Chapter 24

54.6K 1.7K 324
                                    

Am nächsten Morgen, als ich aufwachte, war ich nicht wirklich erholt, obwohl ich ja so früh ins Bett gegangen war. Wahrscheinlich lag das einfach nur an dem wirren Kram, den ich geträumt hatte, auch wenn ich mich jetzt beim besten Willen nicht mehr daran erinnern konnte. Sowas passierte mir meistens; die Träume, an die ich mich am nächsten Morgen noch erinnern konnte, konnte ich locker an einer Hand abzählen.

Nichtsdestotrotz konnte ich – da ich nun einmal wach war – nicht wieder einschlafen und stand also auf, um nach unten zu gehen und etwas zu essen. Vielleicht war meine Mutter auch schon wach und wir konnten gemeinsam frühstücken. Ich griff noch schnell nach meinem Handy und sah, dass ich mehrere ungelesene Nachrichten hatte, und zwar alle von Jo. Lächelnd öffnete ich sie und stellte fest, dass ihr Date wirklich ein voller Erfolg gewesen war. Die beiden hatten sich sofort wieder verabredet und es würde mich nicht wundern, wenn Jo auch morgen am Montag noch über beide Ohren strahlen würde. Ich freute mich für sie – für sie und für Marc.

„Na, gut geschlafen?", fragte mich meine Mutter, die gerade Obst schnitt und sich zu mir umdrehte, als ich in die Küche trat.

„Geht so. Hab' irgendetwas Komisches geträumt, aber das passiert mir ja öfters."

„Stimmt, aber vielleicht hilft dir ja ein gutes Frühstück. Möchtest du auch Obst für dein Müsli?"

„Ja, gerne." Meine Mutter lächelte. Wir waren uns echt sehr ähnlich und das machte es immer so einfach, mit ihr zu reden.

Ich tippte noch schnell eine Antwort auf Jos zahlreiche Nachrichten, dann aß ich mein Müsli. Viele der zickigen, sich für etwas Besseres haltenden Mädchen, redeten oft darüber, dass ein wenig Müsli mit Obst und Quark ein sehr gesundes Frühstück war, aber ich aß es nicht deswegen. Es schmeckte mir einfach so gut.

Nach dem Frühstück machte ich mich erst einmal fertig und gab mich dann an meine Hausaufgaben. Ich war keine Streberin oder hatte Spaß an Schulaufgaben, aber ich wollte die Aufgaben aus meinem Kopf haben und außerdem stand bald die erste Klausurphase an, in der ich noch weniger Zeit für irgendetwas haben würde.

Etwas später gab mein Handy dann einen Ton von sich und signalisierte mir damit, dass ich eine neue Nachricht bekommen hatte. In der Erwartung, dass sie von Jo war, öffnete ich WhatsApp, aber es war nicht Jo, die mir geschrieben hatte. Es war Jake, neben dessen Name natürlich das rote Herz nicht fehlen durfte. Er erkundigte sich, ob ich gut geschlafen hatte und ob mir denn die Star Wars-Filme gefallen hatten.

Ich lächelte. Wir hatten gestern gar nicht mehr über die Filme gesprochen und ich fand es süß, dass er extra noch einmal nachfragte. Ich beantwortete seine Fragen also vollkommen ehrlich und schrieb ihm, dass ich zwar nicht so mega gut geschlafen hatte, die Filme aber echt toll und spannend fand.

„Echt?", fragte er nach und es erschien mir fast so, als hätte er eine andere Antwort erwartet. Ich schrieb ihm, dass ich es ernst meinte und jetzt sogar neugierig auf die ersten drei Teile war, die – wie Jake mir erzählt hatte – ja die Vorgeschichte darstellten.

„Hast du gerade Zeit? Dann komme ich mit Teil 1 vorbei, den habe ich nämlich auf DVD."

Schon wieder musste ich unwillkürlich lächeln. Ich hatte echt Lust, den Rest des Tages damit zu verbringen, einen Film zu schauen, anstatt noch mehr Hausaufgaben zu machen. Soviel also zu meinem Vorsatz, produktiv alle Aufgaben heute schon zu erledigen. Aber wer sagte schon nein, wenn jemand anbot, mit einem Film vorbei zu kommen?

Ich schrieb Jake also, dass ich nichts vorhatte und er ruhig vorbeikommen könnte. Er antwortete noch kurz, war dann aber offline, weswegen ich vermutete, dass er schon mit seinem Motorrad auf dem Weg nach hier war. Ich versuchte nochmal, mich ein paar Minuten zu konzentrieren, doch dann klingelte es auch schon an der Tür und ich ließ die aufgeschlagenen Bücher auf meinem Schreibtisch freudig hinter mir liegen, als ich mich auf den Weg zur Haustür machte. Auf dem Weg die Treppe in den unteren Flur herunter hörte ich schon, wie meine Mutter die Haustür öffnete und Jake begrüßte.

Seltsamerweise wirkte sie nicht sehr überrascht Jake zu sehen, was mich wiederum überraschte. War die Tatsache, dass es Jake in meinem Leben gab, schon so selbstverständlich für sie, dass sie sich nicht mehr wunderte, wenn er zu Besuch kam? Und das, obwohl sie ihn erst seit so kurzer Zeit kannte? Echt bewundernswert, was für einen durchaus guten Eindruck Jake doch hinterlassen konnte.

„Hi Jake", meinte ich zur Begrüßung, als Jake an meiner lächelnden Mutter vorbei zu mir trat und mich mit seinem typischen „Hey" begrüßte. „Gehen wir hoch?", fragte ich und Jake folgte mir die Treppe hinauf, nachdem er seinen Motorradhelm auf den Schrank, der uns meist zur Schlüsselablage diente, abgelegt hatte. Ich drehte mich noch kurz zu meiner Mutter um und stellte fest, dass sie uns wohl immer noch mit ihrem unergründlichen Lächeln beobachtet hatte. Wie auch immer, vielleicht waren Eltern einfach so, wenn ihre Kinder feste Freunde mit nach Hause brachten. Natürlich handelte es sich bei Jake nicht wirklich um meinen festen Freund, aber das wusste sie logischerweise ja nicht.

„Oh, Englisch? Habt ihr auch schon wieder so viele Aufgaben auf?", fragte Jake in meinem Zimmer, als er einen Blick auf meinen chaotischen Schreibtisch geworfen hatte.

„Ja, leider. Aber das mache ich wann anders, jetzt will ich nur den Film gucken." Jake lachte.

„Wow, du wirst echt noch zu einem richtigen Star Wars-Fan wie ich, so wie du darauf versessen bist, den Teil zu schauen." Jetzt musste auch ich lachen. Wo er Recht hatte, hatte er aber nun mal auch Recht.

Während wir die Filme schauten, musterte ich Jake unwillkürlich einige Male aus dem Augenwinkel. Warum ich das tat, konnte ich mir beim besten Willen nicht erklären, aber eigentlich war es ziemlich süß, wie Jake sich beim Filme schauen benahm. Er lachte an den lustigen Stellen so, als hätte er den Film noch nie gesehen, und wenn sich gerade eine spannende Szene abspielte, wirkte er wie gebannt und beinahe so, als wäre er in einer komplett anderen Welt.

Wer hätte gedacht, dass Jake so total natürlich und unkompliziert war? Nachdem ich mich allerdings wieder dabei erwischt hatte, wie ich zu ihm herübersah, obwohl der Film gerade echt spannend war, fasste ich den Entschluss, dass das enden musste. Ich hatte keine Ahnung, warum Jake auf einmal so meine Aufmerksamkeit auf sich zog, aber da ich ihn definitiv nicht anstarren wollte, wandte ich mich wieder von ihm ab und konzentrierte mich vollkommen auf den Rest des Films.

PretendingWhere stories live. Discover now