60. Kapitel

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Schon Kapitel 60.... langsam werde ich das Gefühl echt nicht los, dass wir wirklich noch die 100 knacken xD
Ich habe mich übrigens sehr gefreut, weil doch so viele von euch meinem Aufruf gefolgt sind und mal ein Lebenszeichen von sich gegeben haben ^^. Danke auch für die vielen Gratulationen bezüglich den Wattys.

"Scheiße, Lola, ich hätte dich damals wirklich suchen sollen. Das alles wäre nicht passiert, wenn du bei mir beziehungsweise an einem anderem sicherem Ort geblieben wärst", sagte Haley nach einigen Sekunden des Schweigens.
Ich lächelte versuchsweise und versteckte meinen Arm wieder unter dem verdreckten Stoff des Pullovers. "Das kannst du nicht mit Sicherheit wissen. Früher oder später wäre ich so oder so wieder bei Newton gelandet, auch wenn ich nicht den Rebellen begegnet wäre."
"Warte mal, du warst bei den Rebellen? Ich glaubs nicht, also sind die Gerüchte doch wahr: die Menschen erheben sich endlich gegen die Regierung! Du musst mir unbedingt alles erzählen; wie viele Menschen haben sich den Rebellen angeschlossen? Gibt es schon konkrete Pläne zum Sturz der Regierung? Wie sieht es mit der militärischen Ausrüstung aus? Gibt es überhaupt ausgebildete Soldaten? Und wie..."
Tonis begeisterte Fragen wurden durch Maria, die mich energisch auf einen der Sessel zu schob, unterbrochen. "Jetzt lass sie doch erstmal Luft holen. Die letzten Wochen dürften schon so schwer genug für Lola gewesen sein, da musst du sie nicht auch noch mit deinen Fragen überrumpeln." Sie sah den jungen Mann einige Sekunden lang tadelnd an, ehe sie sich an mich wandte. "Du hast doch bestimmt Hunger, nicht wahr? Soll ich dir irgendetwas Bestimmtes bringen? Ich hätte noch etwas vom Mittagessen übrig. Ach weißt du was? Ich hole dir einfach von allem etwas."
Ohne mir Zeit für eine Erwiderung zu lassen, eilte sie bereits aus dem Raum. Zugegeben, ich hatte wirklich Hunger, doch ich bezweifelte, dass ich 'von allem etwas' essen konnte. Gab es da nicht auch so eine Regel, dass man nach mehreren Tagen Fasten nur langsam wieder Nahrung zu sich nehmen sollte?
"Also....mich würde es um ehrlich zu sein aber auch interessieren, wie es dir in den letzten sechs Monaten so ergangen ist. Abgesehen davon, dass Newton dich nicht in Frieden lassen wollte", sagte Haley nachdenklich und ließ sich auf das Sofa gegenüber von mir fallen. Holger und Toni folgten ihrem Beispiel und sahen mich erwartungsvoll an.
Ich wusste nicht warum, aber aus irgendeinem Grund fühlte ich mich extrem unwohl. Vielleicht war es die Tatsache, dass ich hier offenbar in ein ganz normales Leben reingeplatzt war und eine Art faszinierende Attraktion darstellte. Niemand von ihnen konnte auch nur im Entferntesten nachvollziehen, was ich erlebt hatte und doch würden am Ende meiner Erzählung garantiert verständnisvolle, mitfühlende Sätze kommen.
Dazu kam noch, dass Haley und Toni sehr vertraut wirkten; beinahe jeder Blick den die beiden austauschen, jede Berührung erinnerte mich an Damon. Und das war gerade so ziemlich das Letzte, was ich wollte.
"Hier, Lola, ich hoffe du magst Nudeln." Maria war zurückgekommen und überreichte mir mit einem unsicherem Lächeln einen mehr als gut gefüllten Teller. Dankbar nahm ich ihn an, auch wenn ich bezweifelte, dass ich alles schaffen würde.
Diese Menschen waren so freundlich zu mir, obwohl sie rein gar nichts von mir wussten. Ich wusste zwar genauso wenig über sie, doch konnte ich erwarten, etwas zu erfahren, wenn ich meine eigene Geschichte nicht erzählen wollte? Und irgendwie hatten sie wohl auch ein Recht darauf zu erfahren, wem sie hier eigentlich Zuflucht boten.
"Nun....nachdem ich Haley verlassen hatte, bin ich jemandem begegnet, der mich ohne mein Wissen zu den Rebellen brachte. Dort absolvierte ich eine Ausbildung zur Soldatin, erreichte schließlich sogar einen Offiziersrang. Ein paar Wochen später mussten wir aufgrund der mutmaßlichen Gefangennahme des ranghöchsten Offiziers Damon durch die Regierung das gesamte Hauptquartier evakuieren. Dabei bin ich ebenfalls gefangen genommen wurden. Als ich in einem Gefängnis der Regierung zu mir kam, traf ich meinen Vorgesetzten wieder. Nachdem ich ihn Ewigkeiten genervt hatte, hat er mir schließlich eröffnet, dass er insgeheim schon seit vier Monaten für Newton arbeitete.
Während ich noch vollkommen geschockt von diesem Bekenntnis war, brachte er mich zu Newton, der von mir wissen wollte, wo sich das neue Hauptquartier der Rebellen befindet. Ich wusste es zum Glück nicht, trotzdem hat er mir nicht geglaubt. Daraufhin hat Damon mich zwei Wochen lang gefoltert, um an die Informationen zu kommen, die ich selber nicht besaß. Ich konnte erst entkommen, als irgendein Alarm ausgelöst wurde und alle anderen damit beschäftigt waren. Dann habe ich mich im Wald versteckt und bin weiter gelaufen, bis ich euer Dorf gefunden habe. So bin ich hier gelandet."
Nachdem ich die gekürzte Version des letzten halben Jahres berichtet hatte, schlang ich die Nudeln auf meinem Teller geradezu herunter, um niemanden ansehen zu müssen. Es war schon für mich schlimm genug, für die anderen musste es klingen, als hätte ich gerade die extrem übertriebene Variante eines alten Buchs zum Besten gegeben.
Vielleicht war es das ja sogar; vielleicht war ich einfach nur die tragische Hauptfigur in einem absurden Theaterstück und wusste es nur nicht.
"Trauer dem Kerl nicht hinterher, er hat es nicht verdient", murmelte Toni und brach somit als Erster das Schweigen.
Verwirrt erwiderte ich seinen mitfühlenden Blick. Wie kam er denn jetzt darauf, ich hatte meine Beziehung zu Damon doch mit keiner Silbe erwähnt. Jedenfalls konnte ich mich nicht daran erinnern.
"Nein, hast du auch nicht. Ich kann Gedanken lesen."
"Das ist jetzt nicht dein Ernst", entgegnete ich empört. "Hör sofort auf damit, du hast nichts in meinem Kopf verloren."
Hatte er jetzt wirklich alles mitbekommen? Gott, woran hatte ich denn in der letzten halben Stunde gedacht?
Beinahe schon panisch versuchte ich mich zu erinnern. Ich wollte nicht, dass ein Wildfremder meine Gedanken kannte. Wenn man's genau betrachtete, wollte ich absolut niemanden in meinem Kopf haben. Das waren meine Gedanken, die gingen keine Menschenseele etwas an!
"Keine Panik, ich habe schon aufgehört", beruhigte Toni mich grinsend. Ich fand das alles andere als lustig und kniff misstrauisch die Augen zusammen. "Und woher soll ich wissen, dass das die Wahrheit ist?"
"Er kann nicht gleichzeitig Gedanken lesen und reden", antwortete Holger an Tonis Stelle.
"Ganz genau. Und jetzt würde ich sagen, dass du uns etwas mehr als nur die paar Brocken von deiner Geschichte erzählst. Ich könnte zwar auch deine Gedanken lesen, aber da wir das beide nicht so witzig finden, lass ich es mal."

***

Hellwach lag ich in dem kuschligem Gästebett neben Haley und starrte in die Dunkelheit.
Nachdem ich widerwillig eine Frage nach der anderen beantwortet hatte, hatte ich endlich die Gelegenheit erhalten, selbst Fragen zu stellen.
Ganz besonders hatte es mich interessiert, wieso Haley eigentlich hier war und welche Verbindung sie zu dieser seltsamen Familie hatte.
Die Antwort war mehr als überraschend; nachdem ich verschwunden war, hatte Haley mehrere Tage lang ununterbrochen fremde Männer gesehen, die sie beobachteten. Anfangs glaubte sie noch an Zufall, doch als sie irgendwann mitten in der Nacht plötzlich durch Geräusche, die eigentlich nur von Menschen im Haus verursacht werden konnten, geweckt wurde, änderte sich das. Einem drängenden Gefühl folgend hatte Haley sich innerhalb von wenigen Minuten alle wichtigem Dinge geschnappt und aus dem Haus teleportiert. Keine Sekunde zu früh, denn sie beobachtete kurz danach, wie ihr Haus in Flammen aufging.
Warum genau die Männer Haley töten sollten, verstand ich noch immer nicht, vielleicht war das aber auch nicht ihre eigentliche Mission gewesen.
Die nächsten Wochen liefen für Haley beinahe so seltsam ab, wie für mich. Sie konnte ungehindert mit ihren gefälschten Papieren quer durch das Land reisen, bis sie von einem besonders aufmerksamen Aufseher gestoppt wurde. Ich hätte mir wohl denken können, wer dieser Aufseher war.
Niemand anderes als Toni, der wohl auch nur Haleys Situation mitbekommen hatte, weil er ihre Gedanken gelesen hatte. Er bot ihr seine Hilfe an und brachte sie hierher, zu seinen Eltern.
Vielleicht nicht unbedingt der klügste Schritt, wenn man bedachte, dass dieses unscheinbare Dorf in Wirklichkeit zum Großteil Sklavenhändler beherbergte.
Diese Tatsache bereitete mir am meisten Sorgen. Maria hatte mir zwar versichert, dass mich niemand anrühren würde, weil ich unter ihrem Schutz stand, doch ich war mir da nicht so sicher.
Haley war in Sicherheit, weil sie mit Toni verlobt war, doch ich hatte kein solches Alibi.
Beunruhigt erinnerte ich mich an die Gruppe von Männern, die ich vor drei Tagen gesehen hatte. Sie hatten nicht den Eindruck auf mich gemacht, als würden sie sich darum kümmern, was andere ihnen sagten. Wenn sie wüssten, dass ich von der Regierung höchstpersönlich gesucht wurde, würden sie sich von niemandem die Chance auf eine hohe Belohnung verderben lassen.
Das war eigentlich schon Grund genug, um schnellstmöglich von hier zu verschwinden, doch so einfach war das nicht. Vor einigen Stunden hatte sich der Regen in dichten Schneefall verwandelt, der es mir unmöglich machte, auf der Straße beziehungsweise im Wald zu leben.
Ich würde wohl oder übel eine Weile hier bleiben müssen, auch wenn es mir noch so sehr widerstrebte. Aber wenigstens war Haley bei mir, auf eine seltsame Art und Weise machte ihr unerschütterlich fröhliches Wesen alles ein bisschen besser.

Diesmal ist es wieder ein etwas kürzeres Kapitel geworden, es würde einfach nicht passen, jetzt weiterzuschreiben.
Also eben ein kurzes Kapitel, aber immerhin ist es eins ^^.


Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Donde viven las historias. Descúbrelo ahora