Chapter 6

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Unruhig rutschte ich auf meinem Platz neben Jake - meinem Freund - hin und her, während er mich musterte. Ich war mir nicht sicher, wieso, vielleicht verhielt ich mich einfach nicht so, wie ich es seiner Meinung nach sollte. Dann würde ich nur gerne wissen, wie man sich verhielt, wenn man seinen Freunden einen Typen als festen (Fake-)Freund vorstellte, den man eigentlich nicht mochte.

„Claire! Stimmt das?", fragte nun auch Ians Freundin Sarah beinahe entrüstet und ich versuchte, irgendwie in meinem Sitz zu versinken.

„Ja", murmelte ich ziemlich leise, aber da alle total stumm auf meine Antwort gewartet hatten, hörten sie es trotzdem alle.

„Oh mein Gott", stieß Lauren aus und auch die Jungs an unserem Tisch, die die ganze Zeit über noch nichts gesagt hatten, warfen sich jetzt verwirrte Blicke zu und sahen zu Jake hinüber.

„Ich verstehe das einfach nicht", meinte Jo und aus ihrer Stimme konnte ich heraushören, wie fassungslos sie war. Ich konnte es ihr nicht verdenken. „Du hast ihn doch immer gehasst, Claire."

Jake sah mich erstaunt an und ich erwiderte seinen Blick. Es musste ihm doch klar gewesen sein, dass ich ihn nicht wirklich mochte. Abgesehen davon, dass er Mitglied der verfeindeten Clique war, hatte ich nie mit ihm gesprochen und wenn er im Unterricht etwas Arrogantes gesagt hatte, hatte ich mich immer abfällig über ihn geäußert.

„Ähm ja", sagte ich. „Stimmt."

„Und woher kommt dann dieser plötzliche Sinneswandel?", fragte jetzt auch Marc, der natürlich neben Jo saß. Während ich mich schon wieder - oder vielleicht auch immer noch - darüber ärgerte, dass Jake mich so ins kalte Wasser warf, suchte ich verzweifelt nach einer Erklärung, nach irgendetwas das rechtfertigte, warum Jake hier an diesem Tisch saß.

„Naja", begann ich um Zeit zu schinden, „ich habe Jake früher wirklich nicht gemocht. Aber da kannte ich ihn noch nicht richtig." Ich überlegte, dass ich am besten nicht irgendetwas erfand, da Jo immer wusste, wann ich log, aber ich konnte die Wahrheit ja lediglich etwas verdrehen. „Aber dann habe ich ihn auf Ians Party getroffen, als ich vor Max geflüchtet bin", fuhr ich fort. „Wir haben uns unterhalten... und heute vor der Schule auch wieder."

„Stimmt", pflichtete mir jetzt auch endlich Jake bei. „Irgendwie haben wir uns direkt total gut verstanden", sagte er in einem total normalen, überhaupt nicht arroganten Ton und sah mich an. Ich erwiderte seinen Blick und für einen kurzen Moment konnte ich in seinen Augen - die übrigens einen hübschen Grünton besaßen, das musste selbst ich zugeben - den Jake erkennen, der mir ein wenig sympathisch war.

„Wow", sagte David leise und auch Ian meldete sich mit „Das hätte ich nie erwartet" zu Wort. Ich genoss es, dass ich nicht mehr so erwartungsvoll wie vorhin angeschaut wurde und biss in mein Sandwich. Jetzt, wo ich einmal angefangen hatte zu essen, merkte ich erst, wie hungrig ich eigentlich war. Meinem Beispiel folgend griff auch Jake nach seinem Essen und es kehrte wenigstens etwas Normalität wieder ein, da sich nun ein paar Blicke von uns abwandten.

Die Jungs wussten sowieso nicht, was sie zu der ganzen Szenerie mit mir und Jake sagen sollten und auch Lauren und Sarah fingen wieder an, sich miteinander zu unterhalten. Nur Jo starrte mich immer noch mit purem Unglauben im Blick an und mir war klar, dass ich ihr später Rede und Antwort stehen müsste. Hoffentlich hatte ich vorher noch eine Chance, mit Jake allein zu reden, wenn er denn überhaupt einen Plan hatte, wie wir das alles durchziehen sollten.

Mit meinen Gedanken bei dem, was ich mir durch mein Ich mach's heute Morgen vor der Schule eingebrockt hatte, merkte ich erst ziemlich spät, dass Jake mich anstarrte, während ich den letzten Bissen von meinem leckeren Sandwich nahm.

„Was?", fragte ich ihn und sah aus dem Augenwinkel, wie sich Jos Kopf direkt in unsere Richtung drehte.

„Nichts." So leicht konnte er mich nun wirklich nicht hinters Licht führen.

„Nichts? Du hast mich also wegen nichts angestarrt, Jake Stewart?" Ich zog meine Augenbrauen hoch und bekam ein schiefes Grinsen im Gegenzug.

„Ich habe noch nie ein Mädchen so schnell essen sehen, wie dich, Claire Howard." Ich grinste. Irgendwie fand ich es lustig, dass wir uns beim vollen Namen nannten und selbst die Tatsache, dass ich laut ihm sehr schnell aß, war mir egal.

„Ach. Ich hatte halt Hunger." Ich zuckte mit den Schultern. Fast jedes andere Mädchen an meiner Stelle hätte sich jetzt Gedanken darüber gemacht, ob es schlimm war, schnell zu essen und ob Jake das vielleicht schlimm fand, aber mich interessierte es schlicht und einfach gar nicht. Und außerdem hatte ich überhaupt keinen Grund, zu wollen, dass der Typ neben mir mich mochte, wo er mir doch meist sowieso nur auf die Nerven ging.

Ehe Jake noch irgendetwas sagen konnte - falls er es denn vorgehabt hatte - klingelte es zur nächsten Stunde. Ich hatte jetzt Englisch, zwar nur mit Ian zusammen, aber Jake musste in dieselbe Richtung und begleitete uns deshalb. Es war etwas seltsam, mit den beiden zusammen zum Unterricht zu gehen, da ich mich sonst mit Ian immer gut unterhielt und die Stimmung jetzt, da Ian von Jake und mir wusste, nicht mehr so unbeschwert war.

Als Ian und ich an unserem Klassenraum angekommen waren, verabschiedete sich Jake wie vor der ersten Stunde mit einem „Bis gleich" von mir, weswegen ich mir sicher war, dass er mich nach dem Unterricht wieder abholen würde. Er nickte sogar Ian freundlich zu, der ein wenig perplex zurück starrte, aber da hatte Jake sich schon umgedreht und war in Richtung seines Klassenraums verschwunden.

Ian sah mich an, wie ich Jakes kleiner werdenden Gestalt nachdenklich mit den Augen folgte, und zog die Augenbrauen hoch. Ich erwiderte seinen Blick und zuckte nur mit den Schultern. Es wunderte mich ehrlich gesagt auch, dass Jake sich so normal und freundlich verhalten konnte - nicht, dass ich daran etwas auszusetzen hatte. Als Ian grinste, grinste auch ich und gemeinsam betraten wir den Klassenraum, in dem wir jetzt Englischunterricht hatten.    

PretendingWhere stories live. Discover now