Chapter 2

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Ich hatte Recht gehabt, Max tanzte mittlerweile mit einem anderen Mädchen und so konnte ich mich wieder zu meinen Freunden gesellen, ohne dass er mich nervte.

Beinahe ohne es zu merken, suchte ich die Menge nach Jake ab, doch meine Augen fanden ihn nicht und für einen kurzen Moment fragte ich mich, wo er nur hin war, aber dann schüttelte ich leicht den Kopf. Warum machte ich mir nur über ihn Gedanken?

In der Schule war ich ihm sowieso immer aus dem Weg gegangen, da wir im Prinzip zu zwei konkurrierenden Cliquen gehörten und ich noch nie etwas für angeberische Typen übriggehabt hatte. Und andererseits war er sowieso immer von einer Mädchenhorde umgeben gewesen, aber mir war nie der Gedanke gekommen, dass es ihm vielleicht nicht gefiel.

Ich meine, ich hasste es, wenn Leute wie Max mir hinterher liefen, vor allem, weil ich nicht verstehen konnte, wieso. Klar, meine Freunde und ich waren ziemlich bekannt in unserer Schule, auch dadurch, dass Ian immer legendäre Partys schmiss, aber trotzdem war ich nie jemand gewesen, der sich dadurch als besser oder wichtiger ansah.

Warum Max sich nicht einfach an ein aufgetakeltes Mädchen ranmachte, das sich nur für sein Aussehen und nicht für seinen Charakter interessierte, wusste ich aber wirklich nicht. Es gab nun mal Mädchen, die sich freiwillig jedem an den Hals schmissen und Mädchen wie mich und meine Freundinnen, die gerade das nicht taten.

„Alles okay bei dir, Claire? Du wirkst so verwirrt." Die Stimme meiner besten Freundin Jo riss mich aus meinen Gedanken und wieder zurück in die Gegenwart. Ich sah sie an und kurz überlegte ich, ihr von Jake und seiner verrückten Bitte zu erzählen, doch irgendetwas hielt mich davon ab.

Ich wusste nicht genau, warum ich das Geschehene für mich behalten wollte, aber andererseits bezweifelte ich, dass Jakes Freunde wussten, worum er mich, ein Mädchen aus der konkurrierenden Clique, gebeten hatte.

„Alles gut", sagte ich und setzte wieder ein Lächeln auf. „Ich bin nur froh, dass Max mich nicht mehr nervt."

„Oh Mann, das kann ich verstehen", sagte Marc, der neben Jo saß und unser Gespräch wohl mitbekommen hatte. Ich sah ihn an und grinste innerlich, als ich sah, wie nah er und Jo aneinander saßen. Im Prinzip war es nur eine Frage der Zeit bis die beiden endlich zusammen kamen. Jeder wusste, dass sie sich mochten - jeder, bis auf sie selbst.

Den Rest der Party genoss ich in vollen Zügen und amüsierte mich mit meinen Freunden total. Selbst als Ian seinen Partygästen Karaoke vorschlug und David mich mit sich zu den Mikrofonen zog, wehrte ich mich nicht und sang ausgelassen mit ihm um die Wette.

Jake Stewart und seine Bitte hatte ich irgendwie völlig aus meinen Gedanken verdrängt. Erst als ich am frühen Morgen des nächsten Tages wieder in meinem eigenen Bett lag, kam er mir wieder in den Sinn.

War seine Bitte nicht vielleicht einfach nur ein schlechter Scherz gewesen, eine Möglichkeit, sich über mich lustig zu machen? Es war ihm durchaus zuzutrauen, auch wenn er mir ziemlich aufrichtig vorgekommen war.

Falls es stimmte, was er sagte, wunderte ich mich dennoch, woher er mich so genau kannte. Er hatte meinen ganzen Namen benutzt und nicht einfach nur Claire und anscheinend wusste er genau, dass auch ich mich vor einem Verehrer verstecken wollte.

Das passte so gar nicht zu ihm, ich hatte noch nie mitbekommen, dass er sich für irgendjemand anderen als seine Freunde interessiert hatte. Auch die ganzen Mädchen, die ihn anhimmelten, ignorierte er meist geflissentlich, was ihn in ihren Augen natürlich nur umso interessanter machte.

Er war mir so natürlich und überhaupt nicht machohaft vorgekommen, als ich mich zusammen mit ihm versteckt hatte, aber andererseits durfte ich mich nicht darauf verlassen, dass er sich immer so verhielt - denn in der Schule benahm er sich ganz anders.

Während ich weiter darüber nachdachte, was ich jetzt tun sollte, merkte ich, wie meine Augen langsam schwer wurden und ich schließlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.

Der Rest des Wochenendes verging nach Ians Party wie im Flug. Da es erst kurz nach den Sommerferien war, musste noch keiner für die Schule lernen, also schauten Jo und ich einfach die neue Staffel unserer Lieblingsserie, da wir sowieso noch müde waren und die Lehrer erwarteten, dass wir am Montag wieder ausgeschlafen waren.

Ich verschwendete nicht mehr allzu viele Gedanken an Jake Stewart, doch am Montagmorgen wurde ich dann nervös. Wollte er mich wirklich kurz vor der Schule noch treffen, damit ich ihm sagen konnte, wie ich mich entschieden hatte? Und wie hatte ich mich eigentlich überhaupt entschieden?

Als ich in Jos Auto auf dem Beifahrersitz saß - Jo nahm mich meist zur Schule mit, da ich kein eigenes Auto besaß und nicht gerne mit dem Bus fuhr - und wir der Schule immer näher kamen, fasste ich einen Entschluss. Ich würde ihm einfach sagen, dass er sich jemand anderen suchen soll. Falls es sich herausstellen sollte, dass seine Bitte sowieso nur ein Scherz gewesen war, war ich zumindest nicht darauf hereingefallen.

„Oh nein", meinte Jo, als sie auf den Schulparkplatz einbog. Ich folgte ihrem Blick und seufzte auch auf. Neben dem Schuleingang an der Mauer lehnte Max, der anscheinend wieder nüchtern war und - wie schon ein paar Mal in der vorherigen Woche - anscheinend auf mich wartete. Wie dumm musste der Kerl eigentlich sein?

Mein Blick wanderte nach links und für einen kurzen Moment stockte mir der Atem. Neben einem schwarzen, am Straßenrand geparkten Motorrad, stand Jake Stewart und nahm sich gerade den Helm vom Kopf. Er schüttelte seinen Kopf, um seine Haare auszuschütteln und für einen Moment - für einen klitzekleinen Moment, der schnell wieder verging - fragte ich mich, wie es wohl sein würde, seine wirkliche Freundin zu sein.

PretendingWhere stories live. Discover now