Chapter 14

54.1K 1.7K 165
                                    

„Hi Claire", tönte mir Jakes Stimme aus meinem Handy entgegen, noch bevor ich etwas zur Begrüßung sagen konnte.

„Hallo", gab ich zurück und wartete darauf, dass Jake mir erklärte, warum er anrief, obwohl er doch wusste, dass Jo zu Besuch war.

„Kommst du klar?" Ohne dass er irgendwie konkretisierte, was er meinte, wusste ich es auch so und es ärgerte mich. Traute er mir denn gar nichts zu?

„Natürlich", sagte ich mit vollem Selbstbewusstsein in der Stimme. „Was denkst du denn?" Durch das Handy konnte ich sein leises, raues Lachen hören.

„Schon gut, ich wollte nur sichergehen. Aber eigentlich rufe ich deswegen gar nicht an. Könntest du mir mal kurz deine Freundin Jo geben?"

Völlig perplex von Jakes Bitte war ich nicht mehr dazu imstande, eine vernünftige Antwort zu geben, also reichte ich mein Handy wortlos an Jo weiter, die es sich nach einem kurzen verwirrten Blick ans Ohr hielt.

„Hallo?", fragte sie und ich sah, wie sich ihre Augen weiteten und kurz zu mir huschten, als sie bemerkte, wer denn da mit ihr sprach. Ich musste grinsen, ihr Gesichtsausdruck war wirklich göttlich. Sie sah aus, als hätte sie gerade einen Geist gesehen.

Jake redete anscheinend noch immer, jedenfalls sagte Jo nichts mehr, aber ich konnte sehen, wie sie nachdachte, während sie zuhörte. Kurze Zeit später grinste sie sogar ein wenig und es freute mich komischerweise, dass sie nicht mit totalem Hass auf Jake und seine Bitte, mit ihr sprechen zu dürfen, reagierte.

„Alles klar", meinte sie. „Mach ich." Immer noch grinsend beendete sie das Telefonat und gab mir mein Handy zurück, während sie mich unverhohlen anstarrte.

„Wonach hat er gefragt? Was wollte er, dass du machst?", fragte ich sofort, nachdem ich mein Handy achtlos neben mich aufs Sofa gelegt hatte.

„Tja", machte Jo und stachelte meine Neugierde damit leider nur noch mehr an. „Das würdest du gerne wissen, was?"

„Klar", machte ich. „Wenn mein Freund meine beste Freundin um irgendetwas fragt und sie zustimmt, möchte ich natürlich wissen, worum es geht." Ich sah sie hoffnungsvoll an, doch Jo grinste nur diabolisch zurück und sagte kein Wort. Einen Moment lang starrten wir uns wortlos an, dann schüttelte ich den Kopf und gab somit nach. Auch wenn ich in Diskussionen extrem stur sein konnte, würde Jo in dieser Sache sowieso nicht nachgeben, das wusste ich mit Sicherheit.

„Keine Sorge, du wirst es noch früh genug herausfinden", versicherte mir Jo jetzt und ich musste grinsen. Sie wusste, wie sehr ich es hasste, in etwas nicht eingeweiht zu sein, aber andererseits konnten Überraschungen natürlich auch total schön sein. Falls es sich bei dem, was Jake und Jo mir nicht erzählen wollten, denn um eine Überraschung handelte.

Ich schüttelte wieder den Kopf und verbot mir, darüber nachzudenken. Ich hatte mir schon die ein oder andere Geburtstagsüberraschung vermiest, indem ich sie vorher (natürlich unwillentlich) erraten hatte.

Gemeinsam schauten wir den Film weiter, den Jo pausiert hatte, nachdem mein Handy geklingelt hatte. Wir vergaßen ein wenig die Zeit und deswegen ging Jo erst nach Hause, als es draußen schon dunkel war. Hätten wir nicht am nächsten Tag Schule gehabt, hätte sie einfach spontan bei mir übernachtet, aber wir wussten beide, dass wir dann bis spät in die Nacht hinein geredet hätten und am nächsten Morgen total müde zur Schule zu kommen konnten wir uns bei den meisten Lehrern nicht erlauben.

Als ich sie noch zur Tür brachte, fiel mir auf, dass Mum natürlich von der Arbeit zurück war und am Küchentisch saß. Ich setzte mich zu ihr und begrüßte sie, aber auch wenn sie versuchte zu lächeln, sah ich, dass sie eigentlich total traurig war.

„Was ist los, Mum?", fragte ich behutsam.

„Ach nichts Schlimmes... Dad muss noch drei weitere Wochen in Seattle bleiben. Sie brauchen jemanden, der mit irgendeiner anderen Firma kooperieren kann und er ist nun mal der Beste." Sie seufzte. „Manchmal wünschte ich, er könnte öfter zuhause sein."

„Ich weiß, Mum." Und wie ich das wusste. Ich vermisste ihn auch oft, aber andererseits schmiss man so einen guten Job wie den, den er hatte, nicht einfach so weg. Außerdem verdiente er - genau wie meine Mutter - ziemlich viel Geld, wodurch wir uns im Prinzip so ziemlich alles leisten konnten, was wir wollten.

„Er meinte, dass er mit uns einen Wochenend-Trip nach London machen will, sobald er wieder da ist. Er vermisst uns auch."

„Cool!", sagte ich. Auch wenn manche in meinem Alter vielleicht nicht mehr mit den Eltern in den Urlaub fahren (oder fliegen) wollten, genoss ich gerade diese Zeit immer total, weil sie dann immer total entspannt und locker waren - und natürlich beide gleichzeitig Zeit hatten.

„Er hat sogar gesagt, dass du jemanden mitnehmen kannst, wenn du willst." Ich strahlte. Reisen an sich liebte ich schon und dann Reisen mit Freunden? Meiner Meinung nach absolut unschlagbar.

Jetzt lächelte sogar Mum wieder. „Ich freue mich auch total", meinte sie. Auf einmal musste sie gähnen und steckte mich damit an. Wir lachten beide und gingen dann nach oben, um uns bettfertig zu machen. Wir mussten am nächsten Tag beide wieder früh raus - ich in die Schule und sie in ihr Modegeschäft.

PretendingWhere stories live. Discover now