Chapter 64 - Epilog

45.4K 1.2K 199
                                    

Die Sonne war gerade erst aufgegangen – es war also noch sehr früh am Morgen –, aber ich war trotzdem schon aufgestanden, stand jetzt auf dem Balkon und blickte über das schöne London, das so langsam wieder zu neuem Leben erwachte. Ich wusste nicht genau wieso, aber irgendwie empfand ich es als total beruhigend und entspannend, einfach den vielen verschiedenen Leuten zuzusehen, die die Straßen entlang gingen, und den leichten Wind durch meine Haare fahren zu lassen.

„Guten Morgen", flüsterte mir dann eine raue Stimme ins Ohr und Jakes Mund kitzelte mich, als er mir einen Kuss auf die Wange gab. Mein Mund verzog sich zu einem Lächeln und Jake wiederum legte mir meine Jacke um die Schultern, die er wohl von drinnen mitgebracht hatte und die ich dankbar annahm. Auch wenn wir wirklich Glück hatten und das Wetter in London – zumindest die letzten beiden Tage über und auch heute Morgen – nicht so regnerisch gewesen war wie man es vielleicht von Großbritanniens Hauptstadt kannte, war es immerhin schon Herbst und ohne Jacke hätte ich es auf dem Balkon leider wirklich nicht mehr sehr lange ausgehalten.

So aber war ich nur noch glücklicher und zufriedener, als Jake sich neben mich stellte. Wir sahen uns zwar nicht in die Augen, da wir beide hinaus auf London sahen, aber er stand so nah, dass sich unsere Arme berührten und ich freute mich, diesen einfachen, wunderschönen Moment mit ihm teilen zu können. Ich konnte wirklich nicht sagen, wann ich je so vollkommen glücklich gewesen war wie jetzt.

Immer noch ohne etwas zu sagen lehnte ich mich an seine Schulter und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. Auch wenn die Reise nach London ja ursprünglich als richtiger Familienurlaub geplant gewesen war, hatten Jake und ich nun ein kleines Appartement für uns bezogen und meine Eltern ein anderes, das sich aber im gleichen Hotel befand. Für den heutigen Tag hatten wir dann auch zu viert geplant, einmal direkt in die Londoner Innenstadt zu fahren, das hatten wir die letzten zwei Tage über nämlich noch nicht gemacht.

„Was hältst du davon", begann Jake seinen Satz und ich drehte ihm das erste Mal an diesem Morgen den Kopf zu, um in seine Augen sehen zu können. Ihr Grün überwältigte mich immer noch genauso sehr wie dann, als ich begonnen hatte zu realisieren, was ich für ihn empfand. „Wenn wir heute nicht hier im Hotel frühstücken, sondern gegenüber im Café?", vollendete er und sah mich fragend an.

„Finde ich super", antworte ich lächelnd und schloss die Augen, um ihm den langersehnten Guten-Morgen-Kuss zu geben. Nach einiger Zeit lösten wir uns voneinander und gingen doch wieder hinein in das kleine, aber total liebevoll eingerichtete Appartement, um uns fertig zu machen, da wir ja frühstücken gehen wollten. Auch wenn das Essen und auch besonders das Frühstücks-Buffet hier im Hotel echt fantastisch waren, hatte ich schon kurz nach unserer Ankunft beim ersten Blick vom Balkon aus gemeint, dass ich das Café auf der gegenüberliegenden Straßenseite irgendwie total niedlich fand und deshalb freute es mich umso mehr zu wissen, dass Jake das nicht vergessen hatte und mir nun diese Freude machen wollte.

Auch wenn es eben noch zu kalt war, um komplett ohne Jacke vor die Tür zutreten, suchten wir uns einen kleinen Tisch auf der Terrasse des Cafés aus, denn mit einer Jeansjacke oder ähnlichem war die Temperatur wirklich angenehm. Jake bestellte für uns beide das Frühstück und ich genoss es diesmal einfach, ihm dabei zuzusehen. In den letzten paar Wochen, in denen Jake und ich nun wirklich offiziell zusammen waren und in denen wir noch mehr miteinander unternommen hatten als vorher ohnehin schon, war es immer mal öfter vorgekommen, dass ich nicht versuchte, alles zu hundert Prozent durchzuplanen und zu strukturieren.

Man konnte also sagen, dass Jake und die Beziehung zu ihm mir schlicht und einfach gut taten – so wie auch ich anscheinend ihm gut tat. Selbst Amber, also Jakes Mutter, hatte mich schon darauf angesprochen, dass ihr Sohn in letzter Zeit völlig losgelöst und auf eine glückliche Art und Weise entspannt wirkte und das wohl mit mir zu tun haben musste. In dem Moment, in dem sie mir das sagte, war ich zuerst ein wenig überwältigt gewesen, denn es war nicht selbstverständlich für mich, dass ich andere Personen anscheinend so positiv beeinflussen konnte. Aber ich hatte mich auch wirklich gefreut, eben weil dieses Kompliment von Jakes eigener Mutter gekommen war – die ihn schließlich besser als sonst irgendwer kannte.

Jake und ich hatten uns vergangenes Wochenende sogar einmal mit Marco und Taylor, also Jakes Cousin und seiner Verlobten, getroffen und auch die beiden hatten sich sehr gefreut, mich wiederzusehen und mich prompt zu ihrer anstehenden Hochzeit eingeladen. Es freute mich einfach, so vollkommen akzeptiert worden zu sein und selbst nach dieser kurzen Zeit beinahe schon so etwas wie ein Familienmitglied der Stewarts zu sein. Aber auch meine Eltern hatten Jake in ihr Herz geschlossen, sogar mein Vater verstand sich wirklich sehr gut mit ihm, dabei hatte ich mir am Anfang ja bezüglich meines Vaters und seiner Einstellung zu Jake ein paar Sorgen gemacht. Wie sich aber nun herausgestellt hatte, waren diese zum Glück wirklich unbegründet gewesen.

„Jake, dieser Moment gerade hier mit dir in London in diesem kleinen Café ist einfach nur perfekt. Danke", sagte ich und war mir sicher, dass man auch an meinen Augen ablesen konnte, wie wunderschön ich diesen Augenblick gerade fand.

„Du musst mir doch nicht danken", antwortete Jake und ich kam für einen kurzen Moment wieder in den Genuss seines wirklich unwiderstehlichen schiefen Grinsens. „Du glaubst auch nicht, wie froh ich bin, dass wir es doch noch geschafft haben, wirklich zusammen zu sein – ohne diesen ganzen verwirrenden Fake-Kram." Ich nickte, um Jakes Aussage zu bestätigen, kannte ihn mittlerweile aber echt gut genug, um zu wissen, dass er noch etwas sagen wollte, das ihm auf dem Herzen lag. „Und ich kann dir wirklich versprechen, dass ich mich nie wieder so blöd und widersprüchlich verhalten werde, wie ich es in der Vergangenheit getan habe. Ich hätte wirklich offen mit dir reden sollen." Wieder ein wenig zerknirscht sah er mich an.

Ich hatte in den letzten Wochen wirklich öfters bemerkt, dass Jake sein Verhalten mir gegenüber (eben besonders das nach der Wahrheit-oder-Pflicht-Runde) wirklich unendlich leidtat und er nichts lieber tun würde, als in der Zeit zurückzureisen, um sich anders zu verhalten und mich nicht zu verletzen. Und auch wenn ich wirklich ziemlich verletzt gewesen war, hatte ich ihm nun mal verzeihen können und die Entscheidung, daraufhin wieder mit ihm eine Beziehung anzufangen, bereute ich nicht im Geringsten.

Das Problem lag – so glaubte ich jedenfalls – wahrscheinlich einfach darin, dass Jake sich selbst noch nicht so ganz hatte verzeihen können – aber das würde mit der Zeit auch noch kommen und bis dahin würde ich ihm einfach noch oft genug sagen, dass es okay war und er nicht mehr so hart mit sich selbst sein dürfte. Die Fehler, die ein Mensch in seiner Vergangenheit begeht, müssen nämlich nicht immer eine tragende Auswirkung für die Zukunft haben und den Charakter einer Person definieren sie schon mal gar nicht.

„Jake, es ist okay. Du kannst gerne immer mit mir darüber reden, aber auf meine Gedanken und meine Gefühle dir gegenüber haben diese Geschehnisse wirklich keinen Einfluss mehr. Das kannst du mir ruhig glauben, du bedeutest mir nämlich wahnsinnig viel." Endlich zogen sich Jakes Mundwinkel wieder nach oben und der harte, angestrengte Ausdruck verschwand aus seinem Gesicht, als das Lächeln seine Augen erreichte.

„Ich liebe dich, Claire Howard. Das weißt du hoffentlich", antwortete er schlicht und ein warmes, wohliges Gefühl breitete sich in mir aus. Ein Gefühl, das nur Jake mir geben konnte, und von dem ich einfach nicht genug bekam – eben, weil Jake das perfekte Gegenstück für mich war.

„Und ich liebe dich, Jake Stewart." Wir lächelten uns verliebt an und mehr als diese wenigen Worte mussten in diesem Augenblick wirklich nicht gesagt werden – denn Jake liebte mich und ich liebte ihn und das war alles, was jemals zählen würde.



Hey, ihr!

Das hier ist nun das letzte Kapitel von Pretending und auch wenn das ein komisches Gefühl ist, freut es mich irgendwie zugleich, dieses Happy End veröffentlichen zu können. Und deswegen möchte ich mich auch bei euch allen bedanken, denn dadurch, dass ihr Claire und Jake genauso lieb gewonnen habt wie ich, habt ihr mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. DANKE!

Ich habe übrigens überlegt, ein paar ausgewählte Kapitel noch einmal aus Jakes statt aus Claires Sicht zu schreiben und dann zu veröffentlichen, und ich wollte euch fragen, wie ihr das finden würdet. Würde euch das tendenziell interessieren?

So oder so, es hat mir wahnsinnig Spaß gemacht, diese Geschichte zu schreiben und mit euch zu teilen und ich möchte mich wirklich noch einmal dafür bedanken, dass so viele von euch diese Geschichte gelesen, gevotet und auch kommentiert haben. Ihr seid echt die Besten!

PretendingWhere stories live. Discover now