Chapter 41

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„Ähm", begann ich stammelnd, als Jake, den ich vor mir in das Bad hatte treten lassen, sich zu mir umdrehte und mich mit unergründlicher Miene ansah. Dass seine Augen dabei wieder funkelten, irritierte mich seltsamerweise auch. „Dreh dich... dreh dich einfach um, okay?", vervollständigte ich immer noch nach Worten ringend meinen angefangenen Satz.

Jake sagte zwar nichts, wandte sich aber von mir ab, sodass ich mir nach einem kurzen Durchatmen mein graues Shirt über den Kopf zog. Echt eine absurde Situation, in der Jake und ich uns da befanden. Zwei Personen, die ihre komplette Beziehung nur vortäuschten und die aufgrund einer Pflicht die Oberteile tauschen mussten. Einfach nur verrückt.

„Ähm Claire?", sagte Jake auf einmal leise und ich drehte mich zu ihm um, da ich ja wusste, dass er mit dem Rücken zu mir stand und ich das zusätzlich auch an seiner Stimme gehört hatte. Als ich mich umdrehte, stockte mir allerdings der Atem. Ich hatte komplett vergessen, dass an der Wand, auf die Jake schauen musste – da er mir ja auf mein Bitten hin den Rücken zugedreht hatte – ein riesiger Spiegel hing, durch den Jake mich ja dann unweigerlich in meinem BH hinter ihm stehen sah. Verdammter Mist.

Mein Blick traf im Spiegel auf seinen und auch wenn wir uns ja nicht direkt in die Augen blickten, konnte ich nicht mehr wegschauen. Jake starrte ebenso gebannt in meine Augen und für einen kurzen Moment vergaß ich sogar, dass ich ohne mein Shirt vor ihm stand. Aber wirklich nur für einen kurzen Moment, denn dann drehte er sich zu mir um, sah mir wirklich in die Augen und sofort fühlte ich mich unsicherer als je zuvor in der Gegenwart eines Jungen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich jetzt verhalten sollte und ich war mir auch nicht sicher, ob Jake es wusste, denn er starrte mir einfach weiterhin in die Augen und hielt meinen Blick somit gefangen.

„Jake?", krächzte ich verwirrt und unsicher, als er noch einen Schritt auf mich zu machte und damit wirklich direkt vor mir stand. Sein Blick verharrte noch für einen kurzen Moment auf meinem, dann senkte er ihn und ich war mir ziemlich sicher, dass er nun meine Lippen anstarrte. Ehe ich aber weiter darüber nachdenken konnte, trat Jake noch näher und im Bruchteil einer Sekunde später hatte er mich sanft gegen die Wand neben der Türe gedrückt.

Er sah mir wieder in die Augen und prompt verlor ich mich in ihren grünen Tiefen. Abgesehen von seinen Augen und seinen Lippen waren nur seine Hände das einzige, das ich von meiner Umgebung noch wahrnahm. Seine rechte Hand lag zwischen meinem Hinterkopf und der Wand, wahrscheinlich damit ich nicht dagegen stoßen konnte, und seine andere Hand lag an meiner Hüfte. Diese Geste verwirrte mich noch mehr, da seine Hand auch meine nackte Haut berührte, da ich ja nur in BH vor ihm stand.

„Claire", sagte Jake mit einer so rauen Stimme, wie ich sie noch nie von ihm gehört hatte, aber ich konnte nichts mehr antworten, da seine Lippen im nächsten Moment auf meinen lagen und er mich damit komplett um den Verstand brachte.

Am Anfang war ich – wie bei unserem Kuss im Park – total erstarrt und ein wenig überfordert mit der Situation, aber dann entspannte ich mich total und erwiderte den Kuss genau so leidenschaftlich wie er. Ich vergaß komplett, dass wir nur eine Fake-Beziehung führten, nebenan alle unsere Freunde auf uns warteten oder dass mein Oberteil nun achtlos auf dem Boden lag. Alles, woran ich denken konnte, war Jake und seine Lippen auf meinen und seine Hand im meinen Haar.

Ich schlang nach kurzer Zeit auch meine Arme um ihn und vergrub eine meiner Hände in seinen weichen, rabenschwarzen Haaren. Die Hand von ihm, die auf meiner Hüfte gelegen hatte, wanderte weiter meinen Rücken hinauf und Jake drückte mich damit noch fester an sich. Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir uns jetzt schon küssten – ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren –, aber irgendwann lösten wir uns voneinander, da wir beide Luft zum Atmen brauchten.

Eine kurze Zeit lang war nur das Geräusch zu hören, wie wir beide, immer noch ineinander verschlungen, nach Luft schnappten, aber dann ergriff Jake das Wort, während er mir wie in Gedanken verloren eine Haarsträhne hinters Ohr schob. „Wir sollten wieder zurück ins Wohnzimmer."

Ja, schrie ein Teil meines Gehirns, man knutscht mit seinem Fake-Freund nicht so wie gerade herum, aber der andere, bedeutend größere Teil war der Meinung, dass es nichts Besseres gab, als noch länger mit Jake in diesem Badezimmer zu bleiben. Weil ich meiner Stimme deswegen nicht traute, nickte ich nur und richtete meinen Blick schweren Herzens auf mein Shirt, das neben uns auf dem Boden lag.

Jake folgte meinem Blick, dann bückte er sich und hob es auf. Ohne mit der Wimper zu zucken zog er sich sein eigenes T-Shirt über den Kopf (klar, Jungs liefen ja sowieso im Sommer oft ohne Shirt herum), gab es mir und zog sich dann meins über. Eigentlich wollte ich sein T-Shirt direkt anziehen, sobald er es mir gegeben hatte, aber ich war leider ein wenig abgelenkt von Jake und seinen Bauchmuskeln gewesen. Allerdings zog er ja mein Shirt über seinen nackten Oberkörper, sodass ich mich doch wieder ein wenig konzentrieren konnte und mir sein T-Shirt über den Kopf zog.

Auch wenn mir Jakes T-Shirt natürlich viel zu weit und groß war, fasste ich es einfach genau wie Jakes Star Wars-Shirt an einer Seite zusammen und knotete es dort, allerdings darauf bedacht, den Knoten nicht zu fest zu ziehen, um Jakes Shirt nicht auszuleiern. Ich betrachtete mich danach kurz im Spiegel und das Ergebnis gefiel mir eigentlich sogar noch ganz gut. Außerdem mochte ich den Geruch des Shirts, das ich jetzt trug, da es irgendwie einfach nach Jake roch.

Natürlich war mir Jakes T-Shirt genau wie sein Star Wars-Shirt viel zu groß, aber ich sah bestimmt nicht so schlimm aus wie er. Mein Shirt, das bei mir ja nicht besonders eng gesessen hatte, war Jake natürlich trotzdem viel zu eng und klein. Kein Wunder, er war ja auch um einiges größer und dazu auch muskulöser als ich. Andererseits... so ein eigentlich zu enges Shirt betonte auch wiederum seine Bauchmuskeln. Im nächsten Moment verurteilte ich mich allerdings schon wieder selbst dafür, so über Jake zu denken, der ja nur mein Fake-Freund war.

Mein Fake-Freund, mit dem ich gerade im Badezimmer von Ians Haus rumgeknutscht hatte.

Auch wenn dadurch natürlich jetzt eine total absurde Situation für uns beide entstanden war, brachte mich die direkte Erinnerung an das, was gerade passiert war, unwillkürlich zum Lächeln. Jakes Gesicht glich offensichtlich meinem, das merkte ich, als ich den Blick letztendlich wieder von seinem Shirt abwandte und ihm ins Gesicht sah.

Jakes Blick verharrte kurz auf meinen Augen, dann sah er noch einmal einen quälend kurzen Augenblick auf meine Lippen. Er erstarrte kurz – so als könne er sich nicht recht entscheiden, was er nun tun sollte – und ich hielt unwillkürlich die Luft an. Wir standen immer noch nah genug beieinander, dass Jake mich problemlos noch ein weiteres Mal hätte küssen können und ich ertappte mich dabei, wie ich es mir sogar wünschte. Was war denn bloß los mit mir?

„Okay, komm", sagte Jake dann doch nach einem winzigen weiteren Augenblick der Stille und riss seinen Blick mit Bestimmtheit von meinem Mund weg. Dabei – das versuchte ich mir zumindest einzureden – gab es doch gar keinen Grund dafür, enttäuscht zu sein, nur weil Jake mich nicht noch einmal geküsst hatte.

Oder?

PretendingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt