19.2 Ypéftyhos - Schuld

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Melas zog seinen Holzknüppel vom Rücken und hielt die Waffe mit festem Griff umschlossen. In seinen Augen blitzte es, als er den anderen Mann an der Wand anstarrte und Hass loderte aus seinen Pupillen hervor.

„Bleib ruhig", sagte Medeia und verlor für einen Moment den Halt in der Stimme. „Ich habe nicht vor, dir irgendetwas zu tun. Im Gegenteil! Ich bin froh, dass ich dich getroffen habe. Wir können uns gegenseitig unterstützen und helfen, einen Weg hier heraus zu finden."

„Dein Süßholzgeraspel kannst du dir sparen, Talos", zischte Melas. Er setzte zum ersten Schlag an. Der eingedellte Holzstab krachte mit einem ohrenbetäubenden Lärm in der Wand ein, dort, wo vor wenigen Sekunden noch Medeias Kopf gewesen war.

Sie rollte über den Boden, rappelte sich schnell wieder auf, verlor aber durch den plötzlichen Schwung für einen kurzen Moment die Orientierung und strauchelte. Melas nutzte diesen Moment der Schwäche, um ihr seine Waffe direkt auf den Oberarm krachen zu lassen.

Dumpfer Schmerz rollte durch ihren ganzen Körper, als der Knochen mit einem gewaltigen Splittern entzweibrach. Medeias Schrei hallte etliche Schritte in der Dunkelheit wider. Mit zusammengebissenen Zähnen strauchelte sie zurück und hielt sich vorsichtig die andere Hand vor den zerstörten Oberarm.

„Melas, du Idiot, was soll das!?", brüllte sie mit tiefer Stimme. Der Schmerz trieb ihr die Tränen in die Augen und ließ ihr Sichtfeld einen Moment verschwimmen. Sie hatte nicht den körperlichen Antrieb, um nach ihrer Waffe zu greifen, deswegen wich sie noch einen Schritt zurück.

In Melas' Gesicht hatte sich ein wahnsinniges Flimmern eingeschlichen. Seine Augen glänzten sie boshaft durch die schummrigen Lichtverhältnisse an. Ein leises Knirschen erfüllte die Luft, als er mit seinem Kiefer mahlte.

Die Anspannung knisterte um sie herum, als würde Zeus mit seinen Donnerkeilen unter ihnen weilen. Jeder Atemzug brannte in ihrem Rachen und trieb ihr weiteren Schmerz in den Körper, der sich bereits geschunden und schwach anfühlte. Es fühlte sich so an, als hätte Talos schon viele Kämpfe hinter sich gebracht, seit er das Labyrinth betreten und Medeia seine Erinnerung verlassen hatte. Wie viele, dass konnte sie unmöglich sagen. Sie wusste nicht einmal, wie viele Tage er bereits in diesem steinernen Irrgarten steckte. Es mochten zwei oder zweihundert sein.

Dem dritten Schlag konnte Medeia gerade so ausweichen, in dem sie weiter nach hinten sprang. Ihr Angreifer folgte mit irren Augen und drängte sie immer weiter zurück, aber sie würde nicht kleinbeigeben. Mit ihrer gesunden Hand zog sie ihren Speer hervor, dessen Spitze sanft im Schein des Lichtes glänzte, als wäre sie frisch poliert worden.

Nun ebenfalls bewaffnet, war dieser Kampf zwar nicht ausgeglichen, aber wenigstens ein wenig fairer geworden. Medeia presste die Zähne aufeinander und drückte ihre Füße noch einen Schritt nach hinten, als Melas auf sie zu pirschte. Sein Holzknüppel krachte mit voller Wucht auf dem Boden auf, sodass einige Stücke wegsplitterten, dann hob der Mann die Waffe wieder hoch und hielt sie etwas unterhalb der Augenhöhe. In seinem Blick loderte der Zorn.

„Wir müssen nicht kämpfen", zischte Medeia leise und kniff ein Auge zusammen, als ein plötzlicher Schmerzensstich ihren Körper durchzog. „Lass uns die Waffen niederlegen und friedlich auseinander gehen. Ich kann dich doch verstehen, Melas!"

Aber Melas reagierte nicht auf Talos' Worte. Vielmehr schienen sie ihn noch mehr anzustacheln. Wütend knurrend schlich der breitere Mann vor und drehte den Knüppel ein paar Mal zwischen den Fingern.

„Beenden wir das!", rief Medeia mit Talos' Stimme aus, die tief im Gang widerhallte. Melas allerdings hatte denselben Gedanken gehabt, wollte ihn allerdings anders ausführen, als es ihr lieb war.

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