Chapter 53

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Erstaunlicherweise verlief der nächste Schultag echt schnell. Ich nahm den Bus zur Schule, der sich aber verspätete, also kam ich auch nur so gerade vor Unterrichtsbeginn in der Schule an, es hatte sogar schon zur ersten Unterrichtsstunde geklingelt. Ein wenig hektisch (ich hasste es wirklich, zu spät zu kommen – ein Grund, weshalb ich auch Busfahren so verabscheute) blickte ich mich im Hauptflur unserer Schule nach meinen Freunden um.

Letztendlich entdeckte ich die meisten von ihnen, wie sie den Flur in Richtung der Biologie-Räume entlang gingen, aber da ich als erstes Fach Geschichte hatte, musste ich eigentlich in genau die andere Richtung. Geschichte hatte ich mit Tyler zusammen, ich konnte ihn allerdings an Laurens Seite nicht entdecken, also ging ich davon aus, dass er wohl schon zum Unterricht aufgebrochen war. Ich überlegte kurz, ob ich meinen Freunden etwas zurufen sollte, aber Jake, der sich auch bei ihnen befand, hielt mich davon ab.

Ich wollte ihn irgendwie nicht noch unnötig auf mich aufmerksam machen, wollte ihm jetzt noch nicht in diese grünlichen Augen sehen müssen, einfach weil ich meine Gedanken gerade ein wenig beisammenhatte. Ich wollte mich also gerade umdrehen und den Flur entlang von meinen Freunden weggehen, da merkte ich aber, dass Jake sich an dem Gespräch unserer Freunde gar nicht beteiligte, sondern stattdessen die ganze Zeit über ein wenig unruhig umhergeschaut hatte. Auch jetzt, als ich doch noch unentwegt in seine Richtung starrte, warf er noch einmal einen Blick über seine Schulter und entdeckte mich offenbar, da er kurz stehen blieb.

Klar, es war nicht sonderlich schwer, mich in der Menge der zum Unterricht strömenden Schüler auszumachen, immerhin war ich die einzige, die sich nicht bewegte, aber irgendetwas sagte mir, dass Jake genau nach mir Ausschau gehalten hatte. Weshalb genau ich jetzt so dachte, war mir nicht klar, aber als Jake mich mit einem unsicheren Blick, aber einem ehrlich wirkenden Lächeln auf den Lippen ansah, bestätigte sich meine Vermutung. Und obwohl ich es nicht vorhatte, obwohl ich mir dachte, dass ich mich jetzt am besten umdrehen und gehen sollte, konnte ich nicht anders, als noch einen weiteren Moment lang stehen zu bleiben. Ich merkte, wie sich auch auf meinen Lippen ein leichtes Lächeln ausbreitete (auch wenn ich das definitiv nicht wollte) und als mein Gehirn diese Situation so wirklich verstanden hatte, wandte ich mich endlich doch ab und eilte in Richtung des Geschichtsraums davon.

Ich konnte doch wirklich nicht zulassen, dass ich unwillkürlich den Typen anlächelte, der mich so verdammt tief verletzt hatte.

Durch diese Situation wieder etwas mehr verwirrt kam ich bei Tyler vor dem Unterrichtsraum an und auch wenn er mich angesichts meines Verhaltens ein wenig fragend ansah, lächelte ich lediglich und hoffte, dass er nicht weiter nachfragen würde. Andererseits war ich mir ziemlich sicher, dass Tyler genau das auch nicht tun würde und deswegen schaffte ich es, mich ein wenig zu entspannen, bevor unser Lehrer seine Vorträge über die Französische Revolution, die wir im Unterricht gerade behandelten, begann.

Die nächsten beiden Pausen verbrachte ich mit einem Mädchen aus dem Jahrgang zwei Stufen unter mir in der Bibliothek, da ich ihr Nachhilfe im Fach Englisch gab. Normalerweise hatte ich mich schon öfters geärgert, die Nachhilfe-Termine nicht erst nach der Schule und nicht schon in den Pausen angeboten zu haben, aber so fand ich die Ablenkung ganz gut, eben weil ich Jake dann an diesem Schultag auch nicht allzu oft sah. Dieser kurze Moment heute Morgen hatte mir ehrlich gesagt auch wirklich gereicht, ich konnte einfach nicht begreifen, dass er immer noch solch einen Effekt auf mich hatte und mich zum Lächeln bringen konnte, obwohl er mir das Herz gebrochen und mich dann noch total mit dem Eingeständnis seiner Gefühle verwirrt hatte.

Den ganzen restlichen Tag über dachte ich noch über diesen kleinen Moment nach, der sich heute morgen abgespielt hatte. Ich konnte diese Situation und damit im Zusammenhang natürlich auch Jake nicht einfach vergessen, nicht einmal für einen kleinen Augenblick, und wäre deswegen normalerweise nach der Schule wieder laufen gegangen, aber ich hatte ja vor, mich mit Emily treffen, weswegen ich kurze Zeit später auch ein wenig unruhig im Café saß und auf sie wartete.

PretendingWhere stories live. Discover now