52. Kapitel

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Erstmal vorab: im letzten Kapitel sind mir mehrere Dinge aufgefallen.
1. Viele von euch haben mir bestätigt, dass ich nicht unzählige Rechtschreibfehler mache :D
2. Wenn man etwas wirklich....'böses' (mir fällt gerade kein anderes Wort ein) passieren lässt, kommen gleich doppelt/dreifach/... so viele Kommentare wie sonst
und 3. Offenbar habe ich wirklich einige bis viele von euch geschockt (war aber auch so überhaupt nicht beabsichtigt xD). Die ganzen Kommentare haben mich wirklich überrascht, danke dafür; wenn ich gewusst hätte, was ich antworten soll, hätte ich's bei allen getan, aber dafür fehlt mir die Kreativität in der Hinsicht. Und ihr könnt mich gerne töten (wenn ihr mich denn unter meiner Bettdecke findet), aber das Kapitel wird wohl noch ein bisschen schockierender ._. Autoren können schon grausam sein xD.

Schweigend beobachtete ich den Minutenzeiger der grauen Uhr vor mir. Anfangs hatte ich die Sekunden, seit Damon mich in einen Raum, ähnlich dem, in dem ich aufgewacht war, gebracht hatte, noch mitgezählt, doch inzwischen hatte ich es aufgegeben. Das monotone Ticken hallte in meinen Gedanken wieder und ich versuchte, mich ganz allein darauf zu konzentrieren. Tick, tack, tick, tack, immer nur nur das selbe. Sechzig Mal pro Minute, sechzig Minuten pro Stunde, das waren 3600 Sekunden pro Stunde, 24 mal 3600 am Tag, sieben Mal in einer Woche. Ich ging immer wieder alles durch, Hauptsache ich musste nicht über Damon nachdenken. 1209600 Sekunden waren vergangenen, seit er verschwunden war, 2645 seit ich erfahren hatte, dass die ganzen letzten Monate eine einzige Lüge waren. 900, seit ich in diesem Raum mit einem Tisch, drei Stühlen und einer grauen Uhr saß und krampfhaft versuchte nicht hinter mich und somit in dunkelblaue Augen, die mich die ganze Zeit beobachteten, zu schauen. Tick, tack, tick, tack oder doch eher tack, tick? Nein, tick, tack klang schöner, vertrauter.
"Lola. Ich freue mich, Sie wiederzusehen, auch wenn das vermutlich nicht auf Gegenseitigkeit beruht." Zum ersten Mal seit 1200 Sekunden löste ich meinen Blick von dem Minutenzeiger und blinzelte kurz zur Tür. Dass jemand herein gekommen war, hatte ich verpasst. Eine Frau mit grauen Augen stand vor dem Tisch, an dem ich saß und lächelte mich unsicher an. Dr.Skylander, wenn ich mich richtig erinnerte; seltsam, dass ich sie ausgerechnet hier wieder traf.
Nach einer gefühlten Ewigkeit senkte ich den Blick wieder und versank in die Betrachtung der Tischplatte. Die Hand zur Begrüßung konnte ich dank der Handschellen sowieso nicht ausstrecken, antworten wollte ich Dr.Skylander auch nicht. Ich befürchte, dass an Stelle einer selbstbewussten Entgegnung lediglich ein verzweifeltes Schluchzen meine Kehle verlassen würde, also schwieg ich lieber. Solange ich nicht sprechen musste, war alles gut, solange ich schwieg, konnte ich die Tränen zurückhalten. Irgendwann würde ich weinen, all die Gefühle heraus lassen, doch nicht jetzt. Jetzt musste ich stark sein, stark genug, um einen Ausweg zu finden; oder wenigstens zu überleben, bis meine Freunde mich hier raus holten.
"Täusche ich mich oder steht sie unter irgendwelchen Drogen?" Ich machte mir nicht die Mühe, mich erneut zur Tür zu drehen. Auch ohne ihn zu sehen, wusste ich, dass Newton es tatsächlich auch noch hierher geschafft hatte. Ich hatte bereits zu hoffen gewagt, dass ich einfach nur mein restliches Leben in diesem ungemütlichen Raum verbringen musste, doch wie so oft wurde meine Hoffnung enttäuscht.
"Nein, tut sie nicht", erklang Damons gelangweilte Stimme hinter mir. Nur zu gern würde ich nachsehen, wo genau er war, doch ich schaffte es nicht, meine Augen von dem Tisch zu lösen. War vermutlich auch besser so, ich hätte nicht einmal dann einen Hauch einer Chance zu fliehen gehabt, wenn er mehrere hundert Meter weit weg gewesen wäre.
"Hey!", eine Hand mit dicken Wurstfingern wedelte vor meinem Gesicht herum, bis ich schließlich genervt aufsah. Konnte der mich nicht einfach in Frieden lassen? "Willst du nicht irgendetwas sagen? Sonst hast du doch auch kein Blatt vor den Mund genommen." Newton starrte mich feixend an und schien sich diebisch zu freuen, dass ich nun doch wieder in seiner Gewalt gelandet war. Ich schwieg.
"Ich glaube, die Handschellen sind wirklich überflüssig. Sehen Sie sich doch das arme Mädchen an, sie ist vollkommen durcheinander", sagte Dr.Skylander links neben mir.
"Dieses arme Mädchen ist eine Schwerverbrecherin, die des Hochverrats angeklagt wird. Eigentlich müsste sie sogar noch Fußfesseln tragen; aber da ich gnädig bin, machen wir heute mal eine Ausnahme." Ich bezweifelte, dass Newton tatsächlich irgendwann einmal gnädig war, aber solange ich diese Dinger endlich loswurde, sollte es mir recht sein. Vor allem, weil das mein Fluchtchancen deutlich erhöhte. Erwartungsvoll richtete ich mich auf - und zuckte sofort wieder zusammen, als Damon urplötzlich direkt neben mir stand und meine Hände nahm. Hätte ich mir ja denken können, dass er die Schlüssel hatte. Verunsichert wich ich seinem Blick aus und versuchte relativ erfolglos das aufkommende Zittern zu unterdrücken. Wenn ich erstmal die Hände frei hatte, würde ich mich viel besser fühlen, da war ich mir sicher. Und außerdem...
"Ah!" Erschrocken sprang ich auf und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte mich ein seltsames, überaus unangenehmes Gefühl durchzuckt. Nicht unbedingt schmerzhaft, aber ich hatte mich fast zu Tode erschrocken.
"Das war das Armband", erklärte Dr. Skylander. Verwirrt starrte ich meine linke Hand an; das dünne silberne Band musste Damon mir gemeinsam mit den Handschellen umgemacht haben, jedenfalls kam es mir nicht bekannt vor. "Sobald Sie Telekinese benutzen, bekommen Sie einen leichten Stromschlag. Der ist an sich nicht gefährlich, aber wenn Sie über einen längeren Zeitraum ihre Kräfte nutzen, wird es immer schmerzhafter." Also war das der Haken. Ich musste nicht gefesselt bleiben, aber Telekinese konnte ich trotzdem nicht benutzen, wäre auch zu schön gewesen. Aus Neugierde versuchte ich trotzdem erneut, heimlich Newton umfallen zu lassen - und kassierte zum zweiten Mal einen Stromschlag. Diesmal war ich zwar darauf vorbereitet gewesen, hatte jedoch nicht mit dem Schmerz, der nach drei Sekunden auftrat, gerechnet. Zischend krümmte ich mich zusammen und wartete, dass die Muskelkrämpfe verschwanden. Damit schied eine Flucht mittels übernatürlicher Kräfte ebenfalls aus.
"Du hast doch nicht wirklich geglaubt, dass wir dich hier einfach so ohne jede Einschränkung herumlaufen lassen. Immerhin hast du dich durch die Beteiligung an der drohenden Rebellion des Hochverrats schuldig gemacht", Newton sah mich herablassend an, ehe er eine geschäftliche Miene aufsetzte. "Normalerweise steht darauf die Todesstrafe, aber möglicherweise ließe sich diese mildern und in die Degradierung zur Sklavin umwandeln. Du müsstest lediglich kooperieren." Um ehrlich zu sein, wäre mir da die Todesstrafe doch deutlich lieber, ich konnte mir nur zu gut vorstellen, dass ich als Sklavin wieder bei Newton landen würde. Und dann würde ihn absolut niemand davon abhalten können, was auch immer für widerliche Dinge mit mir zu machen.
Ich schüttelte mich innerlich bei der Vorstellung und verschränkte die Arme. Einen Moment lang starrte ich noch auf den Boden, ehe ich tief Luft holte und Newton mit erhobener Augenbraue ansah. "Seh' ich aus wie Damon?" Bei seinem überraschtem Blick hätte ich mir beinahe selbst auf die Schulter geklopft. Anstatt in Tränen auszubrechen hatte ich es geschafft, schlicht und einfach genervt zu klingen und mir das Gefühlschaos in meinem Inneren nicht anmerken zu lassen. Damit hatte hier wohl niemand gerechnet, ich am allerwenigsten.
"Sagte ich ja", murmelte Damon beiläufig und drückte mich wieder zurück auf meinen Stuhl. Dem ersten Impuls folgend, versuchte ich wieder aufzustehen, scheiterte jedoch dank Damons Hand auf meiner Schulter. Mit rasendem Herzen biss ich die Zähne zusammen und betete, dass er mich loslassen würde, wenn ich ruhig sitzen blieb. Ausnahmsweise schien Gott mich tatsächlich mal gehört zu haben und ich atmete erleichtert aus, als Damon einige Schritte zur Seite trat und Dr. Skylander sich mir gegenüber setzte.
"Trink das." Sie schob mir ein kleines Glas mit einer trüben Flüssigkeit hin. Skeptisch betrachtete ich das undefinierbare Getränk. "Was ist das?"
"Trink einfach, Lola, oder ich zwing dich dazu." Das wäre ja noch schöner, ich verdrehte die Augen und kippte das Zeug runter, bevor Damon seine Drohung wahr machen konnte. Es blieb zu hoffen, dass es wohl niemanden etwas nützen würde, mich jetzt schon zu vergiften. Andererseits wäre das vielleicht gar nicht so schlecht, dann müsste ich immerhin nicht mehr ständig Damon sehen. Oder Newton, der nun grinsend die Hände auf den Tisch stützte und sich in meine Richtung lehnte. Angeekelt rutschte ich so weit weg, wie es mein Stuhl erlaubte.
"Also, offensichtlich haben deine Freunde ja eine Evakuierung durchgeführt. Und ich will wissen, wo sie sind."
Ich schwieg. Der dachte doch nicht ernsthaft, dass ich einfach so alle verraten würde. Nur über meine Leiche.
"Ihr Wahrheitszeug funktioniert offenbar nicht", kommentierte Damon mein Schweigen spöttisch. Obwohl ich eigentlich keine Gefühlsregung zeigen wollte, konnte ich nicht verhindern, dass mir ein Grinsen entwich. Ich hatte also gerade irgendein komisches Wahrheitsserum getrunken und jetzt funktionierte das nicht einmal. "Wobei Sie ja anscheinend nicht einmal wissen, wie das wirklich geht." Damon schlenderte von seinem Beobachtungsposten an der Wand wieder zu mir und ignorierte Newtons verärgerten Blick.
"Erstmal eine grundlegende Frage, Prinzessin. Weißt du, wo das neue Hauptquartier der Rebellen ist, ja oder nein?"
"Jein." Leicht verzweifelt biss ich mir auf die Zunge; dieses verdammte Zeug funktionierte ja doch. Gott sei dank hatte Colin mir nicht verraten, wo genau sich das neue Versteck befand.
"Was soll das heißen, 'jein'?"
"Du hast gefragt, ob ich weiß, wo das Hauptquartier der Rebellen ist, ja oder nein. Da ich es weder nicht weiß noch weiß, habe ich mich für jein entschieden", antwortete ich ungeduldig. Das war doch wohl logisch, oder? Jedenfalls fand ich es logisch und anscheinend war es auch die Wahrheit, sonst hätte ich es wohl nicht gesagt. Umso besser, Damon schien jedoch alles andere als zufrieden mit dieser Antwort zu sein. "Wo sind sie?"
"Weiß ich nicht." Erneut konnte ich ein beinahe schon überhebliches Lächeln nicht unterdrücken. Obwohl ich nicht kontrollieren konnte, was ich auf Fragen antwortete, erfuhren sie nicht, was sie wissen wollten, weil ich die genaue Antwort nicht kannte. Ironie des Schicksals würde ich mal sagen.
"Wie lange wirkt dieses Zeug?", fragte Newton mit zusammengekniffenen Augen Dr. Skylander.
"Noch etwa drei Minuten", antwortete diese und klopfte nervös auf den Tisch. "Anscheinend bekommen wir auf diesem Weg nicht unsere Antwort." Nein, und sie würden sie auch auf keinem anderem Weg bekommen, nicht, solange ich es verhindern konnte.
"Offenbar nicht", Newton fing an, frustriert durch den Raum zu laufen, ehe er plötzlich stehen blieb und Damon einen merkwürdigen Blick zuwarf. "Dann tritt Plan B in Kraft." Plan B?
"Aber...", setzte Dr. Skylander an, wurde jedoch sofort wieder unterbrochen. "Kein aber, wir gehen jetzt." Na endlich, ich entspannte mich und schloss erleichtert die Augen. Sie gingen und ich musste nicht mehr ununterbrochen darauf warten, dass irgendetwas schlimmes passierte.
"Ist der Stuhl so gemütlich? Kann ich jedenfalls nicht von meinem behaupten." Verdammt, so viel zum Thema allein sein. Seufzend schlug ich die Augen wieder auf; Damon hatte sich nun ebenfalls gesetzt und sah mich ausdruckslos an. Warum verstärkte sich das mulmige Gefühl in meinem Bauch nur mit jeder Sekunde mehr? Und warum schaffte ich es nicht, so ein Pokerface wie mein Gegenüber aufzusetzen? Oder wenigstens eine sarkastische Antwort zu geben. Stattdessen befasste ich mich lieber wieder damit, den Tisch anzustarren, der war immerhin nett.
"Lola, wir wissen beide, dass du zumindest ungefähr weißt, wo das Lager ist." Mal wieder schwieg ich, ich hätte auch nicht gewusst, was ich darauf erwidern sollte.
Während ich weiterhin die Tischplatte mit Blicken durchlöcherte, sah ich aus den Augenwinkeln, wie Damon sich seufzend durch die Haare fuhr. Einige Minuten lang saßen wir so da, jeder damit beschäftigt, seinen Gedanken nachzuhängen.
"Sagt dir der Begriff Leikord etwas? Nein, warum frage ich überhaupt, natürlich kennst du das nicht", er wartete kurz, ob ich doch noch antworten wollte. "Also....Leikord ist ein Gift. Wenn es mit offenen Wunden in Berührung kommt, schmerzen diese ungefähr 10mal so stark, wie normalerweise."
"Du willst mich foltern?" Ungläubig starrte ich ihn an, als ich verstand, was diese Worte bedeuteten. Ich wusste, dass Damon grausam sein konnte, aber zu mir war er nie so gewesen und irgendwie konnte ich mir auch nicht vorstellen, dass er das ernsthaft machen wollte.
"Von wollen kann keine Rede sein, Prinzessin. Sag mir, was ich wissen will und ich lasse dich in Frieden." Mit großen Augen starrte ich auf das kleine Messer, dass er irgendwo hergeholt hatte und schüttelte langsam den Kopf. Ich würde meine Freunde nicht verraten; hoffte ich jedenfalls.
"Sicher?", beiläufig griff Damon nach meinem rechten Arm, bevor ich ihn rechtzeitig vom Tisch ziehen konnte. "Das interessante an Leikord ist, dass es abgesehen von dem verstärkten Schmerz...", ein winziger Schnitt knapp über meinem Handgelenk ließ mich aufkeuchen. Die Klinge musste in diesem Gift getränkt worden sein, anders konnte ich mir den plötzlich aufflammenden Schmerz nicht erklären. Es brannte, als hätte er mir mindestens die Pulsadern aufgeschnitten und nicht nur einen Kratzer zugefügt. Mit Tränen in den Augen unterdrückte ich ein Wimmern und versuchte nicht einfach aufzuspringen und mich loszureißen, das würde einerseits nicht funktionieren und andererseits vermutlich alles nur schlimmer machen.
"... auch etwas anderes verursacht. Anstelle von Narben entstehen dunkelblaue Linien, ähnlich eines Tatoos. Also, entweder du gibst mir eine Antwort oder ich verbringe die nächsten Tage damit, dir ein Muster in den Arm zu ritzen." Er sah mich fragend an. "Hast du was gesagt?"
"Fahr zur Hölle, Damon", presste ich zwischen zusamengebissenen Zähnen hervor.
"Wie du meinst, du kannst jederzeit Bescheid sagen, wenn du deine Meinung änderst", schulterzuckend setzte er das Messer erneut an. "Übrigens kannst du ruhig schreien, hier hört dich sowieso niemand." Die Klinge drang diesmal tiefer ein.
Und ich schrie.

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