Zu viel Adrenalin

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Als ich den Raum betrat, verstummte schlagartig jedes Gespräch. Es herrschte Totenstille. Das einzige Geräusch war das Knistern der Flammen im Kamin. Ich hörte das rhythmische, leise Atmen von Len und das beruhigte mich ein wenig (konzentrieren wir uns mal nicht auf die Tatsache, dass ich vor meinen Verwandlungen niemanden atmen gehört hatte).

Ich spürte immer noch den Nachdruck seiner Hand auf meiner Schulter. Diese Berührung war tröstlich gewesen und hatte die Nachricht ausgesprochen, auf die ich, tief in meinem Inneren verborgen, gehofft hatte.

Ich wusste auch nicht was mich da vor der Tür geritten hatte.

Seit wann habe ich Angst vor Büchern? Oder waren es die Leute?

Die Bibliothek habe ich immer als meinen Rückzugsort gesehen.

Warum belasse ich es nicht einfach dabei?


Trotz des schönen Wetters, hatten viele Schüler den Weg in die Bibliothek gefunden.

Und sie alle starrten mich jetzt an. Manche auffällig und manche unauffällig.

Ich bemerkte alles.

Jeden Blick der sich in meinen Rücken brannte, das Getuschel und das leise Gekicher der Mädchen, als sie sahen wer hinter mir lief.

Ich hätte ihnen allen liebend gern die Augen ausgekratzt, aber ich fürchte, dass das keine so gute Idee wäre.

Len hielt einen gewissen Abstand zu mir, die Hände tief in den Taschen seiner Jeans vergraben. Sein Gesicht eine Maske.

Er hätte sich genauso gut ein Schild um den Hals hängen können.

"Sprecht mich an und ihr werdet es bereuen."

Verbittert verzog ich das Gesicht.

Plötzlich spürte ich eine Hand im Rücken, die mich drängend vorwärts schob.

"Einfach ignorieren." murmelte Len.

Zuerst fragte ich mich, was er meinte, aber dann beantwortete sich meine Frage von selbst.

Goldlöckchen und ihre Hühner besetzten die Plätze am Kamin, wobei Blondie eine ganze Couch für sich beansprucht hatte und die beiden anderen Mädchen auf den Sofalehnen hocken mussten.

Das Mädchen klimperte einmal übertrieben mit den Wimpern und ich unterdrückte den aufkommenden Würgereiz. Schnell wandte ich mich ab.

Len war unbemerkt von meiner Seite gewichen und ich entdeckte ihn zwei Regalreihen weiter, bei Seth und David stehen.

Aha, daher weht also der Wind. Er wollte sich mit den Beiden hier treffen.

Aus irgendeinem Grund versetzte mir die Erkenntnis einen leichten Stich. Es hätte mich misstrauisch machen müssen, schließlich bin ich nicht blöd. Ich hatte es gemerkt, als er das Buch auf dem Küchentisch liegen ließ.

"Sarina?" zaghaft berührte mich jemand an der Schulter. Überrascht ihre Stimme zu hören, drehte ich mich um.

Kurz darauf blickte ich in ein Paar quecksilberner Augen.

Der Anblick war ungewohnt, aber froh sie wiederzusehen, nahm ich Ruby in den Arm.

"Oh Gott, ich habe dich so lange nicht mehr gesehen. Alles in Ordnung bei dir?" seufzte sie, als ich meine beste Freundin schließlich losließ.

Jetzt musterte sie mich besorgt durch ihre zusammengekniffenen Augen.

Leicht verlegen fuhr ich mir durch meine wirr ins Gesicht hängenden Haare.

Mein neues IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt