Das Geheimnis

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Zögernd klopfte ich an Lens Zimmertür.

Ich hörte wie er seufzte. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und ich sah in sein Gesicht. Die Haare hingen ihm unordentlich in die Stirn und ich widerstand der Versuchung, sie ihm wegzustreichen. In seinen Augen lag ein abwesender Blick und ich fragte mich, ob er mich überhaupt richtig wahrnahm. Was wohl in dem Brief gestanden hatte? Aber die Worte Angriff und Hilfe bedeuteten nichts Gutes.

Vielleicht sollte ich ihn einfach in Ruhe lassen?

Tja, jetzt war es zu spät. Wir standen uns immer noch gegenüber und langsam realisierte ich, dass er darauf wartete, dass ich etwas sagte.
Ich räusperte mich.

"Darf ich reinkommen?"
Er nickte und machte den Weg frei.

Ich trat ein und stand nun unbeholfen im Zimmer herum. Ein offener Koffer lag auf dem Bett und ich erkannte in ihm achtlos hineingeworfene Kleidungsstücke.

Lens Schweigen war unheimlich, aber ich wollte jetzt auf gar keinen Fall mit Smalltalk beginnen. Also setzte ich mich aufs Bett und beobachtete ihn beim Packen.

Dann hielt ich es nicht länger aus.
"Wie lang wirst du weg sein?" platze es aus mir heraus und im selben Augenblick hätte ich mir am Liebsten eine gescheuert.

Na toll, jetzt denkt er auch noch, dass du es nicht schaffst, für ein paar Tage ohne ihn auszukommen.

Seine grünen Augen fixierten mich. "Ich weiß nicht. Vielleicht drei, vier Tage."

Jetzt wusste ich zu hundert Prozent, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war und deshalb wartete ich höflich. Len ließ sich mit einem langen Seufzer neben mich sinken, stützte die Ellenbogen auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen.
Da anscheinend nichts mehr von seiner Seite zu erwarten war, versuchte ich es wieder.
"Darf ich dich was fragen?"
Er brummte.

"Wer hat angegriffen?"

Ein Smaragdauge blitze mich an.

"Auf jeden Fall redest du nicht lange um den heißen Brei herum."

"Jetzt weiche nicht aus." ermahnte ich ihn.

"Ich darf dir das nicht erzählen!"

Ich schwieg, aber das Gespräch geriet jetzt schon auf einen falschen Kurs.

"Ich würde ja, aber. . ." fuhr er fort. Und genau dieser (unvollständige) Satz, brachte das Fass zum überlaufen.

"Das reicht!" kochend vor Wut sprang ich auf. "Denken denn alle ich bin völlig bescheuert? Glauben die, ich weiß nicht was hier läuft? Hier geht es um etwas viel wichtigeres, als um die Akademie, richtig? Da draußen," ich machte eine ausholende Armbewegung "ist irgendetwas, das uns so ganz und gar nicht leiden kann! Aber man hält es wohl nicht für nötig, uns etwas davon zu erzählen! Aber immer schön trainieren und lernen. Aber wofür?"

"Sarina, hör mir mal zu. . ."

"Nein, du hörst mir mal zu!" fauchte ich. "Niemand verrät mir auch die geringste Kleinigkeit! Weißt du, wie das nervt? Ich komme mir vor wie ein. . ein. ."aufgebracht suchte ich nach dem passenden Wort "verdammtes kleines Mädchen!"

Vor Wut zitternd unterdrückte ich meine aufkommende Verwandlung. 

Na toll gemacht Sarina! lobte ich mich sarkastisch. Jetzt hast du's versaut.
Mich schämend, tat ich so, als sei der Boden plötzlich das interessanteste, was ich je gesehen hatte.
Als Len immer noch nichts sagte, wurde ich langsam unruhig.

Zögernd hob ich meinen gesenkten Blick. Er starrte mich mit großen Augen an. Die Überraschung schien ihm auf die Stirn geschrieben.

"Und jetzt," flüsterte ich "gehst du weg. " Sarina! Lass den Quatsch! Meine innere Stimme schrie mich jetzt panisch an, aber ich beachtete sie nicht weiter. "Und ich weiß nicht einmal, warum. Ich weiß nur, dass ich dann wieder für eine Weile allein dastehe."

Mein neues IchWhere stories live. Discover now