Chapter 11

65.2K 1.9K 228
                                    

Jake blieb noch einige Zeit bei mir und wir fragten uns gegenseitig über unsere Lieblingsdinge aus. Ich wusste mittlerweile über sein Lieblingslied, den schönsten Urlaub, den er je erlebt hatte, sein Lieblingsrestaurant und noch viele andere Dinge Bescheid. Klar, dass waren eigentlich alles total banale, fast schon unwichtige Sachen, aber wenn man mit jemandem zusammen war, musste man diese Person kennen - und zwar gut.

Es war eigentlich auch echt interessant: ich hätte nie gedacht, dass Jake die Star Wars-Filme liebte, Erdbeere seine Lieblings-Eissorte war und er Hockey lieber als Fußball mochte. Ich fragte mich, ob alle seine Freunde diese Sachen über ihn wussten, weil er mir eigentlich nicht wie jemand vorkam, der viel über sich selbst und seine Persönlichkeit erzählte.

„Hast du eigentlich wirklich gar keine Idee, was ich Jo sagen soll, wenn sie mich über dich - über uns - ausfragt?", fragte ich, nachdem wir über einige Musikstile diskutiert hatten.

„Sag ihr die Wahrheit." Verwirrt sah ich ihn an und er sprach weiter. „Zumindest irgendeine Version davon."

„Und die wäre?", fragte ich noch einmal nach, obwohl ich mir eigentlich vorstellen konnte, was er meinte.

„Du hast mich zwar nie wirklich gemocht, aber irgendetwas an mir hat dich fasziniert. Dann hast du mich auf der Party von deinem Kumpel gesehen, nachdem du vor Max geflüchtet bist, und wir haben geredet. Und uns gut verstanden. Am nächsten Schultag habe ich vor der Schule auf dich gewartet und dich nach dem Unterricht abgeholt."

„Ist ja schön und gut", sagte ich, „aber was ist mit Details? Ich kenne Jo und weiß, dass sie alles wissen wollen wird."

„Du kannst ihr ja einfach sagen, dass es noch nicht so viele Details gibt, weil wir ja erst so eine kurze Zeit 'zusammen' sind. Sag ihr, dass wir zusammen in den Star Wars-Marathon gehen. Beschwer dich von mir aus darüber, dass ich Mathe im Gegensatz zu dir direkt verstanden habe oder wie sehr mich deine Fotos interessiert haben."

„Okay okay. Irgendwie schaffe ich das dann schon", hatte ich dann irgendwann gemeint und Jake hatte zuversichtlich genickt, allerdings war ich mir sicher, dass er von seinen Kumpels nicht ausgefragt werden würde.

Irgendwann später am Nachmittag ging er dann auch nach Hause, allerdings noch bevor meine Mutter von der Arbeit kam, sodass er sie nicht mehr kennenlernte. Ich wäre sowieso noch nicht bereit dazu gewesen, ihn meiner Mutter oder meinem Vater vorzustellen. Sie kannten mich viel zu gut und würden uns bestimmt auf den Zahn fühlen - zwar nicht so auffällig wie Jo, aber sicherlich genauso nervenaufreibend.

Als ich - nachdem ich auch den Rest der Hausaufgaben von heute gemacht hatte - wieder auf mein Handy starrte, fiel mir auf, dass Jake doch geantwortet hatte, ich es nur nicht mehr gesehen hatte, bevor er bei mir aufgetaucht war. Er hatte mir auch seine Adresse mitgeteilt, allerdings bezweifelte ich zutiefst, dass ich in nächster Zeit einfach mal so bei ihm vorbeischauen würde, wie er es getan hatte.

Als meine Mutter nach Hause kam, aß ich mit ihr zusammen zu Abend (ich liebte die Cannelloni, die sie meinetwegen echt oft machte) und den Rest des Abends verbrachte ich damit, ein paar Folgen einer neuen Serie zu schauen. Am nächsten Morgen stellte ich allerdings fest, dass die Serie wohl ziemlich langweilig gewesen sein musste, da ich bei laufendem Fernseher eingeschlafen war.

Ich hatte ich mich erstaunlicherweise schon jetzt daran gewöhnt, früh aufzustehen, auch wenn es erst Dienstag war. Ich wusste nicht genau warum, aber ich hatte im Gegensatz zu manch anderen nicht so ein riesiges Problem damit, früh aufzustehen, wenn ich denn in der Nacht gut und durchgeschlafen hatte.

Ich hatte sogar noch Zeit, zusammen mit meiner Mutter ein wenig zu frühstücken, da sie erst um halb neun in ihren Laden musste und so noch da war, bevor ich zur Schule musste. Nachdem ich mich dann fertig gemacht hatte, klingelte auch schon Jo an der Tür, um mich wie immer zur Schule abzuholen.

Fast machte ich mich darauf gefasst, dass sie mich auch jetzt schon im Auto ausfragte, aber zum Glück tat sie es nicht, denn ich war gerade noch nicht wirklich in der Stimmung, über Jungs zu reden. Manche Mädchen redeten ja wirklich nur über Jungs und wen sie warum toll oder süß oder heiß fanden, aber solche Gespräche ödeten mich meist einfach an und sofern die Typen nicht mich betrafen, war Jo genau derselben Meinung wie ich. Natürlich redeten wir auch schon mal über Jungs, nur halt nicht nur.

Das war einer der Gründe, weshalb ich meine beste Freundin so liebte. Wir verstanden uns einfach immer ohne Worte und wussten, was der andere dachte, weshalb uns manchmal schon mal ein paar merkwürdige Blicke zugeworfen wurden, wenn wir beide gleichzeitig loslachten - ohne, dass die anderen wussten, wieso. Es war schon ziemlich lustig meistens, aber natürlich konnte man mit ihr auch ernste Gespräche führen, was ich genauso sehr an ihr schätzte.

Als wir auf den Parkplatz für Schüler einbogen, fiel mein Blick als erstes auf Jake, der ähnlich wie am vorigen Tag bei seinem Motorrad stand und auf mich zu warten schien. Als Jo und ich aus ihrem Auto ausstiegen, setzte Jake sich in Bewegung und kam auf uns zu. Jo stieß mich daraufhin mit dem Ellenbogen an und wies grinsend in seine Richtung. Als ob ich es nicht bemerken würde, wenn Jake Stewart auf mich zu kommt.

Kurz bevor er uns erreicht hatte, überlegte ich kurz, wie er mich wohl begrüßen würde, da Paare sich nun mal normalerweise mit einem Kuss begrüßten, aber das bei uns ja natürlich außer Frage stand. Im Gegensatz zu mir hatte Jake die Situation aber anscheinend voll im Griff, da er überhaupt nicht unsicher wirkte, als er bei uns ankam.

Er nickte Jo mit einem leichten Lächeln zu, wandte sich danach in meine Richtung, wobei sein Grinsen deutlich breiter wurde und nahm mir dann den dicken Ordner aus der Hand, in dem ich alle Mitschriften aus dem Unterricht und meine Hausaufgaben aufbewahrte, während er dazu noch „Hi, Claire" sagte.

Für einen kurzen Moment war ich sprachlos, weil er seine Rolle so gut beherrschte, aber dann machte ich mir eine mentale Notiz, ihn damit aufzuziehen, dass er wohl in die von unserem Mathe-Lehrer organisierte Theater-AG gehörte. Schließlich fand ich dann auch endlich meine Sprache wieder und begrüßte ihn mit einem „Hey".

Jo grinste angesichts meiner Sprachlosigkeit - die sie anscheinend zum Glück falsch deutete - und verabschiedete sich in Richtung Schule, während ich mit Jake zurück blieb.

PretendingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt