Die Entscheidung fällt

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Es war dunkel.
Ich wartete.
Wartete darauf, dass Dad nach Hause kam.
22 : 17
22 : 45
23 : 13
23 : 56
00 : 34

Hatte ich ihn überhört?
So lange kann er doch nicht weg sein.
Meine Mutter hatte mir gesagt, dass es bei ihm heute etwas später wird.
Aber doch nicht so spät?
Leise stand ich auf und schlich aus meinem Zimmer.
Oh, tatsächlich, mein Vater war schon da.
Oh man.
Diese Sache verwirrte mich mehr, als ich gedacht hatte.
Jetzt kriege ich nicht mal mehr mit, wenn mein Vater nach Hause kommt.

Langsam ließ ich mich auf die oberste Treppenstufe sinken und lauschte angestrengt.

"... nicht mehr sicher. " sagte Dad gerade.
Warscheinlich hatten er und Mum schon eine Weile gestritten, denn er klang genervt, müde und seine Stimme war heiser.
"Wir können..." setzte Mum an doch er unterbrach sie.
"Celine! Hör mir zu!
Sarina ist nicht mehr das kleine Mädchen, welches du gerne hättest. Es ist an der Zeit, dass sie mit ihresgleichen zusammenlebt. Mit Jugendlichen in ihrem Alter....
Hier hat sie keine Freunde. " Dieser Satz versetzte mir einen Stich.
Er hat Recht.
Ich wurde in der Schule nicht gemocht.
Ich wurde respektiert, das schon, aber ich hatte das Gefühl, dass sich die Meisten in meiner Gegenwart nicht wohlfühlen.
Anfangs habe ich mir eingeredet, dass das nicht an mir liegt. Aber das ist schon 'ne Ewigkeit her.

"Wir müssen ihr die Chance geben, welche zu finden. Den Stoff der 10. Klasse kann sie sich auch selbst beibringen, wenn du unbedingt willst... Das Thema haben wir doch schon sooft durchgekaut....
Vielleicht sollten wir ihr die Entscheidung überlassen."
-Stille-
"Du weißt welche das ist, nicht wahr?

"Ja, ich habe es in ihren Augen gesehen." sagte Mum mit brüchiger Stimme.
Ich machte in Gedanken einen Luftsprung. Tyler hatte wirklich gewusst, dass mein Vater darüber anders dachte.
Mum hingegen stieß einen erstickten Laut aus.
Findet sie es dort wirklich so schrecklich?
"Schatz," sagte Dad nun liebevoll.
"Es wird ihr nichts passieren.
In der Akademie wird ihr ein normales Leben ermöglicht. Naja, so normal wie möglich. Sie wird dort glücklich sein. So wie wir damals."
Also doch nicht.
"Versprochen!"

Warte, sie sind dort zu Schule gegangen!?
Warum hat es keiner für nötig gehalten mir davon zu erzählen?

Mir fiel ein, dass ich eigentlich rein gar nichts über die Jugend meiner Eltern wusste.
Fragen danach, hatten sie immer so abgeschrieben: "Wenn du größer bist, erzähle ich es dir." oder "Willst du einen Muffin?
Das hat immer Mum gesagt.
Aber um so älter ich wurde, umso weniger half der Muffin-Trick. Irgendwann wurde mir angeordnet, nicht mehr danach zu fragen.

Warscheinlich nickte meine Mutter jetzt, denn mein Vater seuftzte erleichtert.
"Gut. Ich gebe ihnen Bescheid." Mit diesen Worten lief er Richtung Treppe, auf der ich immer noch hockte.
Schnell sprintete ich zurück in mein Zimmer und warf mich auf's Bett.
Mein Atem ging stoßweise und mein Herz pochte so schnell, als hätte ich an einem 100 Kilometerlauf teilgenommen.
Ich konnte mir ein hysterisches Kichern nicht verkneifen und biss in mein Kissen.
Ich würde tatsächlich auf die Pheonix - Akademie gehen.
Aber was ist, wenn ich mit den anderen nicht mithalten konnte.
Ich meine, sie sind doch sicherlich in dem Wissen aufgewachsen, was sie wirklich sind, oder?
Als ich so darüber nachdachte kam Zweifel in mir hoch. Nein, ich sollte mir jetzt noch keine Gedanken darüber machen.
Es war bereits 1:43 Uhr als ich endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.

Es klopfte.
Sonnenstrahlen fielen auf mein Gesicht, als ich mich auf die andere Seite drehte und mich weiter in mein Kissen kuschelte.
Dann machte es klick.
"Oh."
Mit einem Ruck setzte ich mich auf und mir wurde schlagartig schwindelig. Ich verharrte ein paar Sekunden in der sitzenden Position, bis sich nichts mehr drehte. Dann tapste ich verschlafen an die Tür, um sie zu öffnen.
Ich stutzte.
Draußen, vor meiner Tür, stand eine strahlende Mum.
Ihre sandfarbenen Haare hatte sie elegant nach oben gesteckt. Sie trug eine Bluse und eine passende Hose.
Sie war geschminkt und lächelte mich an, als hätte ich bei "Wer wird Millionär" teilgenommen und gewonnen. Ihre braunen Augen explodierten regelrecht vor Aufregung.
Misstrauisch schaute ich meine Mutter an.
"Mum, wenn du weiter so lachst, bekommst du Krämpfe in den Mundwinkeln." wies ich sie darauf hin.
"Oh Liebling, ich freu mich ja so." flötete sie jetzt und wuselte an mir vorbei in mein Zimmer, wo sie begann einen Koffer aus meinem begehbaren Kleiderschrank zu zerren.
Okaaay.
Gestern war noch alles schrecklich, aber jetzt scheint wieder die Sonne?
Zögernd schloss ich meine Tür, aber entschied mich sie dann doch einen Spalt breit auf zu lassen. Nur für den Fall, dass ihre Laune ansteckend ist und ich einen Fluchtweg brauchte.
"Hast du vielleicht Stimmungsschwankungen? " fragte ich sie vorsichtig.
"Nein, nein. Ich sehe ein, dass ich gestern etwas überreagiert habe."
Ich zog eine Augenbraue hoch.
Ach ja?
Verlegen schaute sie mich an. "Gestern Abend habe ich noch ein Gespräch mit deinem Vater gehabt."
Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen.
"Er sagte, ich soll dir die Entscheidung überlassen. Ich, ...ich kann mich noch gut daran erinnern, wie furchtbar aufgeregt ich damals war, als ich die Einladung bekam. Ich habe in der Nacht kein Auge zugetan."
Ihr Blick war in die Ferne gerichtet.
" Mum, ..." ich wollte sie etwas fragen, wusste aber nicht wie ich es formulieren soll.
"Hmm?" sie wandte sich wieder mir zu.
"Wa-warum habt ihr mir das vorenthalten? Ich meine, ..." ich zögerte. Meine Mutter schien zu wissen was ich meinte. Sie setzte sich auf mein Bett und bedeutete mir mich zu setzen.
"Das Leben als Metamorph ist ziemlich gefährlich.
Wenn du weißt, dass es uns gibt, dann muss es natürlich auch andere mythische Wesen geben. Es ist sehr gefährlich für uns. Werwölfe, Vampire, Feen. Alle diese Kreaturen. Das sind eigentlich unsere natürlichen Feinde."
"Werwölfe?" fragte ich skeptisch. "Aber die verwandeln sich doch auch in ein Tier."
"Die Werwölfe verstehen nicht, warum es uns gegönnt ist, uns immer dann, wenn wir es wollen, zu verwandeln. Sie machen uns für ihr Leiden verantwortlich und sind deshalb nicht sehr gesinnt auf uns zu sprechen. Aber das wirst du alles noch lernen."
"Ist das nicht ungerecht? " fragte ich.
"Seit wann ist das Leben denn gerecht? Wir müssen ständig auf der Hut sein. Fressen und gefressen werden. Das ist die Realität." sagte Mum und strich sich eine lose Strähne hinter das Ohr.
"Und die anderen?"

Es klopfte schon wieder und mein Vater öffnete die Tür.
"Guten Morgen." sagte er und lächelte.
"Also, nochmal um es klar zu stellen, darf ich jetzt fahren oder nicht?"
Meine Eltern warfen sich einen Blick zu. Mum nickte kaum merklich und mein Vater sagte, "Ja, Tyler wird dich heute zum Bahnhof bringen."
Ich stieß einen Freudenschrei aus und umarmte erst meinen Vater, dann meine Mutter.
"Ihr seid die besten Eltern der Welt. Auch, wenn ich euch noch nicht richtig verzeihen kann. Wenn ich jetzt aber ein leckeres Frühstück bekomme, können wir darüber verhandeln." sagte ich streng. Meine Eltern schauten zerknirscht zur Seite.
Ich fing an zu glucksen und brach dann in schallendes Gelächter aus.
"Ihr müsstet mal eure Gesichter sehen." kicherte ich.

Nachdem meine Eltern mir einige Sekunden zugesehen hatten, wie ich mich vor Lachen kringelte, sagte mein Vater schmunzelnd, "Na gut, lassen wir die Kichererbse alleine."
Und fuhr sich durch seine dunkel braunen Haare.
Meine Mutter erhob sich und sagte, "Wenn du fertig bist, kommst du dann runter zum essen?"
Ich nickte, immer noch nach Luft schnappend.

Als die beiden gegangen waren, nahm ich meine Klamotten mit ins Bad und stieg unter die Dusche.

Das würde heute ein sehr interessanter Tag werden . . .

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Hiiiii,
hier ist das 3. Kapitel.
Ich hoffe es ist noch nicht ZU langweilig.
Es wird besser.
Versprochen ;-)

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