Chapter 5

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Als wir nebeneinander den Weg zur Cafeteria gingen, sprach keiner von uns ein Wort, aber irgendwie war das Schweigen nicht unangenehm. Es erinnerte mich in irgendeiner komischen Weise daran, wie David, Jo und ich früher manchmal auf einer Picknickdecke einfach nur nebeneinander gesessen oder gelegen hatten. Jeder hatte dann immer seinen Gedanken nachgehangen und einfach die Gesellschaft der anderen genossen.

Dass ich gerade jetzt an diese Erinnerungen denken musste, verwunderte mich ein wenig, da ich Jake definitiv nicht als einen Freund bezeichnen konnte. Er war... tja, was war er überhaupt? Es gab keine offizielle Bezeichnung für Typen, die du nie mochtest, dann beim Verstecken im Schrank triffst und die dich dann bitten, ihre Fake-Freundin zu sein, woraufhin du zustimmst.

Wie war ich da nur hineingeraten? Je näher wir der Cafeteria kamen, desto mehr fragte ich mich, was Jake denn jetzt vorhatte und warf ihm einen Seitenblick zu, konnte aber aus seinem Gesichtsausdruck nichts hinaus lesen. Ich blickte in ein vollkommen emotionsloses Gesicht und für einen kurzen Moment frage ich mich, wo der Jake war, der vor der Schule und vor dem Matheraum auf mich gewartet hatte.

Aber andererseits... wer war ich, dass ich hinterfragte, was Jakes wirkliche Persönlichkeit war? Ich kannte ihn doch gar nicht und sollte mir ganz bestimmt nichts auf die paar Male einbilden, in denen Jake sich wie jemand verhalten hatte, den ich mögen konnte.

„Claire, alles okay? Du starrst mich an." Jakes Stimme riss mich wieder aus meinen Gedanken und ich bemerkte, dass ich ihn wirklich anstarrte. Das war zwar peinlich, aber auf den Mund gefallen war ich auch noch fast nie.

„Ich hab nur versucht, herauszufinden, was du jetzt vorhast. Du hast ja nichts gesagt."

„Ahja. Ich dachte, das wäre ziemlich offensichtlich. Ich tue so, als wäre ich dein Freund, du tust so, als wärst du meine Freundin." Er zog eine seiner Augenbrauen hoch - eine Geste, die mich eigentlich schon so oft an ihm genervt hatte.

„Ich bin keins von diesen dummen Mädchen, die auf der Stelle alles für dich tun würden, Jake Stewart", sage ich beinahe bissig, während ich bemerkte, dass wir mittlerweile an der Tür zur Cafeteria angekommen waren, aber noch davor standen.

„Ich weiß." Kurz erwartete ich, dass Jake noch irgendetwas sagte, weil sein Satz irgendwie so unvollständig wirkte, aber er sagte nichts mehr. Aus irgendeinem Grund brachte mich sein Schweigen jetzt doch so auf die Palme, dass ich kurz davor war, einfach ohne ihn in die Cafeteria zu meinen Freunden zu stürmen, um ihnen alles zu erzählen.

Aber irgendetwas hielt mich davon ab, auch wenn ich mir nicht sicher war was. Vielleicht war es das, was er mit seinem Ich weiß eigentlich hatte ausdrücken wollen, vielleicht auch nicht. Ich wusste es wirklich nicht, aber aus irgendeinem Grund starrten der Typ, den ich eigentlich nicht mochte, und ich uns immer noch an.

Als mir bewusst wurde, was ich da tat, brach ich den Blickkontakt und blickte wieder zur Cafeteriatür hinüber. Diesmal folgte Jakes Blick meinem.

„Ich denke, wir müssen deinen und meinen Freunden sagen, dass wir zusammen sind." Bei den Worten zusammen sind sah er mich an und ich wusste, was er dachte. Irgendwie mussten wir es schaffen, sie zu überzeugen, aber das würde schwer werden.

„Du redest", sagte ich und grinste. Jake sah mich zwar kurz ungläubig an, aber dann verzog sich auch sein Mund wieder zu einem Grinsen.

„Okay", meinte er und stieß damit ohne Vorwarnung die Tür auf. Ehe ich mich darüber empören konnte, hatte er schon nach meiner Hand gegriffen und zog mich in die vollbesetzte Cafeteria. Unter den überraschten Blicken der Schüler fühlte ich mich schon ein wenig unbehaglich, aber ich hatte ja auch keine Wahl gehabt.

Ohne arrogant klingen zu wollen, war mir klar, dass die meisten seine und meine Clique kannten und auch bewunderten, aber die Kombination aus dem eigentlichen Badboy Jake Stewart und mir, Claire Howard, schien sie wohl alle zu faszinieren.

„Sie starren uns alle an", raunte ich Jake zu und er drehte sich kurz zu mir um.

„Ich weiß. Das war Sinn der Sache", sagte er und schaute dann wieder nach vorn, während er sein typisches Grinsen aufsetzte. Als auch ich wieder an ihm vorbei nach vorne blickte, merkte ich, dass Jake auf den Tisch mit meinen Freunden zusteuerte, die alle aussahen, als hätten sie einen Geist gesehen.

Jo beispielsweise hielt ihre Gabel in der Hand und sah so aus, als hätte sie kurz davor inne gehalten, ehe sie sich das Stück Kuchen in den Mund schieben konnte. Besagtes Stück war übrigens, ohne dass sie es gemerkt hatte, von ihrer Gabel gerutscht und lag nun auf dem Tisch. Es war ein echt lustiger Anblick.

Jake setzte sich - ohne etwas zu meinen Freunden zu sagen - auf einen der zwei freien Plätze auf der Bank und da er immer noch meine Hand hielt, blieb mir gar nichts anderes übrig, als mich auf den Platz neben ihm zu setzen. Der Rest der Cafeteria hatte mittlerweile wieder zu essen begonnen, aber meine Clique starrte immer noch abwechselnd Jake und mich an.

Hilflos blickte ich zu Jake, der aber nichts sagte und einfach sehr zufrieden mit sich selbst wirkte. Anscheinend waren diese Reaktionen genau das, was er sich erhofft hatte. Fassungslos überlegte ich krampfhaft, was ich sagen konnte, um meinen Freunden diese verrückte Situation zu erklären, doch mir wollte beim besten Willen nichts einfallen.

„Was macht er an unserem Tisch, Claire?!", frage Jo auf einmal und alle Köpfe wandten sich ihr zu.

Auffordernd sah ich Jake an, doch der grinste mich nur süffisant und schief an, sagte jedoch nichts. Warum genau hatte ich noch einmal zugestimmt? Ich musste irgendwie verrückt gewesen sein.

„Ähm, ich, er... er ist", stammelte ich total hilflos, während ich Jake unter dem Tisch gegen das Schienbein trat. Für einen kurzen Moment zuckte er zusammen und sah mich erstaunt an, doch dann wandte er sich wieder meinen starrenden Freunden zu und ergriff endlich einmal das Wort.

„Ich bin ihr Freund." Irgendwie war es komisch, ihn das sagen zu hören. Ich meine, klar, ich hatte sein Angebot angenommen, aber trotzdem war die Situation seltsam.

„WAS?", empörte sich Jo plötzlich. „Claire, bitte sag mir, dass das nur ein schlechter Scherz und nicht die Wahrheit ist."

PretendingWhere stories live. Discover now