10.1 Trélla - Wahnsinn

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Auch, wenn sie sich nicht erklären konnten, wie Eos' Wunden so rasch geheilt waren, waren sie alle mehr als dankbar. Besonders Eos war dadurch mehr als gut gelaunt, sodass er sogar die Wut darüber vergaß, dass die anderen drei ihn nicht für den Wachdienst geweckt hatten. Er wollte nicht, dass man ihn so behandelte, als wäre es schwach, nur weil er verwundet gewesen war, aber durch seine rasche Genesung hatte er keinen Grund mehr aufgebracht zu sein.

Gemeinsam aßen sie einen kleinen Teil ihres Proviants.

„Welcher von euch Göttern auch immer dafür zuständig war", sagte Calypso, „wir danken dir dafür."

„Genau. Danke", meinte Eos nun auch und überlegte, ob er vielleicht etwas von seinem Essen opfern sollte, entschied sich aber dagegen. Sie konnten es sich leider nicht leisten, auch nur einen Krümel zu opfern.

Eos erinnerte sich nicht mehr daran, was er geträumt hatte. Er wusste, dass er irgendeine Stimme in seinem Traum gehört hatte, doch wem diese gehörte und was sie gesagt hat, daran konnte er sich nicht erinnern. Es war, als hätte sich ein dunkler Schleier über seine Erinnerungen gelegt. Lediglich an das grausame Bild der Sirene, Calypsos entstelltes Antlitz, die sein Gesicht zerfleischen wollte, daran konnte er sich ganz klar erinnern. Dieses Bild hatte sich in seinen Geist gebrannt und wahrscheinlich würde er es nie wieder loswerden. Die Angst, dass Calypso sich von nun an in seinem Geist zu der schrecklichen Sirene verwandeln würde, sobald er sie ansah, schien seinen Körper von innen heraus zu vereisen.

Nachdem sie gegessen und sich gestärkt hatten, entschieden sie sich, dass sie dem Pfad folgen sollten. Lyra hatte zwar eingeräumt, dass sie vielleicht zurückgehen könnten um den anderen Weg zu nehmen, aber Castor und Eos wollten nicht riskieren, dass sie im Kreis liefen. Sie hatten extra die Tür des Dionysos' geöffnet, um diesen Raum zu entdecken. Jetzt wollte sie nicht mehr umkehren.

„Lasst uns dem Dionysos Respekt zollen und seinen Weg weiterhin bestreiten", sagte Castor etwas zögernd. „Wir sollten nicht unhöflich sein, glaube ich."

„Dem muss ich zustimmen", erwiderte Calypso und lächelte ihn an, damit er nicht glaubte, er hätte mit seiner Aussage etwas falsch gemacht. „Wir sollten den Göttern den Respekt zollen, den sie verdienen. Es ist nur gerecht, nachdem sie uns so geleitet haben. Diese Tür hätten wir nie öffnen können, wenn uns der große Dionysos nicht geholfen hätte."

„Dann lasst uns diesen verdammten Weg weitergehen", knurrte Lyra, offenbar sehr unzufrieden. „Aber beschwert euch nicht, wenn uns irgendwas angreift."

„Warum sollten wir denn zurückgehen?", fragte Eos nachdenklich und vorsichtig.

Lyra warf ihm einen giftigen Blick zu, doch dann seufzte sie und ihre Finger legten sich um Griff ihres neuen Dolches. „Ich habe ein schlechtes Gefühl dabei", gab sie zu. „Aber das könnte auch Unsinn sein."

„Warum? Ich..."

„Ich habe geträumt, dass uns dort irgendwas Schreckliches erwartet", sagte sie schließlich und seufzte ergeben. „Es ist dumm, ich weiß. Es war nur ein Traum, mehr nicht. Ich sollte es einfach ignorieren. Lasst uns weiterziehen."

Calypso und Eos tauschten einen besorgten Blick. Anscheinend war sie auch nicht der Auffassung, dass man einen solchen Traum ignorieren sollte. Die sture Lyra konnten sie sowieso nicht von einem anderen Ergebnis überzeugen und deshalb verschwendeten sie weder Zeit noch Nerven damit, mit ihr zu argumentieren. Sie nickten und Eos beschloss, dass er extrem vorsichtig sein würde, egal was sie nun machen würden.

„Dann gehen wir?", fragte Castor zögerlich.

Sie packten all ihre Sachen zusammen und schulterten die Proviantbeutel. Eos hatte sein Schwert fest in der Hand und seine Fingerknöchel wurden schon weiß, doch er ließ nicht locker. Nun, da Lyra gesagt hatte, was sie besorgte, da wollte ihn das Gefühl nicht loswerden, dass wirklich etwas dort kommen würde. Calypso ging es wohl ähnlich, denn sie schloss zu ihm auf und fragte: „Machst du dir auch Sorgen?"

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