12.1 Skotádi - Dunkelheit

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„Ich hatte tatsächlich gedacht, dass sie besser wären", sagte eine rauchige Stimme, bei der nicht auszumachen war, ob sie männlich oder weiblich war. „Stören soll es mich nicht. Umso früher kann ich sie meiner Dunkelheit hinzufügen."

„Willst du ihnen nicht wenigstens eine Chance lassen?", erwiderte eine zweite Stimme, dieses Mal die einer Frau. Während die erste Stimme noch so geklungen hatte, als bestünde sie aus Rauch und Nebel, hatte die zweite einen klaren Ton und das Echo ihrer Worte wurde viel weiter verbreitet, als wäre sie ein Teil des Himmels selbst. „Nicht, dass es mich groß kümmern würde, wenn es ein paar Kinder weniger wären, die den Tag verehren, aber ein paar von ihnen sehen doch ganz brauchbar aus. Ich denke, sie könnten noch etwas länger durchhalten, wenn wir uns nicht einmischen."

„Sie haben es schon so einfach", meinte die erste Stimme. „Keine der Gefahren, denen sie bisher begegnet sind, wäre eine Anstrengung für die anderen Helden gewesen."

„Sie sind Kinder", rief die Frau dem Ersten ins Gedächtnis. „Noch sind sie verhältnismäßig schwach, aber warte nur ab. In ein paar Jahren könnten aus mindestens einem von ihnen ein echter Held werden. Sie brauchen mehr Training und etwas mehr Geschick. Wer weiß, vielleicht schläft dort oben ein neuer Herakles?"

„Sie sollen keine Kopie der Helden sein", knurrte die erste Stimme wütend. „Die Welt benötigt neue Helden, so, wie es immer wieder neue Gefahren gibt. Wenn sie sich jetzt nicht beweisen können, gibt es keinen Grund, wieso sie es in einigen Jahren können sollten." Die Stimme machte eine Pause und während sie schwieg, war das Rauschen von Flüssen zu hören, donnernd und rumorend. Wasser stürzte dem Geräusch nach in die Tiefe, klatschte auf Fels, sich einen Weg durch die Erde suchend. „Die Flüsse sind aufgebracht."

„Natürlich sind sie das", erwiderte die Frau belustigt. „Sie haben nun mal nicht immer die Chance auf so junge Helden."

„Sie müssen sich beruhigen", sagte der Erste wieder. „Als sie das letzte Mal so aufgebraust sind... Daran möchte ich gar nicht mehr denken."

„Es war ein Blutfest", surrte die Stimme der Frau klar und klanglos in der Schwärze.

„Und uns hat man die Schuld gegeben", erinnerte der Erste sie daran. „Ich will nicht wieder nach unten müssen."

„Hattest du etwa Angst?", fragte die Frau belustigt.

„Ich habe keine Angst, du weißt das genau."

„Sei nicht gleich beleidigt, mein Lieber. Warte noch etwas ab und beobachte die Kinder ein wenig. Sie werden sich schon beweisen. Und wenn nicht..."

„Dann kommen sie in meine Dunkelheit."

Nach Stunden eines unruhigen Schlafes erwachte Dias und erwartete, in seinem Bett zu liegen.

Als er den kalten Stein an seinem Rücken spürte, wurde ihm schlagartig wieder bewusst, wo er sich befand und all seine verschlafenen Sinne erwachten. Mit den aufgerissenen Augen durchforstete er jeden Winkel seiner Umgebung, erblickte die Felswände, die sich bis in die Dunkelheit der Decke erstreckten, die hohe Mauer, die ihnen den Weg nach vorne versperrte, das schummrige Licht, welches zwischen den Steinen hervorsickerte...

Ein schmerzerfülltes Stöhnen erreichte seine Ohren und alarmiert blickte er sich nach der Quelle des Geräusches um. Vaia lag zu seinen Füßen, die Beine an den Körper gezogen, das Gesicht zu einer peinerfüllten Grimasse verzogen. Ihre Haut war mit einer feinen Schweißschicht bedeckt und ihre Augenlider zuckten panisch hin und her.

„Vaia?", fragte er leise und hockte sich hin, damit er sie an der Schulter rütteln konnte. Ihre Haut fühlte sich viel zu heiß an, als dass er es als gesund abstempeln konnte.

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