Chapter 20

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Als ich dann einmal im Haus war, sah ich mich neugierig um. Der weitläufige Flur, in dem wir nun standen, wirkte durch die Kombination aus weißen und hellorangen Wänden total freundlich und hell und auch der große Spiegel und die paar Bilder, die die Wände zierten, passten perfekt zu dieser Farbkombination.

Ich wollte mich wieder Jake zuwenden und ihm sagen, wie schön ich das Haus fand, aber mir fiel auf, dass er bereits hinter mir stand und mir meine Jacke abnehmen wollte. Es wunderte mich zwar ein wenig, dass er so zuvorkommend sein konnte, aber es gefiel mir.

„Komm", sagte er und wies zum anderen Ende des Flurs. „Meine Eltern sind bestimmt in der Küche." Ich folgte ihm den Gang hinunter und warf am Ende des Flurs noch einen Blick in den Spiegel, um sicherzugehen, dass meine Haare nicht irgendwie total unordentlich aussahen. Normalerweise war es mir egal, wenn meine Haare mal nicht perfekt saßen, aber die Nervosität, die beim Betrachten des Flurs ein wenig abgeklungen war, hatte mich doch wieder eingeholt. So wie Jake es bei meiner Mutter getan hatte, wollte auch ich einen guten Eindruck bei Jakes Eltern hinterlassen.

„Hi Mum", sagte Jake, als er die Tür am Ende des Flurs geöffnet hatte und riss mich somit wieder in die Gegenwart zurück. Jakes Mutter stand gerade am Herd einer sehr modernen Küchenzeile und rührte in einem Topf, drehte sich aber zu uns um, als sie Jakes Begrüßung hörte. Sie lächelte ihn an, aber sah dann eher verwirrt aus, als sie mich neben ihm stehen sah. Ihr Blick huschte fragend zu Jake zurück, der nach meiner Hand griff und mich mit ihm in die Küche hineinzog, sodass wir nicht mehr in der offenen Tür standen.

„Mum, das ist meine Freundin Claire." Überrascht zog Jakes Mutter die Augenbrauen hoch und sah wieder mich an. Ich starrte unsicher zurück, ehe ich mich räusperte und ihr die Hand entgegen streckte.

„Hallo, freut mich, Sie kennenzulernen." Jakes Mutter erwachte aus ihrer Starre, begann zu lächeln und schüttelte meine ausgestreckte Hand.

„Ach, ich bin Amber, du kannst mich gerne duzen. Und es freut mich, dich kennenzulernen. Jake muss dich echt gernhaben, wenn er dich mir vorstellt. Normalerweise ist er eher ein Geheimniskrämer."

„Mum!", rief Jake vorwurfsvoll und empört aus, aber genau wie ich musste er bei dem Kommentar seiner Mutter grinsen. Es war echt interessant mehr über Jake zu erfahren, je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, desto mehr hatte ich das Gefühl, den wahren, echten Jake kennenzulernen.

Der, der nicht als einer der arroganten Typen der Schule gilt, der Star Wars Filme liebt und seiner Fake-Freundin total zuvorkommend die Jacke abnimmt, um sie aufzuhängen. Es war wirklich fast, als würde mir eine ganz andere Person gegenüberstehen und ich fragte mich, ob es allen so ging, die Jake in sein Leben ließ. Oder kannten ihn überhaupt nicht viele so gut, wie ich es nach den paar Tagen schon tat?

„Wo ist Dad denn?", fragte Jake schließlich seine Mutter und mir fiel ein, dass Jake ja gemeint hatte, beide seiner Eltern seien zuhause.

„Oben in seinem Büro. Er wollte aber gleich sowieso zum Essen herunter kommen, dann kannst du ihm Claire ja vorstellen. Ihr esst doch mit, oder?"

„Ja", meinte Jake und warf mir einen fragenden Blick zu, um sicherzugehen, dass das für mich denn okay war. Ich nickte. Nach der positiven Reaktion von Jakes Mutter darauf, dass ich Jakes Freundin war, war meine Unsicherheit total verschwunden und ich fühlte mich wieder einigermaßen selbstsicher.

„Komm, ich zeig dir mein Zimmer", fügte Jake noch hinzu. „Bis gleich, Mum."

„Bis gleich, ich rufe euch dann zum Essen."

Genau wie mein Zimmer lag auch das von Jake im ersten Stock. Ich war ein wenig erstaunt, als wir es betraten, da es ziemlich ordentlich aussah. Die Zimmer, die ich von David, Marc oder Ian kannte, waren meist total unordentlich und unübersichtlich, aber Jakes gar nicht. Selbst eine Jacke, die Jake wohl einmal achtlos über sein Sofa geworfen hatte, sah so aus, als gehörte sie dort einfach hin. Das Dunkelblau des Sofas ergänzte sich außerdem perfekt mit der einen dunkelblauen Wand, vor der der Schreibtisch stand.

„Claire?", fragte Jake mich und wenn ich es nicht besser wissen würde, hätte ich gesagt, dass er ein wenig verunsichert klang. Ich sah ihn an und grinste.

„Ich habe mich nur ein bisschen gewundert, dass dein Zimmer so ordentlich ist und alles so gut zusammen passt."

„Wieso wundert dich das? Dein Zimmer ist doch auch so." Er zuckte mit den Schultern.

„Es ist nur, dass das Zimmer von zum Beispiel David einfach nicht ohne eine Portion Unordnung existiert." Er grinste.

„Achso, das meinst du. Ja, Tylers Zimmer ist auch nicht so ordentlich wie meins." Er ließ sich aufs Sofa fallen und bedeutete mir, dasselbe zu tun. Ohne uns wirklich anstrengen zu müssen, begannen wir sofort, uns angeregt zu unterhalten und grinsten, als wir einmal genau dasselbe zur selben Zeit sagten.

„Jake, Claire! Das Essen ist fertig!" Beide standen wir auf und Jake ließ mir den Vortritt, die Treppe hinunter zu gehen. Die Tür zum Esszimmer stand schon offen, also wusste ich, wo Jake und ich hin mussten, blieb aber am Türrahmen kurz stehen, um gemeinsam mit Jake eintreten zu können.

Jakes Mutter Amber lächelte uns beide an und auch Jakes Vater, den ich noch nicht kannte, sah uns freundlich entgegen. Er saß neben Amber am Tisch und obwohl er logischerweise viel älter als Jake war, war die Ähnlichkeit zwischen ihnen echt unverkennbar. Er hatte das gleiche, rabenschwarze Haar und dieselben Gesichtszüge. Nur seine Augen schien Jake von seiner Mutter zu haben, da mich aus dem Gesicht von Jakes Vater zwei strahlend blaue Augen anblickten, die von Jake aber eher grün-bräunlich gefärbt waren.

„Hallo Claire", sagte Jakes Vater. Meinen Namen hatte ihm wahrscheinlich schon Jakes Mutter verraten, deswegen wunderte es mich nicht, dass er mich damit ansprach. „Ich bin Brad. Freut mich, dich kennenzulernen."

„Danke gleichfalls", sagte ich und lächelte.

„Ich hoffe, du magst Spaghetti Carbonara?", fragte Amber, als Jake und ich uns gesetzt hatten und ich nickte.

„Total. Ich mag eigentlich alles, was mit Nudeln zu tun hat." Jake und seine Eltern lachten und auch ich lächelte. Allerdings nicht wegen dem, was ich gesagt hatte, sondern einfach, weil Jakes Eltern total nett waren und sich richtig zu freuen schienen, mich kennenzulernen. Und auch wenn ich nicht genau wusste, wieso, machte mich das irgendwie glücklich.

PretendingWhere stories live. Discover now