Wieder "richtig" zu Hause?

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Die Autofahrt war seltsam.
Niemand wusste genau, worüber wir uns unterhalten sollten.
Mum versuchte ein paar Mal, ein Gespräch zu beginnen, doch meine eintönigen Antworten auf ihre Fragen veranlassten sie dazu, irgendwann aufzugeben. Mir fehlte einfach die Kraft (und eventuell auch die Lust), eine Konversation aufrecht zu erhalten.

Nach etwa einer halben Stunde setzte ich meine Kopfhörer auf und starrte aus dem Fenster. Die weiße Landschaft zog im rasenden Tempo vorbei und verschwamm zu einer riesigen bleichen Decke.
Ich schloss die Augen.

In meinem Kopf drehte sich alles. In letzter Zeit war so viel passiert.
Dabei waren meine Nachforschungen so auf der Strecke geblieben, dass ich schon fast vergessen hatte, was eigentlich mein Ziel war. Aber wie gesagt: nur fast.

Na ja, dafür hatte ich doch jetzt diese paar Tage. Ich würde mich einfach hinter meinen Büchern verschanzen und die Festtage mit dem Sammeln von Informationen verbringen. Ich war schlau genug gewesen und hatte die Bücher aus Lens Empfehlung hin eingesteckt.

Wir fuhren den halben Tag.

Und umso länger wir unterwegs waren, desto hibbeliger wurde ich (und, nur um das klarzustellen, nicht, weil ich mich so wahnsinnig darauf freute nach Hause zu kommen, Nein! Immerhin war ich ohne die Schutzschilde, die die Akademie umgaben, ein sehr leichtes Opfer)
Meine Eltern schienen die Unruhe zu bemerken, denn immer wieder musste ich besorgten Blicken ausweichen, die mir über den Rückspiegel zugeworfen wurden.

Es dämmerte bereits, als wir das Tor zu unserem Grundstück passierten. Der Himmel war glutrot und durchzogen von goldenen Streifen. Es war ein merkwürdiger Kontrast, den er da mit der Kombination des weißen Schnees abgab.

Mein Vater stieg aus und öffnete das Tor.

Es quietschte nicht mehr.

◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆

"Kommst du nach dem Auspacken in die Küche? Dein Dad und ich dachten, dass es schön wäre, wenn wir alle zusammen Plätzchen backen würden." meinte meine Mutter, als wir unsere Jacken an die Haken hingen.

"Sicher doch." entgegnete ich und griff nach meinem Gepäck. Ich spürte ihren Blick, als ich mühselig die Tasche die Treppe hinaufschleppte. Meine Mundwinkel begannen zu zittern.

Was war denn plötzlich los?

Entschlossen erklomm ich den Rest der Stufen. Mit Schwung riss ich die Tür zu meinem Zimmer auf und betrat dann langsam den Raum.

Es sah noch alles genauso aus, wie ich es vor einem halben Jahr verlassen hatte. Meine Eltern mussten nur ab und zu zum Staubwischen hier gewesen sein.
Ich stellte meine Reisetasche in die Mitte des Raums, drehte mich einmal um die eigene Achse und schritt dann langsam auf mein ordentlich gemachtes Bett zu. Sanft strich ich über die Decke.

"Ist es komisch, wieder hier zu sein?"

Ich schreckte zusammen. Mein Mutter stand im Türrahmen und betrachtete mich nachdenklich. Sie war so leise gewesen, ich hatte sie gar nicht gehört.

Ich zuckte die Schultern.

"Sarina," begann meine Mutter und lief auf mich zu. "ich weiß selbst, wie es sich anfühlt, wenn man das erste Mal wieder zu Hause ist."

Abweisend verschränkte ich die Arme vor der Brust.

"Darum geht es nicht. Ihr schuldet mir eine Erklärung."

Mum schlug die Augen nieder.

"Ich- ich hatte ja keine Ahnung." Hilflos warf ich die Hände in die Luft. "Ich habe mich das erste Mal so gefühlt, als hätte ich einen Platz, wo ich hingehöre. Es war toll, Leute zu haben, die so sind wie man selbst... naja, teilweise." Ich lächelte leicht, doch es verblasste auch schnell wieder. Ich fixierte sie aus steinernen Saphiraugen. "Ich kann es einfach nicht glauben, dass ihr mir das verschwiegen habt. Wie ihr all die Jahre mit ansehen konntet, wie ich verzweifelt versucht habe, einen Platz in der Schule finden."

Mein neues IchWhere stories live. Discover now