Tag zwei -Macht

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"Hier, trink das.", Ruby reichte mir eine Flasche Wasser. Keine Ahnung, wo sie die aufgetrieben hatte. Doch ich fragte nicht nach und nahm sie einfach entgegen.

Mittlerweile hockte ich mit dem Rücken an die steinige Kellerwand gelehnt auf dem Boden und versuchte, nicht in Panik zu verfallen. Meine beste Freundin kniete neben mir, während Len mit den anderen sprach und versuchte, die Situation so gut wie es ihm möglich war zu erklären.

Nachdem ich meine Freunde durch bloße Gedankenkraft dazu gebracht hatte, in eine Starre zu verfallen, löste sich diese wie von selbst nach ein paar Sekunden wieder auf, was wahrscheinlich daran lag, dass ich mit meinen Nerven am Ende war. Ich war so erschrocken, dass ich seit Lens seltsamer Aussage kein einziges Wort mehr gesagt hatte.

"Geht's dir besser?", fragte Ruby und nahm die Flasche entgegen, die ich ihr hinhielt.

Ich nickte.

"Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Ich dachte, du würdest dich jeden Moment eine wild gewordene Löwin verwandeln."

Ein erschöpftes Lächeln legte sich auf meine Lippen und ich schüttelte nur den Kopf.

"Ich werde euch niemals wehtun. Nur manchmal kann ich es einfach nicht kontrollieren." Ich seufzte und senkte den Kopf. "So wie gerade eben. Ich wusste nicht einmal, dass ich euch per Gedankenkraft beherrschen kann."

Wir schwiegen kurz.

"Woran hast du denn gedacht?", fragte Ruby nach einer Weile vorsichtig, doch die Neugier in ihrer Stimme war deutlich zu hören.

"Na ja", druckste ich herum "ihr wart mir einfach viel zu laut. Ich konnte mich nicht genug konzentrieren, um den Verwandlungsprozess aufzuhalten. Denn normalerweise klappt das eigentlich ganz gut. Dazu kam noch, dass ich viel zu erschöpft war. Die ganze Aufregung der letzten Tage, so viele Dinge, die mir Sorgen bereiten . . . Das ist mir alles irgendwie zu Kopf gestiegen. Dann noch dieser Streich von David. Ich habe im ersten Moment gedacht, dass etwas furchtbar Schlimmes passiert war, da ihr so geschrien habt."

Ich schüttelte den Kopf und schloss die Augen.

"Ich weiß auch nicht. Alles war so laut. Ich habe mir einfach in diesem Moment gewünscht, dass es für einen Augenblick still wird, damit mein Kopf endlich aufhört, weh zu tun. Anscheinend hat das mein Körper nicht verkraftet."

"Sarina, sieh mich an." Meine beste Freundin nahm meine Hände fest in ihre und ich zwang mich, sie anzuschauen. "Du hast wahrscheinlich das Gefühl, dass du alles allein machen musst. Ich weiß, dass du ein Alpha bist und es Dinge gibt, bei denen ich dir nicht helfen kann, aber trotzdem bist du nicht nur auf dich gestellt. Es geht uns doch allen ähnlich. Wir haben alle Angst und sind unter Stress, denn keiner will so einfach aufgeben und tatenlos herumsitzen, wenn es möglich ist, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden. Vertrau mir, du musst nicht nur alles auf dich nehmen. Denn so funktioniert das nicht. Mrs. Roberts, Len und du seid zwar unsere Alphas, das heißt aber nicht, dass nur ihr alles auf euch nehmen müsst. Wir sind alle da, um euch zu entlasten, zu helfen und euren Anweisungen zu folgen, denn von euch hängt unsere Sicherheit ab."

Ich musste ein wenig lachen.

"Das setzt mich jetzt gar nicht unter Druck."

"Sarina", Ruby schenkte mir ihren liebevollen Blick. "Wir vertrauen euch. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir euch ohne jegliche Bedenken folgen. Wenn etwas ungewiss erscheint oder uns Unbehagen bereitet, werden wir euch nicht blindlings folgen. Wir sind dazu da, euch bei euren Entscheidungen zu unterstützen, die für das Allgemeinwohl das Beste bedeuten. Das ist nämlich in unser aller Interesse." Sie machte eine kurze Pause, bevor sie einmal tief Luft holte.

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