40.Kapitel

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Unsicher stand ich vor den paar Leuten, die Damon schließlich, aufgrund mangelnder Entscheidungskraft ihrerseits, selbst eingeteilt hatte. Abgesehen von Zoey und Anne waren von meinen Freunden noch Tracy, Lukas und Tim dabei. Sarah hatte offenbar beschlossen lieber mit Damon zu üben, irgendwie hatte ich mir das schon fast gedacht. Wahrscheinlich glaubte sie, dass ich wirklich jedem in meiner Gruppe versehentlich ein paar stärkere Verletzungen zufügen würde. War es komisch, dass ich insgeheim erleichtert über ihre Entscheidung war? Nein, vermutlich nicht. So konnte ich ihr wenigstens nicht doch noch wegen ihren sinnlosen Kommentaren an die Gurgel gehen.
"Darf ich als Erste?" Grinsend unterbrach Zoey das Schweigen. Ich starrte sie verblüfft an, damit, dass das jemand freiwillig machen würde, hatte ich am allerwenigsten gerechnet.
"Äh ja klar. Aber das wird nicht unbedingt angenehm werden...", antwortete ich schließlich. Wobei ich ja eigentlich erstmal wissen müsste, was ich denn tun sollte. So genau hatte das Damon nicht gesagt. Bei meinem Training damals hatte er mir die Landung anfangs langsam beigebracht, aber das konnte ich doch schlecht mit 14 Leuten machen.
Vorsichtshalber warf ich einen Blick nach links; gerade flog Sarah gegen die Wand. Das hieß dann wohl, dass ich das auch so machen sollte. Ich versuchte mich mehr auf meine Kräfte zu konzentrieren und drehte mich wieder zu Zoey, die mich abwartend ansah. "Bereit?"
"Bereiter als bereit", sagte sie lachend. Innerlich kopfschüttelnd ließ ich sie ein Stück nach oben schweben. Wie konnte man sich nur darauf freuen, gegen eine Wand zu knallen? Sonderlich angenehm war das ja nun nicht gerade. Was mich wiederum zum nächsten Problem brachte: ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie schnell das ganze ablaufen sollte. Wenn es sich irgendwie vermeiden ließ, wollte ich Zoey nicht weh tun. Oder zumindest nicht allzu stark.
Ich entschied mich schließlich es einfach so zu versuchen, wie ich es auch in einem richtigen Kampf tun würde und hoffte, dass das keine extrem schlechte Idee war.
Zoey schaffte es tatsächlich sich einigermaßen gut abzufangen. Anstatt unkontrolliert an die Wand zu knallen, drehte sie sich so, dass sie sich mit ausgestreckten Armen und Beinen abstoßen konnte. Mit Mühe konnte ich mich davon abhalten zu lachen. Irgendwie hatte meine Freundin in diesem Moment ziemliche Ähnlichkeit mit einer fallenden Katze. Unglücklicherweise hatte sie aber nicht das Talent immer auf den Füßen zu landen und kam stattdessen mit dem Rücken auf und blieb mit ausgestreckten Armen liegen. Besorgt eilte ich zu ihr, das sah ziemlich schmerzhaft aus.
"Alles in Ordnung?" Sie würde sich doch nicht ernsthaft verletzt haben, oder? Nein, sie konnte höchstens aus zwei Metern Höhe gefallen sein.
"Abgesehen davon, dass mir gerade der ganze Körper weh tut, ja." Zoey ließ sich von mir auf die Beine ziehen. "Jetzt weiß ich, wie es dir immer ging." So würde ich es noch nicht nennen. Eigentlich konnte sie das erst wissen, wenn sie das noch wenigstens zehn bis zwanzig Mal wiederholte. Dabei hatte ich noch nicht einmal meine volle Kraft ausgeschöpft; mit leichtem Unbehagen wurde mir bewusst, dass ich vermutlich problemlos jemanden auf diese Art töten könnte, wenn ich noch ein bisschen trainierte.
Wo wir gerade dabei waren, ich sollte wohl lieber mal mit den restlichen 13 üben. Nacheinander versuchte jeder von ihnen sich, mehr oder weniger erfolgreich, eine einigermaßen schmerzfreie Landung anzueignen. Anne verfolgte die selbe Technik, die ich verwendete, und schaffte es beim dritten Versuch sogar wieder stehend auf dem Boden aufzukommen und auch so zu bleiben. Ich staunte nicht schlecht, für dieses Kunststück hatte ich deutlich länger gebraucht.
"Du bist zu vorsichtig, Prinzessin", raunte Damon mir ins Ohr, während ich gerade Tim schweben ließ. Erschrocken zuckte ich zusammen und schleuderte gleichzeitig Tim unbeabsichtigt mit einer vielfach höheren Geschwindigkeit gegen die Wand. Der Aufprall kam für ihn deswegen vollkommen unvorhergesehen. Wahrscheinlich war es einfach nur Glück, dass er einigermaßen günstig aufkam, andernfalls hätte er sich mit ziemlicher Sicherheit etwas gebrochen oder zumindest geprellt.
"Musste das jetzt sein?", zischte ich Damon verärgert an. Das hätte verdammt schief gehen können. Mein Freund reagierte auf den Vorwurf nur mit einem spöttischen Lächeln, offenbar störte es ihn nicht im geringsten, dass ich Tim wegen ihm möglicherweise verletzt hatte. Im Gegenteil, ohne Grund hatte er mich schließlich nicht genau jetzt erschreckt. So langsam nervte mich diese Eifersucht wirklich.
"Wie gesagt, du bist zu zaghaft. Versuch mal ein bisschen mehr Kraft zu benutzen, es bringt niemanden etwas, wenn sie das bei dir hinbekommen und im richtigen Kampf keine Chance haben, weil du ihnen im Training nicht weh tun wolltest." Natürlich. Und es war ja auch viel hilfreicher, wenn ich jetzt reihenweise Knochen brach. "Weißt du was? Mach den Scheiß doch alleine, ich werde hier ganz sicher nicht meine Freunde auf die Krankenstation befördern", gab ich genervt zurück. Diese ganze Aktion war doch sowieso sinnlos.
Wieder einmal hielt Damon mich am Handgelenk fest, um zu verhindern, dass ich abhaute. Wäre auch zu einfach gewesen.
"Doch, wirst du. Im übrigen liegt es an ihnen, ob und wie schwer sie sich verletzen." "Und was ist, wenn ich mich weigere?" Ich sah ihn herausfordernd an und versuchte mich loszureißen. Erwartungsgemäß erreichte ich dadurch nur, dass Damon seinen Griff weiter verstärkte und mich dichter an sich zog.
"Dann, Prinzessin, üben wir beide nochmal zehn andere Landetechniken", entgegnete er mit einem liebenswürdigen Lächeln. Bei dieser Vorstellung erschauderte ich unwillkürlich. Es war schon eine Folter diese eine Technik zu lernen, das ganze noch zehn weitere Male durchmachen zu müssen wäre die Hölle.
'Also lässt du lieber deine Freunde Schmerzen erleiden, als sie selbst zu ertragen?', regte sich meine innere Stimme auf. Konnte die nicht mal die Klappe halten? Und ja, genau das hatte ich vor. So leid es mir tat, aber ich war nunmal nicht selbstlos. Mal ganz davon abgesehen, dass sie das so oder so durchmachen mussten. Wenn ich es nicht tat, würde Damon es eben machen.
"Warum musst du mir eigentlich immer drohen?"
Meine trotzige Haltung ließ ihn schmunzeln. "Das war doch keine Drohung, das war ein Angebot. Entweder du gehorchst mir oder du musst mit den Konsequenzen leben, du hast die Wahl." Ja ne, ist klar. Seufzend gab ich meinen Widerstand nun endgültig auf, er war sowieso zwecklos.
"Meinetwegen. Kannst du dir dann wenigsten den nächsten Versuch ansehen? Damit ich weiß, ob ich es jetzt richtig mache." Das hatte er vermutlich eh vor, aber ein bisschen einschleimem konnte nicht schaden. Vor allem, wenn man bedachte, was ich vorhatte.
"Natürlich", er ließ mich los und wandte sich den anderen, die uns beobachteten, zu. Was machte überhaupt seine Gruppe gerade? "Wer ist der nächste?"
Alle Blicke wanderten zu mir. Möglicherweise war meine Wahl nicht unbedingt klug, aber ich konnte einfach nicht widerstehen. "Du." Ich ließ ihm gar keine Gelegenheit mich deswegen überrascht oder gar wütend anzusehen, sondern nutzte meine ganze Energie, um ihn mit voller Kraft gegen die Wand zu schleudern.
"Ein bisschen zu fest würde ich sagen. Heb dir das mal lieber für die richtigen Gegner auf." Perplex starrte ich meinen schmunzelnden Freund an. Ich konnte mich nicht daran erinnern auch nur gesehen zu haben, wie er sich abgefangen hatte, geschweige denn wieder zurückgekommen war. Und doch lag ich jetzt auf dem Boden, unfähig mich aus Damons Griff zu lösen.
"Das..." Ich brach ab. Natürlich war das möglich, vorausgesetzt man besaß übernatürliche Kräfte. "Lass mich los, Damon", sagte ich stattdessen und versuchte nicht allzu flehend zu klingen. Es war zwar verdammt unangenehm so auf den Boden gedrückt zu werden, aber das wollte ich dann auch nicht zugeben.
"Seit wann gibst du denn hier die Befehle?" Er zog scheinbar missbilligend eine Augenbraue hoch. Als ich nicht antwortete, verstärke er den Druck auf meinen Handgelenken. Verärgert biss ich die Zähne zusammen, um ein schmerzvolles Stöhnen zu unterdrücken. Er wollte ein Machtspielchen? Gut, das konnte er haben. Ehe ich jetzt anfing zu betteln, fror die Hölle zu.
Früher oder später musste er mich loslassen, mal ganz davon abgesehen, dass diese Position für ihn deutlich anstrengender war als für mich. Siegessicher erwiderte ich seinen intensiven Blick; ich musste einfach nur lang genug abwarten.
Schweigend starrten wir uns an, darauf spekulierend, dass der jeweils andere zuerst aufgeben würde.
"Wie lange willst du das noch durchhalten?", zischte ich Damon schließlich an. Es waren bereits gefühlte Stunden vergangen, dabei konnten es höchstens drei Minuten sein. Die Schmerzen in meinen Handgelenken nahmen von Sekunde zu Sekunde zu, sonderlich lange würde ich das nicht mehr aushalten können.
Mein Freund zeigte dagegen keinerlei Zeichen von Erschöpfung oder Anstrengung. Ganz im Gegenteil, er grinste mich spöttisch an und ließ sich, ähnlich wie bei den mir verhassten Liegestützen, ein Stück weiter nach unten sinken. Die daraus resultierende Gewichtsverlagerung nach vorne ließ mich zischend einatmen. Und ich hatte ernsthaft geglaubt, dass es nicht noch mehr weh tun konnte.
"So lange wie nötig", raunte Damon dicht an meinen Lippen. Er dachte doch nicht ernsthaft darüber nach, mich jetzt zu küssen, oder? Ich betete, dass er mir nicht die Handgelenke brach und er hatte nichts anderes im Kopf. Typisch.
"Bitte." Ich gab zähneknirschend auf. Momentan hatte ich den Eindruck, dass Damon das wirklich noch stundenlang durchhalten würde, im Gegensatz zu mir.
"Geht doch, warum nicht gleich so?" Ähnlich schnell, wie er mich zu Boden gedrückt hatte, zog mein Ausbilder mich wieder auf die Füße. Eine Antwort erwartete er aber offenbar nicht und küsste mich stattdessen lieber. Ohne mein Einverständnis, nur für's Protokoll.
Widerwillig versuchte ich ihn weg zudrücken. Mit mäßigem Erfolg, immerhin ließ er mich nach ein paar Sekunden doch noch los und verschwand lachend in Richtung seiner Gruppe.
"Arroganter, egoistischer Mistkerl", murmelte ich und starrte ihm wütend hinterher. Warum noch gleich hatte ich mich in ihn verliebt? Jedenfalls nicht, weil er so liebenswürdig war.
"Das habe ich gehört, Prinzessin." Schön für dich.
Augenverdrehend setzte ich mich auf eine Matte, zog die Knie an und stützte meinen Kopf darauf. Auf die fragenden Blicke der anderen gab ich nur ein genervtes "Wir machen Pause" von mir. Am liebsten würde ich jetzt einfach verschwinden und mich in meinem Bett verkriechen.
"War es so schwer, 'Bitte' zu sagen?" Anne ließ sich neben mich fallen und streckte die Beine aus.
"Eigentlich nicht", gab ich seufzend zu, "aber es ging um's Prinzip. Er kann doch nicht immer das letzte Wort haben." Und deswegen handelst du dir lieber ständig Ärger ein, stellte meine innere Stimme fest. Ja, das traf es wohl ziemlich genau. Aber irgendwie wäre es auch langweilig, wenn ich es nicht tun würde.
"Doch, kann er. Und genauso, wie du es liebst, ihm zu widersprechen, liebt er es, dich dafür zu maßregeln. Im Endeffekt bewegt ihr beide euch also in einer Endlosschleife; außer du hörst auf ihn ständig zu provozieren", entgegnete meine beste Freundin. Schade nur, dass sie recht hatte. Und dass ich wohl niemals aufhören würde Damon Kontra zu geben.
"Können wir bitte das Thema wechseln?"
"Nö", sie grinste mich an. "Ein bisschen muss ich schon noch über deinen Freund quatschen, wenn ich schonmal die Gelegenheit habe dich ohne ihn zu erwischen." Großartig, das war nun so ziemlich das letzte, worauf ich Lust hatte. Unglücklicherweise würde Anne aber auch nicht locker lassen, also würde ich mich dem Thema wohl oder übel stellen müssen. "Dann schieß mal los."
"Warum bist du denn jetzt so schlecht drauf? Ich habe nur Positives zu sagen." Meinen skeptischen Blick ignorierte sie. "Naja, vielleicht nicht nur Positives. Aber auf jeden Fall freue ich mich, dass er dich, entgegen unser aller Erwartungen, nicht nur ins Bett kriegen und dann Schluss machen wollte. In dieser Hinsicht war..."
"Ähm Anne", unterbrach ich sie verlegen. "Wir haben noch gar nicht..." Sie sah mich verblüfft an und schien zu überlegen, ob ich sie gerade verarschte.
"Du willst mir nicht ernsthaft erzählen, dass du noch nicht mit ihm geschlafen hast. Du hast doch schon mehrmals bei ihm übernachtet."
"Schon, aber mehr war da auch nicht." Ich starrte unsicher auf meine Füße. "Glaubst du, mit mir stimmt irgendetwas nicht? Vielleicht findet Damon mich ja nicht attraktiv genug.." Meine Stimme wurde zum Ende hin immer leiser. Wenn ich ehrlich war, beschäftigte mich dieser Gedanke schon länger. Wir waren jetzt schon drei Monate zusammen; ich konnte zwar nicht einschätzen, ob das schon lange war, aber was ich so nebenbei von anderen aufschnappte war, dass die meisten anderen Paare hier bereits nach drei bis vier Wochen, teilweise noch viel früher Sex hatten.
"Du hast aber auch noch nie mitbekommen, wie er dich manchmal ansieht, oder?" Lächelnd umarmte Anne mich. "Keine Sorge, mit dir stimmt alles. Ich würde eher sagen, Damon ist sogar noch anständiger, als ich dachte." Ich war mir da ja nicht so sicher.
"Wie sieht er mich denn an?", fragte ich neugierig, um mich abzulenken. Meine Freundin schüttelte nur lachend den Kopf, hätte ich mir denken können.
"Das kannst du schön selbst herausfinden. Aber mal im Ernst, willst du überhaupt schon mit ihm schlafen?" Darüber musste ich erstmal nachdenken. Einerseits schon irgendwie, andererseits hatte ich aber keine Ahnung, was mich erwarten würde. Vielleicht war es ja gar nicht so schön, wie immer alle behaupteten oder es tat weh. Nicht zu vergessen die Angst irgendetwas falsch machen zu können. Am Ende stellte ich mich noch so blöd an, dass Damon sich noch ewig darüber lustig machen würde.
"Ich weiß es nicht", antwortete ich schließlich ratlos.
"Und genau das merkt Damon wahrscheinlich. Er will dich nicht dazu drängen, das ist doch großartig. Mein erster Freund hatte ständig versucht mich dazu zu bringen mit ihm zu schlafen." Jetzt war es an mir überrascht zu gucken. Dass Anne so offen zu mir sein würde, hatte ich nicht erwartet.
"Und hast du...?", wagte ich es meine Frage auszusprechen.
"Nein. Ich habe irgendwann Schluss gemacht und mich ein paar Monate später das erste Mal richtig verliebt. Und um ehrlich zu sein, war ich dann auch schon vier Monate mit ihm zusammen, ehe wir Sex hatten", sie zwinkerte mir zu. "Mach dir also keine Gedanken, du solltest das nicht machen, weil du denkst, dass du es musst."

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