. . . endet in einem Desaster

10.8K 690 193
                                    

Eine hochgewachsene, schlanke Frau stand im Rahmen des zersplitterten Fensters. Ihre wallenden schwarzen Haare bewegten sich stürmisch in der eisigen Böe, die nun durch den gewaltsam freigelegten Zugang in den Saal fegte und vereinzelte Schneeflocken mit sich brachte. Die scharfkantigen Scherben zu ihren nackten Füßen, die im gedämmten Licht des Saals schimmerten, wirkten ebenso gefährlich wie ihre scharlachroten Augen, die über die bewegungslosen Massen von Schülern strichen. Ihr Blick glich dem eines Raubtiers, das seine Beute fest im Visier hatte und nur darauf wartete, hervorzuschnellen, um es möglichst schnell in seinen Besitz zu bringen.

Die Frau aus Grace' Vision . . .

Auf meinem gesamten Körper breitete sich eine Gänsehaut aus.

Dunkle Wolken hatten sich mittlerweile vor den Mond geschoben und es herrschte eine unheimliche, drückende Stille. Niemand bewegte sich.

Verwirrt wollte ich meinen Kopf drehen, um zu schauen, warum niemand die Flucht ergriff. Doch es ging nicht.

Ich konnte mich nicht regen.

Es schien, als wären eiserne Fesseln an meinen Gliedern befestigt, die mich unerbittlich zu Boden zogen und mir jegliche Bewegungsfreiheit raubten.

Ich spürte wie Panik in mir wuchs und versuchte so gut es ging, meine Augen zu bewegen, um mein Umfeld trotz des Umstandes ein wenig im Blick zu behalten.

Dabei sah ich, dass die Gesichter der Schüler um mich herum genau das widerspiegelten, was ich fühlte.

Angst, Panik, tiefe Verzweiflung . . .

Wieso, zur Hölle, kann ich mich nicht bewegen?

‚Sarina?'

‚Len?!'

Ich seufzte vor Erleichterung tonlos auf. Noch nie war ich so froh gewesen, seine Stimme in meinem Kopf zu hören, wie zu diesem Zeitpunkt.

‚Was ist los? Warum stehen alle nur herum?'

Hätte ich es gekonnt, so würde ich die Stirn runzeln. Doch so blieb mir nichts anderes übrig, als verwirrt meine Augen zusammenzukneifen.

‚Wir können uns nicht bewegen.', antwortete ich und probierte erneut, wenigstens meine Finger ein wenig zu rühren. ‚Du etwa?'

‚Ja', erwiderte mein Freund und klang dabei noch irritierter als ich mich fühlte.

Unterdessen hatte die Frau begonnen, lautlos vor uns auf und ab zu gehen. Ihre nackten Füße waren auf dem glatten Boden nicht zu hören, und selbst der dünne schwarze Mantel, der ihre Beine wie eine dunkle Wolke umhüllte, verursachte kein Geräusch.

Es war, als befände sich der Raum in einer isolierten Blase, die jeden auch so kleinen Laut in sich aufnahm und verschluckte. Und obwohl es so still war, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören, dröhnte, summte und brummte es so laut in meinen Ohren, dass ich mir nichts Sehnlicheres wünschte, als endlich meine Hände auf meine Ohren zu pressen, um diesen unerträglicheren Geräuschen Einhalt zu gebieten.

Gerade als ich dachte, es würde mich überwältigen, ertönte ein markerschütternder Knall und darauffolgendes, schnelles Klappern von hohen Absätzen auf dem Boden.

Nur einen kurzen Augenblick später rauschte Mrs. Roberts an mir vorbei und stellte sich schützend vor die Reihe Schüler, die dem Eindringling am nächsten waren.

Sie hatte immer noch ihr Kleid und ihre Ballschuhe an, war aber anscheinend gerade dabei gewesen, ihre Frisur ein wenig aufzulockern, da sich die untere Haarpartie bereits in einem langen, seidenen Teppich über ihre Schultern ergoss und der Rest noch oben in der eleganten Flechtfrisur steckte.

Mein neues IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt