Bonus - Chapter 5 aus Jakes Sicht

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Ich hatte meinen Freunden natürlich noch nicht gesagt, dass Claire und ich nun „zusammen" waren, und sie wussten dementsprechend natürlich auch nicht, dass ich sie vom Unterricht abgeholt hatte und dass der Grund dafür war, dass ich nach dem Chemieunterricht so schnell verschwunden war. Umso mehr würde ich mich freuen, sie ihnen als meine Freundin vorzustellen – es würde echt witzig werden, ihre wahrscheinlich total ungläubigen Gesichter zu sehen. Das einzige Problem war, dass ich sie – falls wir die Fake-Beziehung lang genug durchzogen – als meine Freundin auch wahrscheinlich irgendwann meinen Eltern würde vorstellen müssen und besonders meine Mutter kannte mich viel zu gut, um nicht herauszufinden, dass ich nicht wirklich in sie verliebt war.

Als ich mich zu Claire umdrehte, mit der ich immer noch auf die Cafeteria zuging, bemerkte ich, dass sie mich anscheinend anstarrte, denn auch als sich unsere Blicke trafen, schaute sie nicht direkt weg, sondern schien immer noch in Gedanken versunken.

„Claire, alles okay?", fragte ich halb ernst, halb aus Spaß gemeint. „Du starrst mich an."

„Ich hab' nur versucht, herauszufinden, was du jetzt vorhast. Du hast ja nichts gesagt." Sie antwortete beinahe sofort und ich stellte fest, dass sie wirklich schlagfertig war. Im Bruchteil eines Augenblicks hatte sie den Spieß herumgedreht, sodass nun nicht mehr sie, sondern ich im Zugzwang war und mich eigentlich irgendwie rechtfertigen musste. Das würde auch in nächster Zeit bestimmt noch sehr lustig werden mit ihr, denn auch ich war gut darin, auf alles irgendetwas – meist ironisches – zu sagen.

„Ahja", machte ich, „ich dachte, das wäre ziemlich offensichtlich. Ich tue so, als wäre ich dein Freund, und du tust so, als wärst du meine Freundin." Auffordernd sah ich sie an, gespannt, was sie nun antworten würde.

„Ich bin keins von diesen dummen Mädchen, die auf der Stelle alles für dich tun würden, Jake Stewart", antwortete sie prompt und ein wenig genervt, aber ich musste über ihre Worte tatsächlich ein wenig nachdenken. Natürlich war sie keins der dummen, nervigen Mädchen, die sich mir manchmal an den Hals schmissen, aber gerade deswegen war ich froh, dass Claire Howard nun meine Fake-Freundin war. Irgendwie machte das alles sie nämlich ziemlich interessant.

„Ich weiß." Mehr antwortete ich auf ihre Aussage nicht, denn es musste auch nichts weiter gesagt werden. Irgendein sarkastischer Kommentar wäre sogar meiner Meinung nach unnötig gewesen. Für einen kurzen Moment lang starrte ich ihr einfach nur in die Augen, als sie mich aufmerksam beobachtete, aber als sie wieder in Richtung der Cafeteria-Tür blickte, wurde auch mir bewusst, dass wir natürlich nicht die ganze Zeit hier würden stehen bleiben können. Immerhin wäre das ziemlich sinnlos.

„Ich denke, wir müssen deinen und meinen Freunden sagen, dass wir zusammen sind." Zugegeben, mein Kommentar war nicht besonders geist- oder aufschlussreich, aber es schien sie nicht weiter zu stören.

„Du redest", antwortete Claire nach einem kurzen Augenblick und ein schadenfrohes Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Ich überlegte, was ich sagen sollte, entschied mich dann aber dazu, einfach erst einmal mitzuspielen und sie dann zu überrumpeln, damit ihr gar keine andere Wahl blieb, als ihren Freunden von mir zu erzählen.

„Okay", sagte ich also, griff nach ihrer Hand und zog Claire, deren Gesicht nun einen überraschten Ausdruck hatte, in die Cafeteria hinein, die mittlerweile schon fast vollkommen voll war.

„Sie starren uns alle an", raunte Claire mir zu, nachdem ich sie schon ein paar Meter in Richtung des Tisches ihrer Freunde dirigiert hatte. Ihr Kommentar brachte mich zum Grinsen, denn natürlich war mir klar, dass uns nun beinahe alle Augenpaare durch die Cafeteria folgten. Zwei Schüler, die aus konkurrierenden Freundeskreisen stammen, auf einmal Händchen halten zu sehen, kann eben im Vergleich mit dem öden Schulalltag schon einmal eine kleine Sensation darstellen.

„Ich weiß. Das war Sinn der Sache", antwortete ich selbstbewusst und drehte mich wieder von ihr weg, als wir den Tisch ihrer Clique beinahe erreicht hatten. Mein Grinsen vertiefte sich noch etwas, denn ihre Blicke und Gesichtsausdrücke waren logischerweise noch ungläubiger und verwirrter als die der anderen Schüler, mit denen weder Claire, noch ich etwas zu tun hatten.

Passenderweise war noch die Bank an besagtem Tisch frei und dort konnten locker zwei Leute drauf Platz nehmen, also ließ ich mich weder von Claire, noch von den völlig verwirrten Blicken ihrer Freunde beirren, als ich mich einfach auf die Bank setzte und durchrutschte, sodass auch noch Claire neben mir Platz hatte. Ich merkte, wie sie mir einen hilflosen Blick zuwarf und zugegeben, die Situation war auch ein wenig fies, aber irgendwie war es doch ziemlich lustig.

„Was macht er an unserem Tisch, Claire?!", fragte das Mädchen, dessen Name ich zwar nicht kannte, sie aber als Claires beste Freundin identifiziert hatte.

„Ähm, ich, er... er ist...", begann Claire zu antworten, fand aber die richtige Formulierung nicht und brachte folglich keinen kompletten Satz heraus, also entschloss ich mich doch dazu, ihr etwas unter die Arme zu greifen.

„Ich bin ihr Freund", äußerte ich mich unverblümt und geradeheraus und musste sagen, dass mir die ganze Situation – also die vorgetäuschte Beziehung mit Claire und die damit zusammenhängende Situation jetzt gerade im Moment – noch viel mehr Spaß machte, als ich zu Beginn angenommen hatte. Allein bei einem Blick in die Gesichter von Claires Freunden musste ich wieder grinsen, Claire dagegen tat mir beinahe ein wenig leid, denn sie schien wirklich ein wenig besorgt darüber, was ihre Freunde nun denn denken oder sagen würden.

„WAS?", rief Claires beste Freundin plötzlich und mir wurde klar, dass sie doch alle noch viel geschockter waren, als ich gedacht hatte. „Claire, bitte sag mir, dass das nur ein schlechter Scherz und nicht die Wahrheit ist." Claire schien sich gerade jetzt ziemlich unwohl zu fühlen, das konnte ich daran sehen, wie unruhig sie sich verhielt, aber ehe ich irgendetwas sagen konnte, hatte sich noch eine von Claires Freundinnen geäußert, die ich auch nicht kannte.

„Claire! Stimmt das?", fragte ein Mädchen und Claire brachte ein ziemlich leises „Ja" heraus. Ein paar murmelten verwirrt, aber dann ergriff Claires Freundin ein weiteres Mal das Wort.

„Ich verstehe das einfach nicht. Du hast ihn doch immer gehasst, Claire." Nun war ich derjenige, der seinen Gesichtsausdruck dem von Claires Freunden anpasste. Verwirrt drehte ich mich zu ihr um. Hatte sie mich denn wirklich so abgrundtief gehasst, dass es für sie vollkommen abwegig war, positiv über mich zu denken? Wenn ja, dann wunderte es mich aber, dass sie letztendlich doch so bereitwillig meinem Vorschlag zugestimmt hatte.

„Ähm ja, stimmt", antwortete sie und bestätigte so meine Gedanken nur.

„Und woher kommt dann dieser plötzliche Sinneswandel?", fragte nun auch ein anderer Junge und ich konnte Claire ansehen, dass sie sich schon wieder mit einer Antwort abmühte – kein Wunder, wir hatten ja auch nicht darüber gesprochen, was genau wir erzählen wollten, also wollte ich sie aber auch nicht direkt unterbrechen.

„Naja, ich habe Jake früher wirklich nicht gemocht. Aber da kannte ich ihn noch nicht richtig." Damit hatte sie sogar recht, es konnte gut sein, dass ich auf Personen, die mich nicht kannten, ganz anders wirkte als auf die, die mir nahe standen. „Aber dann habe ich ihn auf Ians Party getroffen, als ich vor Max geflüchtet bin", fuhr sie fort. „Wir haben uns unterhalten... und heute vor der Schule wieder."

Ich musste zugeben, dass ihre Erklärung echt sehr gut war. Die Gesichter ihrer Freunde schienen nun auch nicht mehr misstrauisch, sondern eher überrascht und eigentlich davon überzeugt, dass Claire die Wahrheit sagte.

„Stimmt", pflichtete nun auch ich ihr bei und sah, wie sie mir einen erleichterten Blick zuwarf. „Irgendwie haben wir uns direkt total gut verstanden." Für einen kurzen Augenblick hielten wir unseren Blickkontakt und auch jetzt war ich mir wieder sicher, dass Claire und ich uns in der nächsten Zeit wirklich sehr gut amüsieren und verstehen würden, denn irgendwie schienen wir schon auf einer Wellenlänge zu sein.

PretendingWhere stories live. Discover now