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„Weißt du was unfair ist?", fragte ich und leckte an dem Eis was mir Mario vorhin gekauft hatte. Er blickte mich fragend an und runzelte mit der Stirn. Gerade liefen Mario und ich Hand in Hand durch die Stadt und redeten über Gott und die Welt.

„Ich weiß fast gar nichts über dich. Wo du wohnst, ob du Geschwister hast und so weiter.", sagte ich und blieb stehen. Er blieb ebenfalls stehen und blickte zu mir runter.

„Ist das denn so relevant?", fragte er seufzend und schmollte leicht. Ich lachte leicht auf und nickte mit dem Kopf.

„Ich würde gerne meinen Freund besser kennenlernen.", sagte ich und sah ihn mit großen Augen an. Erst überlegte er stark bevor er dann ergebend nickte.

„Na, gut. Komm mit.", sagte er und zog mich wieder zurück in seine Arme. Dann liefen wir zusammen zu seinem Motorrad, den er irgendwo geparkt hatte.

„Kannst du es kurz halten?", fragte ich Mario und gab ihm mein Essen. Währenddessen zog ich mir den Helm über den Kopf. Als ich sah dass Mario daran leckte, sah ich ihn geschockt an.

„Hey, es ist mein Eis.", sagte ich und versuchte es wieder aus seiner Hand zu nehmen. Er zog es aber lachend weg und biss genüsslich darein. Dann hatte er überall am Mund herum Eis, was mich zum Lachen brachte.

„So wie ein kleines Kind.", sagte ich lachend und ging mit meinem Daumen über die Stellen wo er Eisflecken hatte. Dabei blickte mich Mario schief grinsend an und legte seinen Arm um meine Hüfte. Während er mir dann auf die Wange küsste, nahm ich mein Eis wieder in die Hand und aß es fertig.

„Wohin bringst du mich eigentlich?", fragte ich während er mir hilf auf sein Motorrad zu steigen.

„Das wirst du dann schon sehen.", sagte er und stieg selber ein. Dann setzte er sich seinen Helm auf und fuhr davon. Als er plötzlich richtig Gas gab, umarmte ich ihn fester von hinten und legte meinen Kopf seitlich auf seine Brust. Während wir durch die Straßen rasten, genoss ich den erfrischenden Wind und schloss meine Augen. Ich könnte stundenlang ohne Probleme hier drauf sitzen und einfach irgendwohin fahren. Nach einiger Zeit verlangsamte Mario seinen Tempo, weshalb ich wieder meine Augen öffnete. Schnell bemerkte ich dass wir in einer Wohnviertel waren. Es war aber nicht nur irgendeine Wohnviertel, sondern die dafür bekannte Wohnviertel dass hier nur Spanier und Mexikaner wohnen. Ich blickte mich um und erkannte immer wieder spanische Männer die vor ihrer Haustür mit anderen Leuten saßen, Kinder die draußen Fußball spielten und Frauen die miteinander redeten. Plötzlich blieb Mario stehen und schaltete seinen Motor aus.

„Willkommen bei mir zu Hause.", sagte Mario während er ausstieg. Während er seinen Helm auszog, zog ich mir auch meinen aus und stellte ihn dann auf den Motorrad.

Ich blickte auf das Haus wo er geparkt hatte. Es war etwas schäbig und der Vorgarten musste definitiv gesäubert werden, aber es war auch etwas niedlich. Als ich aus dem Motorrad stieg, nahm Mario meine Hand und führte mich ins Haus. Im Haus war es kühler als draußen und es war sehr schlicht eingerichtet. Neugierig blickte ich mich um und lief ins Wohnzimmer rein.

„Hier wohnst du also.", sagte ich und Mario nickte.

„Willst du was trinken?", fragte er und ging in die Küche rein. Ich folgte ihm und beobachte ihn dabei wie er zwei Cola Dosen aus dem Kühlschrank nahm. Während ich mich an die Kücheninsel setzte, machte er den einen für mich auf und übergab ihm mir. Ich bedankte mich bei ihm und er setzte sich neben mich.

„Wohnst du alleine?", fragte ich ihn und nahm einen Schluck von der Cola.

„Eigentlich erzähle ich es niemanden. Es hat auch niemanden zu interessieren, aber ich finde es ist nur fair wenn du meine Vergangenheit kennst.", sagte Mario und seufzte leicht. Gespannt blickte ich ihn an und runzelte mit der Stirn.

„Meine Eltern starben als ich 16 war.", sagte er, was mich etwas schockierte.

„Das wusste ich nicht.", sagte ich und blickte ihn traurig an. Während ich mich immer aufrege dass unsere Eltern fast nie zu Hause sind, gibt es einfach Kinder die gar keine haben. Ich will nicht wissen wie sich sowas anfühlt.

„Das wissen auch nur die Wenigen.", sagte er und blickte auf seine Dose.

„Jedenfalls. Ich hab noch zwei ältere Geschwister. Beide waren in der Zeit eigentlich dafür zuständig mich bei sich aufzunehmen aber das haben sie nicht gemacht. Sie haben mich einfache auf der Straße alleine gelassen.", sagte er und knirschte mit den Zähnen. Man sah ihn an wie sehr es ihm fällt das alles zu erzählen. Sofort stellte ich meine Dose auf dem Tisch ab und nahm seine Hand in meine und drückte sie fest zu.

„Hattest du nicht andere Familienmitglieder die dich aufnehmen konnten?", fragte ich vorsichtig nach.

„Doch. Aber als mich meine eigenen Geschwister verraten haben, vertraute ich niemanden mehr. Nicht mal meiner Familie. Ich beschloss selber auf mich aufzupassen.", erzählte er mir und blickte mich wieder an.

„Und so bin ich hier gelandet. Dieses Haus gehörte mal meinem Opa und als er gestorben ist, erbte ich es. Du sollst auch wissen dass in dieser Gegend jedem egal ist wie alt du bist. So konnte ich in Ruhe hier wohnen.", sagte er, was mich zum Grübeln brachte.

„Und wie hast du dir das alles geleistet? Du warst doch zu jung um zu arbeiten?", fragte ich ihn verwirrt. Mario spannte sich bei der Frage an und sah wieder zur Seite. Dann blickte er mich wieder an und legte seine Hand auf meine Wange.

„Ich habe Angst, dass wenn ich es dir erzähle, ich dich dann verlieren würde.", sagte er und streichelte mit dem Daumen über meine Wange. Verwirrt runzelte ich mit der Stirn und schluckte schwer. Was meint er damit?

Plötzlich klopfte jemand gewaltsam an der Tür, was mich zum aufschrecken brachte. Mario rollte genervt mit den Augen und stand auf.

„Warte du hier.", sagte er und lief zur Haustür. Da ich aber zu neugierig war, folgte ich ihm. Als Mario die Haustür aufgemacht hatte, kam ein etwas älterer Spanier ins Haus. Dieser begrüßte Mario auf Spanisch und umarmte ihn fest. Mario war aber von seinem Besuch nicht so erfreut und umarmte ihn nur halbherzig. Der Mann redete ununterbrochen mit ihm auf spanisch, doch als er mich sah, verstummte er.

„Also stimmt es. Du hast tatsächlich Frauenbesuch.", sagte der Mann und grinste mich schief an. Mario blickte sofort zu mir und presste seine Lippen zusammen.

„Nicht falsch verstehen. In der Gegend wird sowas sofort rum erzählt.", sagte er und kam zu mir gelaufen. Mario stoppte ihn aber am Arm, weshalb er dann Mario lachend ansah.

„Schon verstanden. Sie ist deine Braut.", sagte der Mann lachend und trat wieder zurück.

„Xavier, ve ahora.", sagte Mario und sah ihn streng an. Jetzt bereue ich ziemlich nicht den Spanisch Kurs gewählt zu haben.

„Ich sollte dir nur Bescheid geben, dass wir dich heute Abend brauchen. Also verspäte dich nicht.", sagte der Mann und blickte mich wieder an.

„Und lass deine Kleine auf keinen Fall hier alleine.", sagte der Mann und ging wieder zur Haustür.

„Hat mich gefreut, pequeñita.", sagte der Mann und grinste mich an.

„Ebenfalls.", sagte ich und lächelte leicht zurück. Dann verschwand er aus dem Haus und Mario machte die Tür wieder zu.

„Wer war das? Und was muss du heute Abend machen?", fragte ich Mario, der immer noch zur Tür blickte.

„Jemand aus der Gegend. Ich kenne ihn seit dem ich hier bin.", sagte er und kam zu mir gelaufen. Vor mir blieb er stehen und blickte zu mir runter.

„Und das was ich heute machen muss...", sagte er kleinlaut und presste seine Lippen zusammen. Da ich merkte dass er es mir ungern erzählen will, stellte ich meine Arme um seinen Hals und lächelte ihn warm an.

„Erzähl es mir wann anderes mal. Lass uns lieber was essen.", sagte ich, woraufhin er mich dankend anlächelte.

„Womit habe ich dich verdient.", sagte er und küsste mich am Mund.

MY BROTHERS FRIENDSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt