Chapter 37

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Hinter – beziehungsweise nun vor – Jake und mir stand ein Pärchen, das etwas älter als wir sein musste und uns strahlend anlächelte. Die beiden umarmten erst Jake, dann gab der mir noch unbekannte Typ mir mit den Worten „Hi, ich bin Marco" die Hand und das Mädchen umarmte mich sogar, während sie mir ihren Namen nannte, der Taylor lautete. Ein wenig überrumpelt stand ich da und fragte mich, was gerade geschehen war, doch dann bemerkte das Mädchen – Taylor, wie ich nun ja wusste – meinen hoffentlich nur leicht überforderten Blick und lächelte mich freundlich an.

„Sorry, wir müssen dich vollkommen überrumpelt haben. Mein Freund", sie zeigte auf Marco, „ist Jakes Cousin und da du und Jake Händchen gehalten habt, war uns klar, dass du Claire sein musst." Immer noch ein wenig überrumpelt – wie Taylor es so passend ausgedrückt hatte – nickte ich und Marco ergriff das Wort.

„Das stimmt. Jake hat uns schon das ein oder andere Mal von dir erzählt." Verwundert blickte ich Jake an, der zu Boden starrte, aber dann redete Marco weiter und ich ließ meinen Blick wieder zu ihm wandern. „Aber im Übrigen bin ich nicht nur Taylors Freund, sondern ihr Verlobter."

„Stimmt", antwortete seine Verlobte ihm und Marco gab ihr einen Kuss auf die Haare. Auch wenn ich die beiden vielleicht gerade erst eine Minute lang kannte, war mir klar, dass sie sich wirklich total liebten. Das lag nicht nur daran, dass sie offensichtlich verlobt waren oder Marco Taylor geküsst hatte, sondern eher daran, wie sie sich verhielten. Sie erschienen mir wie ein total eingespieltes Team, das sich schon ewig kannte und sich perfekt zu kennen schien. Bewegte sich der eine, schien sich auch der andere ein wenig mitzubewegen, allerdings glaubte ich nicht, dass dies den beiden aufgefallen war. Sie waren einfach zwei Verliebte, die sich gefunden hatten.

Wir unterhielten uns noch ein wenig mit den beiden, aber dann wollte Jake erst einmal kurz zu seinen Eltern, um diese zu begrüßen, und ich ging natürlich mit ihm. Außerdem mochte ich Jakes Eltern sowieso und da sie die Einzigen waren, die ich – von Jake natürlich abgesehen – kannte, begrüßte ich sie sehr gerne. Mal ganz abgesehen davon, dass Jake und ich ohne Jakes Mutter Amber nicht auf dieser Familienfeier wären.

„Es hat echt viel Stress in meiner Familie gegeben, als Marco und Taylor sich verlobt haben", erzählte Jake mir auf dem Weg zu seinen Eltern. „Sowohl Marcos, als auch Taylors Eltern fanden die beiden zu jung, um schon zu heiraten, aber andererseits kennen die beiden sich schon seit der ersten Klasse und wissen genau, auf wen sie sich da einlassen." Ich nickte. Vorstellen, dass ihre Verlobung für Gesprächsstoff gesorgt hatte, konnte ich mir echt gut, aber andererseits war es auch ihre Entscheidung.

„Jake, Claire, da seid ihr ja!" Bei diesem erfreuten Ausruf von Jakes Mutter Amber drehten einige der anderen Gäste ihren Kopf zu uns und ich merkte, wie mich einige neugierig musterten. Um mich davon aber nicht irritieren oder verunsichern zu lassen, konzentrierte ich mich einfach auf Amber und erwiderte ihr Lächeln, als diese mich wie total selbstverständlich umarmte. Auch Jakes Vater begrüßte mich mit einem überschwänglichen Händedruck und durch die beiden, die mich offenbar schon total akzeptiert hatten, fühlte ich mich direkt noch willkommener und wohler.

„Darf ich dir meine Großmutter Elise vorstellen?", sagte Jake dann und wies auf eine elegant aussehende ältere Dame, die mich schon gemustert hatte. „Oma, das ist meine Freundin Claire."

„Hallo Claire", sagte Jakes Großmutter an mich gewandt und ich schüttelte auch ihre Hand. „Wie gefällt es dir denn bisher hier?" Auch wenn Jakes Oma auf den ersten Blick hin ziemlich streng gewirkt hatte, schien sie total locker zu sein, also fiel es mir auch nicht schwer, direkt zu antworten.

„Total gut. Das Haus und der dekorierte Garten hier mit den Zelten sehen total schön aus und ich freue mich wirklich, Jakes Familie kennen zu lernen."

„Und wir freuen uns, das Mädchen kennen zu lernen, dass unserem Jake das Herz gestohlen hat." Ich lächelte und hätte schwören können, dass Jake verlegen zu Boden schaute. Verdammt, war er gut im Schauspielern. Wüsste ich es nicht besser, hätte man glatt denken können, Jake und ich seien wirklich ein Paar.

Auch mit Jakes Großmutter unterhielten wir uns noch ein wenig, aber dann führte Jake mich weiter herum, beziehungsweise wollte selbst noch ein paar der anderen Gäste besuchen. Es stellte sich nämlich heraus, dass Jake die meisten solcher Familientreffen „schwänzte" – wie sein Onkel, der Gastgeber, es formulierte – und viele der Anwesenden echt lange nicht mehr gesehen hatte. Und ich musste zugeben, dass es ein angenehmes Gefühl war, zu wissen, dass Jake auch nur wegen mir auf dieser Feier war.

Auch wenn die meisten, denen Jake mich vorstellte, mich direkt akzeptierten und sich freuten, dass Jake mich als seine Freundin mitgebracht hatte, musterten mich einige natürlich auch kritisch und kamen dann zu irgendeinem Urteil, aber da es nur wenige solcher beurteilenden Personen auf dieser Feier gab, scherte ich mich kaum darum. Was wichtig war, war, dass Jake und die ihm nahestehenden Personen mich akzeptierten und mochten, ich konnte es nun mal nicht jedem recht machen.

Nach einiger Zeit entschied Jake sich dazu, uns etwas zu essen zu holen und bestand darauf, auch mir einen Teller mitzubringen, während ich mich schon zu Marco und Taylor setzen sollte. Die beiden hatten sowohl Jake als auch mich schon auf sich aufmerksam gemacht und uns zu verstehen gegeben, dass wir uns zu ihnen setzen sollen, sie aßen nämlich auch gerade.

„Jake holt euch etwas zu essen?", fragte Taylor, als ich mich ohne meinen Fake-Freund zu ihnen setzte.

„Ja." Ich zuckte mit den Schultern, musste aber leicht lächeln. „Er hat darauf bestanden, dass er mir einen Teller zusammenstellt." Bei meinen Worten blickten Marco und Taylor sich vielsagend an, während ich verwirrt von einem zum anderen sah. „Was?"

„Nichts", meinte Marco, „es ist nur, dass viele aus der Familie – darunter auch mein Onkel – schon häufiger gesagt haben, Jake müsse nur die richtige Freundin finden, die den Gentleman in ihm weckt."

„Oh." Das war alles, was ich dazu auf Anhieb sagen konnte und ich war froh, dass Jake zurückkam, bevor die Stille zwischen Jakes Cousin, seiner Verlobten und mir noch unangenehm werden konnte.

„Et voilà", sagte Jake, während er sich neben mich auf die Bank setzte und einen echt fantastischen Teller vor mir abstellte. „Du liebst Nudeln doch so und es gab doch ein Nudelgericht."

„Wow", hauchte ich und sah von meinem Teller zu Jake. Dieser hatte mir einen Teller mit grünen Bandnudeln, Lachs und einer Soße, die nach dem Farbton zufolge Safran beinhaltete, gebracht und ich konnte nicht anders, als ihn anzustarren. „Danke."

„Gerne doch", antwortete er mit seinem schiefen Lächeln und wandte sich dann seinem Teller zu. Ich konnte gar nicht anders, als ihn noch kurz von der Seite anzustarren, dann nahm auch ich den ersten Bissen von meinem Teller. Ich hatte recht gehabt, es handelte sich tatsächlich um eine Safran-Sahne-Soße, die wirklich köstlich schmeckte.

Ich war immer noch ein wenig geflasht, wie süß Jake denn sein konnte; wie süß der Jake sein konnte, den ich vor einiger Zeit noch so wenig gemocht hatte.

PretendingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt