "Du hast mir nicht von dem Zettel erzählt. Maya wie kannst du nur so leichtsinnig sein?" Wütend ballt er seine Fäuste. "Was wenn jemand davon weiß? Willst du etwa, dass ich im Gefängnis lande?" Die Ader auf seiner Stirn droht zu zerplatzen als er sich erneut mein Gesicht greift. " Die Ironie dabei ist, dass du in Bezug auf meine Geheimnisse immer von mir verlangst ehrlich zu dir zu sein und ausgerechnet du verheimlichst mir etwas, was uns beide betrifft!", raunt er. Unsere Nasen berühren sich und wieder kann ich ihm nicht in die Augen sehen, weil ich mich so unglaublich schäme. Er hat so Recht. In meinem Kopf schwirren unzählige Worte herum, die ich ihm gerne sagen würde, jedoch fehlt mir der Mut sie auszusprechen.

"Du... Du hast getrunken!", platzt es stotternd aus mir heraus. Unkontrolliert sage ich diesen Satz und könnte mich selbst dafür schlagen. Warum verschlimmere ich die abgefuckte Situation auch noch? Fassungslos starrt er mich an. "Ja! Das habe ich." Er nickt und schenkt mir anschließend ein teuflisches Lächeln, welches ich an ihm noch nie zuvor gesehen habe.

"Weißt du denn, von wem der verfickte Zettel stammen könnte?", fragt er mich grob und lässt mein Gesicht los. Er benimmt sich wie das größte Arschloch. "Nein. Ich habe keine Ahnung aber vielleicht ist es auch nur ein Zufall und es gibt eine einfache Erklärung dafür." Weil meine Muskeln mich nicht mehr halten können sinke ich auf die Knie.
"Natürlich hast du keine Ahnung! Verdammt ich bin so ein Idiot, zu glauben, dass du reif genug bist mit so einer Situation umzugehen!" Er schüttelt schuldbewusst seinen Kopf und fasst sich darauffolgend an die Stirn. OUTSCH! Nicht reif genug? Das hat gesessen. Noch nie zuvor habe ich mich so nutzlos gefühlt. Als wäre ich das Ganze nicht wert. Sonst lobt Dean stets meine Reife und heute wirft er mit seinen entsetzlichen Worten all meinen Stolz einfach über Bord.

Mir fehlen die Worte. Ich spüre nichts als Leere in meinem Innerem. Unsere Beziehung könnte man mit herrlich duftenden Blumen beschreiben, für eine kurze Zeit lang sind sie wunderschön, doch mit der Zeit verwelken Sie. Genau so ist es bei uns. Früher oder Später beginnt dieser Teufelskreis, aus dem wie niemals herauskommen werden.

Wir starren uns gegenseitig schweigend an. Eine beklemmende Stille erfüllt den Raum. Doch plötzlich klingelt es an der Tür ich
schnappe nach Luft und blicke fragend zu Dean, der seine Stirn runzelt. Er scheint sich genau so sehr zu wundern, wie ich. Dann hastet er zu Tür. Erst jetzt realisiere ich, dass er nichts außer seine Adidas Sporthose trägt. Zögernd erhebe ich mich ebenfalls und folge ihm.  Ich bleibe hinter Dean stehen und entdecke den großen Spiegel im Flur, so wage ich einen kurzen Blick auf mein Spiegelbild. Meine Augen sind angeschwollen und rot. Die Augenringe unterzeichnen meine Müdigkeit. Kurz gesagt, ich sehe aus wie ein Monster.

Eine mir bekannte Stimme ertönt. Es ist Sam. "Warum gehst du nicht an dein Handy?", meckert sein jüngerer Bruder und mustert ihn mit misstrauischem Blick. Dean wendet sich hastig von ihm ab und läuft regelrecht vor ihm weg. Als Sam mich erblickt steht ihm die Fassungslosigkeit ihm Gesicht geschrieben. Der Ärmste bekommt fast einen Schock. "Tina, was ist hier los?", flüstert er besorgt und legt seine Hand auf meine Schulter. Dean ist derzeit in seinem Schlafzimmer verschwunden. "Nichts. Alles gut.", lüge ich und erneut steigen mir Tränen in die Augen, deshalb senke ich meinen Blick. "Tina, bitte!" Sam wirkt so verzweifelt. Ich würde ihm so gerne helfen aber ich habe Angst vor Dean. Er wird noch enttäuschter von mir sein, wenn ich ihn jetzt verrate. Hin und her gerissen entscheide ich mich für das hoffentlich Richtige.

"Wir haben uns gestritten.", erkläre ich ihm knapp und wische mir die Tränen weg. Mitfühlend umarmt er mich. Es fühlt sich gut an und verleiht mir auch gleichzeitig Hoffnung.

"Tina, hat er getrunken?" Er stellt mir so ernst, wie ich ihn noch nie zuvor erlebt hat diese Frage. Als wäre es das aller schlimmste der Welt. Gott, ist es das etwa? Mühevoll versuche ich mich daran zu erinnern, wann oder ob Dean jemals etwas getrunken hat. Die Antwort lautet: Nein. Im Restaurant, bei seiner Tante und im Club hat er stets abgelehnt. Darauf gab es für mich eine einfache Erklärung, er musste hinters Steuer. Aber was wenn er Alkoholiker ist? Oh mein Gott, bitte nicht! Das würde jedoch auch sein aggressives Verhalten erklären. Noch so eine Hiobsbotschaft würde ich nicht ertragen.

"Tina!", sagt Sam drängend meinen Namen. Ich war versunken in dunklen Gedanken und Grübeleien, ich zucke zusammen und antworte ihm anschließend. "Ja." mit Befürchtung blicke ich seinen jüngeren Bruder an und warte angsterfüllt auf eine Antwort.

"Scheiße!", flucht er und fährt sich genau so durch die Haare, wie sein Bruder.

Love Lesson Band 1 (wird überarbeitet)Where stories live. Discover now