4.2 Neró - Wasser

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Viele Stunden schienen vergangen zu sein – es kam Dias so vor, als wären sie eine Ewigkeit gelaufen – ehe sie beschlossen hatten, dass sie eine Pause vertragen konnten. Sotiris wollte nach Vaias behelfsmäßigem Verband schauen und sie konnten alle etwas zu Essen vertragen. Dieses Mal wollten sie sich jedoch nicht in einen Gang setzen, nur um dann vielleicht wieder von metallischen Vögeln aus heiterem Himmel heraus angegriffen zu werden.

Dias hatte vorgeschlagen, dass sie eine Sackgasse aufsuchen sollten, aber Sotiris war dagegen.

„Wenn uns etwas dort findet, können wir nicht weiter nach vorne fliehen", sagte er und blickte Dias an, als müsste dieser sich schämen, überhaupt solch einen Vorschlag gemacht zu haben. Tatsächlich war Sotiris mittlerweile zum Kopf der Gruppe geworden. Zwar würde er sich mit Vaia und Dias absprechen, wenn sie irgendwo abbiegen konnten, aber er ging ganz vorne, hatte einen strammen Schritt und die Schulten angespannt. So, wie er wirkte, hätte Dias eher ihn als Vaia für einen jungen Feldherrn gehalten. Wenn er sich nun noch einen Helm auf die braunen Haare setzen würde, dann ginge er, trotz seiner recht kleinen Statur, als Anführer einer ganzen Armee durch. Die Muskeln in seinen Armen sprachen auf jeden Fall dafür, dass er einen schweren Schlag führen konnte.

„Ich schlage vor", sagte er dann, „dass wir uns einen sicheren Gang suchen. Wir müssen uns überall umschauen. Oder wir werden erneut aus dem Hinterhalt überfallen und wer weiß, ob uns dann..." Er blickte zu Vaia, die sehr wohl seinen dumpfen Unterton herausgehört hatte. „Ob uns dann wieder jemand helfen kann."

Doch es kam gar nicht dazu, dass sie einen Gang auf Sicherheit und Komfort prüften. Nur ein paar Schritte weiter kamen sie in einen Raum. Er war nicht leer, wie Sotiris vielleicht gehofft hatte, oder gar mit Nahrung und Medizin gefüllt, worauf Dias insgeheim gesetzt hatte.

In der Mitte des steinernen Zimmers war ein Berg an Schätzen gestapelt. Gold, Silber, Edelsteine, all das türmte sich mannshoch. Das Glitzern war unbeschreiblich schön, das Licht schien sich in allen Farben zu brechen, die die Menschheit kannte und noch mehr, und dazu waren Schätze darunter, die sie sich nicht einmal im Traum ausmalen konnten. Kelche und Platten aus purem Gold; mit Rubinen besetzte Klingengriffe; Diamanten in der Größe von Kinderköpfen; tiefschwarze Obsidiansteine, die das Licht in sich aufzusaugen schienen; blutrote Kristalle in Form von Tränen, die den Boden bedeckten.

„Unglaublich", hauchte Sotiris mit glänzenden Augen. „Das ist ja... unglaublich." Ihm fehlten die Worte und Dias konnte das verstehen. Er starrte ebenfalls nur auf die ganzen Schätze, die dort vor ihnen lagen und nur darauf warteten, dass sie sie sich einstecken würden.

Zu einfach. Das war viel zu einfach, dachte er sich, doch bevor er überhaupt etwas sagen konnte, war Vaia, trotz ihres verletzten Beines, langsam in den Raum gegangen. Selbst die wenigen Schritte, die sie mit glänzenden Augen getan hatte, hatten ausgereicht.

Ein hauchdünnes Seil war eine Handbreit über dem Boden gespannt gewesen und kaum, dass Vaia es mit ihrem Fuß berührt hatte, war es zersprungen und hatte ein leises Klirren durch den Raum geschickt.

Es gab ein lautes Rumoren, all das glänzende Gold, all die Edelsteine und all die Kelche und Platten verschwanden, flossen wie ein Strom in das sich auftuende Loch mitten im Boden. Es war nicht das einzige, was im Raum geschehen war, dem nun das verheißungsvolle Glitzern fehlte.

Aus der Decke schoss ein eiskalter Wasserstrahl herab. Genau dort, wo Vaia vor Schreck stehengeblieben war. Sie wurde komplett durchnässt und durch den Druck und die Kraft des plötzlichen Aufpralls, stürzte sie zu Boden. Sie schrie auf, Elara schrie auf und Dias und Sotiris schreckten zurück.

Die komplette Temperatur im Raum schien auf die Minusgrade gesunken zu sein. Ihr Atem kristallisierte sich binnen wenigen Sekunden als weißer Rauch vor ihren Gesichtern und es wurde so kalt, dass sich die Härchen an Dias' Armen aufstellten.

LavýrinthosWo Geschichten leben. Entdecke jetzt