30. Epílogos

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Heiße Luft strich über seine Wange, als Dias vorsichtig die Augen aufschlug. Er hatte mit Dunkelheit gerechnet, stattdessen wurde er mit strahlendem Licht begrüßt. Die unerwartete Helligkeit brannte in seinen Augen, sodass selbst die beruhigende Schwärze in seinem Kopf mit weißen Flecken versehen war. Von irgendwoher konnte er das Rauschen von Wasser vernehmen und leises Vogelzwitschern. Als wäre er draußen. Als wäre er nicht mehr im Labyrinth.

Vorsichtig öffnete Dias die Augen wieder und hob eine Hand, um seine Augen abzuschirmen. Er sah endloses Blau über sich, durchzogen von weißer Wolle. Nein. Keine Wolle. Wolken. Das waren Wolken und er blickte auf den Himmel. Er lag auf einem ebenen, glatten Marmorboden, dessen warme Steine angenehm auf seiner Haut waren. Wo er war wusste er nicht. Er wusste nur, dass das Marmor in geringer Entfernung steil hinabfiel und den Blick auf das schimmernd weiße Kreta freigab, welches weit, weit unter ihm lag. Er befand sich auf einer schwebenden Plattform.

Mit einem Mal war er hellwach und setzte sich viel zu schnell auf. Ein pochender Schmerz bohrte sich hinter seinen Augen in sein Hirn. Der Rest seines Körpers schien in Flammen zu stehen. Bronze blitzte in seinem Sichtfeld auf und er schrie.

„Dias!" Eine vertraute Stimme drang an seine Ohren und im nächsten Moment schlangen sich zwei schlanke Arme um seine Schultern. Ein bebender Körper presste sich an seinen. „Oh Dias, wir dachten schon, du wärst tot!" Vaia krallte ihre Finger in seinen Rücken und schluchzte. „Das muss ein wahres Geschenk der Götter sein."

„Wa – wo sind wir?", fragte Dias mit krächzender Stimme. Er räusperte sich. Sein Rachen kratzte und sein Mund war unglaublich trocken.

„Ich weiß es nicht." Vaias Gesicht erschien wieder in seinem Sichtfeld, als sie sich von ihm löste. Ihre Augen waren feucht und Tränen liefen ihr die Wangen hinab. „Sotiris und ich – wir haben gehofft und versucht, dich wieder wachzurütteln, aber du hattest das Bewusstsein verloren und dann war dein Herzschlag irgendwann weg und dann –", sie stockte. „Weißt du noch, was passiert ist?"

„Ich glaube ja", erwiderte er. Langsam versuchte er sich aufzusetzen, rutschte aber wieder zu Boden, als die Kraft aus seinen Armen ihn verließ. Sein Blick glitt an Vaias Körper vorbei. Erneut hatte er das Gefühl, das Bewusstsein zu verlieren.

Dort, wo sein rechtes Bein sein sollte, war nichts weiter als ein mit weißen Bandagen umwickelter Stumpen. Der Atem blieb ihm in der Kehle stecken, noch bevor ein unkontrollierbares Zittern ihn überkam. Ein eisiger Schauer unter seine Haut. Sein Magen überschlug sich.

„Was ist das?", hauchte er entsetzt und versuchte das Bein zu bewegen. Das, was davon noch übrig geblieben war, wackelte kurz. Er hatte noch immer das Gefühl, seine Zehen zu spüren. Die nicht mehr da waren. Sein Knie tat weh, obwohl es nicht da war. „Vaia, was ist das?"

Das Mädchen biss sich heftig auf die Lippe. Sie musste seinem Blick nicht folgen, um zu wissen, was er meinte. Ihre Schultern fielen in sich zusammen. „Ich weiß es wirklich nicht", sagte sie vorsichtig. „Es gab ein Beben, kurz nachdem dein Herzschlag ausgesetzt hat und dann wurden wir von der Dunkelheit umschlossen und –", Vaia sah ihn mit einem schmerzerfüllten, mitleidigen Blick in den Augen an, „und als ich wieder zu mir kam, sah dein Bein schon so aus. Aber dein Herz hat wieder geschlagen."

Dias versuchte erneut sich aufzusetzen, aber die Kraft verließ ihn, kaum dass er sie gesammelt hatte. Er sackte zusammen. Sein Blick glitt nach oben, wo der strahlend blaue Himmel von weißen Tupfern durchzogen war. Im Augenwinkel konnte er die Sonne brennen sehen. Er konnte nicht draußen sein. Er musste tot sein.

„Sind wir tot?", fragte er.

„Ich glaube nicht", erwiderte Vaia leise.

„Wo ist Sotiris?"

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