|∆|Kapitel 39|∆|

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Am Ende des Filmes war es bereits 18 Uhr und ich wollte nichts mehr als nach Hause und meine Ruhe haben, da mich diese ganze Aufregung stresste und gedanklich fertig machte.
Den am Ende  war auch ich nur ein Mensch der sich  unter all den Mauern vor der Realität und der Enttäuschung versteckte. Ein Mensch, der verletzt wird und weiter verletzt werden kann.

Mit dem Handrücken wischte ich den Rest der beim Film vergossenen Tränen weg und schaute wieder zu Cameron, der auf dem Sessel neben mir eingeschlafen war.
Von einem Stapel Decken holte ich eine blaue Kuscheldecke und deckte ihn sachte zu.
Er sah aus wie ein kleines friedlich schlafendes Kind.

Da es jetzt sinnlos wäre ihn zu wecken ging ich einfach hoch. Zog meine Schuhe an und wollte gerade nach meinem Rucksack greifen, um ihn auf den Rücken zu packen, als die Stimme Cameron's Mutter in meinen Ohren erklang.  "Warte Zoe", sagte sie besorgt und kam auf mich zu gelaufen: "Schätzchen, soll ich dich fahren?"    "Danke für das Angebot, aber ich glaube frische Luft würde mir ganz gut tun.", lehnte ich ihr Angebot höflich ab.  "Okey, aber pass auf dich auf."    "Mach ich. Auf wiedersehen Misses Sander, und Cameron schläft unten, ich wollte ihn nicht wecken.", verabschiedete ich mich und machte sie darauf aufmerksam.  " Danke, dass du mir das gesagt hast, komm gut heim."

Der Weg nach Hause war glücklicherweise ohne irgendeinen Vorfall geschehen, also saß ich jetzt gerade zu Hause in meinem Zimmer, hörte leise Musik und las eines meiner vielen Bücher. Und so beendete ich dann auch den Abend.
Und den nächsten Tag verbrachte ich ebenfalls so und den nächsten auch.
Bis Samstag war das meine tägliche Routine.
Lesen, Essen und ab und zu trainieren.
Schule stand eigentlich auch noch an, jedoch ging ich einfach nicht hin. Ich wollte nicht diese ganzen sinnlosen Fratzen sehen und hatte auch nicht besonders Lust mich mit Jayden oder sonst wem auseinander  setzten zu müssen.
Meine Noten würden eh nicht daran scheitern, wenn ich dieses Gebäude namens Schule nicht betrete, da ich ja genug freie Zeit hatte und ganz vorbildlich mir den durchgenommenen Stoff auch mal ein bisschen anschaute.

Also war heute Samstag.
In einer Woche kommt mein Dad wieder von seiner Geschäftsreise zurück und meine körperlichen Qualen werden wieder auf ein neues beginnen.

Es fiel mir gerade besonders auf, da ich vorhin geduscht  hatte und jetzt vor dem Spiegel im Bad stand und meine verheilten Verletzungen betrachtete.
Meine Narben waren teils so tief, dass sie nicht gut aussahen. Nicht, dass Narben besonders esthetisch sind, doch erzählen sie eine Geschichte, bei manchen eine interessante Story, bei manchen aber auch von qualvolle Zeiten oder von Selbstzweifeln und Unzufriedenheiten.
Meine waren eher Brandmale von qualvollen Zeiten.

Die Klingel ertönte in ihrem typischen Ding Geräusch und brachte mich aus meinen Gedanken zurück. Also schnappte ich mir ein Handtuch, band es mir um den Körper und lief die Treppe runter zur Eingangstür.
Doch als ich sie öffnete schlug ich sie sofort wieder zu. Was wollte er nur hier? Und wieso?
Meine Atmung ging schneller als normal, doch lies ich mich nicht beirren. Sollte ich ihn jetzt rein lassen oder..? Und ehe ich diesen Gedanken fertig gedacht hatte griff meine Hand nach der Türklinke. Meine Finger umschlossen das kühle Metall und drückten es nach unten.

Die Tür öffnete sich langsam, doch lag das eher an mir und meiner Überforderung. "Zoe", ach wie ich es hasse, dass mich jeder immer mit diesem fliehenden Zoe  anspricht. Es ist mein Name, ja, aber es nervt.

"Was gibt's?", der Versuch kalt und abweisend zu klingen funktionierte nicht ganz so, wie gewollt, doch lies ich mich nicht an dieser Kleinigkeit aufhängen.
"Kann ich bitte reinkommen?", seine Stimme klang so herzlich und flehend und ganz anders als da, wo wir uns das letzte mal sahen.
" Mhh."
Ich schritt ein Stück zur Seite, sodass er sich an mir vorbei schlängeln konnte.

Jetzt standen wir beide dumm im Flur herum, er ganz cool in Jeans und Lederjacke und ich immernoch nur mit einem rosanen Handtuch um den Körper gewickelt.
"Ich komm gleich wieder.", sagte ich und verschwand nach oben.

Schnell schnappte ich mir die nächst besten Sachen, was aus einer schwarzen Jogginghose und einem dunkelgrauen T-Shirt bestand, zog es über die Unterwäsche und lief wieder nach unten.

Und schon stand ich wieder im Erdgeschoss, doch der Eingangsbereich war leer.
Ich suchte nach ihm und fand ihn ziemlich schnell wieder im Wohnzimmer vor den vielen Bildern an der Wand.

"Wo sind die Bilder von mir?", fragte er mich mit einem traurigen Gesichtsausdruck und Unterton in der Stimme. "Dad hat die Bilderrahmen auf den Boden geschmissen und gesagt, dass du hier nicht zu sehen sein darfst. Ich habe die Bilder aus den kaputten Rahmen entfernt und sie in einer  Kiste in dein altes Zimmer gestellt.", versuchte ich monoton von mir zu geben, doch bestand eine gewisse Trauer in jedem ausgesprochenen Wort. Er nickte nur verständlich.

"Gibt es mein altes Zimmer noch?"

Ich nickte. "Dad wollte auch dort alles klein schlagen, aber ich hatte das Zimmer zu gesperrt und den Schlüssel versteckt und da er die Tür nicht zerstörten wollte wurde es verschont." Den dann war ich halt der Boxsack  um die Wut auszulassen, hängte ich in Gedanken an den Satz an.

Wir standen noch eine Weile schweigend, jeder in den eigenen Gedanken da, ehe ich einfach zu seinem alten Zimmer lief und er mir folgte.
Es war am anderen Ende des zweiten Stocks. Mom hatte früher immer gemeint, dass das so ist, damit wir später im Teenager Alter uns nicht so auf die Nerven gehen und jeder seine eigene Seite und somit auch etwas Freiraum hat.

In meinem Zimmer, in der Schreibtischschublade in einer kleinen pinken Box, hatte ich den Schlüssel aufbewahrt und nur früher ab und zu mal rausgeholt, doch mit der Zeit eher die Box und auch die Schublade gemieden.

Der Schlüssel lies sich einfach in das Schloss stecken und auch einfach aufschließen.
Kleine Schweißperlen der Anspannung bildeten sich auf meiner Stirn und ich stieß die Tür auf.
Es war alles wie früher.

Eric schlängelte sich an mir vorbei und hatte schon die Kiste mit den Bilder geöffnet, sich seine alten Sachen angeschaut, sich aufs Bett gesetzt.
Er wirkte wieder so jung, so glücklich und irgendwie  erinnerte er mich   an früher, an die Zeit, wo noch alles okey war...


The girl behind the maskWhere stories live. Discover now