8.1 Aínigma - Enigma

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Mit dem Knistern des Feuers im Hintergrund und dem beruhigten Atem, fand es Dias äußerst schwer, wach zu bleiben. Sein Kopf sagte ihm, er solle die Augen schließen und sich einfach fallen lassen, aber seine Sinne waren auf einen weiteren Angriff der stymphalischen Vögel vorbereitet, sodass er, kaum hatte er die Augen für einen Moment geschlossen, ihren tödlichen Schrei in den Ohren hatte und das Sirren ihrer metallischen Federn hören konnte. Mit pochendem Herzen griff Dias dann sofort an seinen Schwertgriff, nur um einen Wimpernschlag später festzustellen, dass nichts dergleichen passiert war. Noch immer saßen sie in Sicherheit in diesem Gang, das Feuer brannte langsam zu Ende und die Schattenspiele wurden immer weniger. Es gab nichts, wovor er sich fürchten musste.

Außer natürlich vor dem Minotaurus und all den anderen schrecklichen Dingen, die hier deinen Tod verursachen könnten, höhnte eine diabolische Stimme in seinem Inneren und lachte hämisch. Dias versuchte sie aus seinen Gedanken zu verbannen.

Hinter sich vernahm er leises Rascheln, das Bewegen von Gliedmaßen.

„Fühlst du dich besser?", fragte er und erschrak vor seiner eigenen Stimme, die rau und kratzig klang.

„Ich bin bereit weiterzuziehen", erwiderte Vaia langsam.

„Bist du sicher? Wir haben es ja nicht eilig", sagte Sotiris und wollte sich umdrehen, doch eer erinnerte sich daran, dass sie ja noch immer nackt war und hielt in seiner Bewegung inne.

„Wirklich, ich bin bereit. Lediglich Haare und Kleidung sind etwas nass, aber das wird schon gehen." Dias konnte sie lächeln hören. „Außerdem will ich uns nicht länger aufhalten. Zu lange an einem Ort zu verweilen kann ebenfalls in einem großen Unglück enden."

„Dann sollten wir weiter", murmelte Elara leise und erhob sich. „Hier, deine Kleidung."

Dias und Sotiris blieben solange mit dem Rücken zu den beiden Mädchen sitzen, bis sie ihnen das Zeichen gaben, dass sie bereit waren. „Ob wir die Spuren verwischen sollten?", fragte Sotiris und blickte auf die glühende Asche der Federn und des Beutels.

„Wir haben keine Möglichkeit", erwiderte Vaia, deren Haare jetzt strohig und unordentlich in ihrem Gesicht hingen. „Lasst uns einfach so schnell wie möglich weiter. Ein paar Gänge sollten wir zwischen uns und die Glut bringen, dann können wir versuchen, etwas in den Wänden zu finden." Sie klang ernst, aber auch irgendwie aufgeregt, als erhoffte sie sich, dass sie gleich am ersten Tag den geheimen Arbeitsraum von Dädalus finden würden. Dias wünschte sich irgendwie, er wäre genauso zuversichtlich wie sich.

Sotiris bot Vaia wieder seine Schulter an, damit sie sich stützen konnte, doch Vaia bestand darauf, dass sie dieses Mal alleine laufen würde. Dafür hielt sich die kleine Elara in seinem Schatten auf und mehr als einmal zuckten ihre Finger, die sie um den hölzernen Bogen geschlungen hatte, als wollte sie einfach an Sotiris' Rücken greifen und sich in seinem Gewand festkrallen.

Während sie weiterliefen – Vaia fiel es tatsächlich einfacher als zuvor – hatte ein beinahe unangenehmes Schweigen die Gruppe eingehüllt. Dias wusste nicht, wie er es brechen sollte. Einerseits wollte er mehr über seine Kameraden erfahren, mit denen er diesen Überlebenskampf austragen musste, andererseits wollte er nicht derjenige sein, der vielleicht unangenehme Erinnerungen aufbringen musste. Er konnte es nur von sich selbst sagen: er sprach nicht gerne über seine Familie. Die meisten Leute zerrissen sich die Mäuler über seine Mutter, sobald sie erfuhren, was sie tat, um ihn und seine Geschwister zu ernähren. Dabei war seine Mutter eine unglaubliche Jägerin. Sie hatte seinem Bruder alles beigebracht, was es über das Jagen und Bogenschießen zu wissen gab, von ihr hatte Dias den Schwertkampf gelernt. Vielmehr war sie Vater und Mutter in einem und er wusste nicht, was es besseres geben konnte.

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