Es ist Krieg

3.7K 271 38
                                    

Ich rannte Richtung Osten. Jedenfalls hoffte ich das.

Mein Orientierungssinn war noch nie der beste gewesen, doch irgendwie schienen meine Pfoten zu wissen, wo es langging. Und wahrscheinlich war das auch besser so. Dann konnte ich mir in Ruhe darüber Gedanken machen, wie ich lebend die Nacht überstehen konnte.

Soweit ich wusste, waren die Hybriden aus Werwölfen und Vampiren sowohl in ihrer menschlichen Form, als auch in der seltsamen, vermischten und vor allem tödlicheren Tierform unterwegs. Ich nahm an, dass sich die Meisten nicht einmal selbstständig daran erinnern konnten, dass sie an irgendeinem Punkt ihres Lebens wenigstens teils menschlich gewesen waren und nur den Befehlen der Vampirin folgten. Ich hatte selbst durch meine eigenen Visionen in Träumen, durch Nevis aber auch durch Grace noch einmal bestätigt bekommen, wie sehr die Kreaturen, die Akaya zum Opfer gefallen waren, Marionetten glichen.

Deshalb musste ich herausfinden, welches Maß an Macht sie besaß, um die Wervampire von ihr loszueisen. Ansonsten wären sie zu gefährlich für jeden von uns. Doch ich wusste auch, dass dies nicht passieren konnte, ehe die Vampirin tot war.

Mrs. Roberts hatte mir versprochen, eine Friedensverhandlung mit ihr abzuschließen, aber wir beide wussten schon während sie es aussprach, dass es nie dazu kommen würde. Deswegen würde die Schuldirektorin genauso auf dem Schlachtfeld sein wie wir auch.

Wir hatten abgesprochen, uns in den Reihen, wo die jüngeren Schüler kämpften, abzuwechseln, sobald ich von der Sonnenquelle zurückkam. Es erschien uns als das Logischste, da die Meisten noch keine geübten Kämpfer waren. Mich konnte wenigstens meine neu gewonnene Macht schützen. Hoffentlich.

Ich hatte sie noch ein paar Mal ausprobiert, doch nie hatte es so gut funktioniert wie beim ersten Mal, wo ich all meine Freunde zu Stein erstarrt habe lassen.

Mein Gefühl sagte mir, dass es mittlerweile kurz vor zehn sein musste. Ich würde es also noch rechtzeitig schaffen, bevor es losging. Dann konnte sich auch die Direktorin darauf konzentrieren, die Vampirin zu erlegen.

Und selbst, wenn wir es nicht schaffen sollten, müssten wir nur bis 6:48 Uhr aushalten. Die Sonne würde dann den Rest für uns erledigen.

Doch sechs Stunden und achtundvierzig Minuten waren eine lange Zeit und die langen Februarnächte spielten uns nicht wirklich in die Karten. Wir mussten nur viel Zeit schinden und die Kreaturen müde machen. Das Gegenmittel würde nämlich nicht nur das Tagwandlerserum auflösen, sondern auch langsam den Körper der Hybriden von innen heraus vergiften, sodass wir nicht einmal mit ihrer vollen Stärke rechneten.

Trotzdem schienen diese Muskelpakete nie müde zu werden. Erst recht nicht unter dem Befehl der Vampirin, die ihre Marionetten wahrscheinlich sogar in den Tod arbeiten lassen würde.

Ich konnte so viel spekulieren, wie ich wollte. Am Ende würde sowieso alles anders kommen.

Und noch ehe ich diesen Gedanken zu Ende denken konnte, bewies mir das laute, unglücklicherweise mittlerweile vertraute Knurren und Kreischen, wie recht ich damit hatte.

Ich überlegte nicht lang und riss meinen Körper erneut nach rechts, tiefer in den Wald hinein.

In meinem Kopf kramte ich nach einer Karte der Umgebung. Doch es war alles stockfinster und da ich mich beim Laufen auf mein Bauchgefühl verlassen hatte, und nicht wusste, von wo ich eigentlich ursprünglich gekommen war oder die Sonnenquelle lag, fasste ich einen kurzen Entschluss. Noch während ich in Löwengestalt dem Lärm entgegenrannte, tauchte schon das Bild der Schleiereule in meinem Kopf auf.

Die Verwandlung verlief reibungslos und ich hätte beinahe ein freudiges Geräusch von mir gegeben, bevor ich mich daran erinnerte, unauffällig vorzugehen.

Mein neues IchWhere stories live. Discover now